Mannheim. „Wir sind bis Anfang Dezember ausgebucht“, sagt Mathias Berthold. Dabei hat er sogar den freien Mittwochnachmittag - an dem Arztpraxen in der Regel geschlossen sind - gestrichen, um einen ganztägigen Impftag anzubieten. Jeweils 60 Patienten schaffe er da, mehr sei in seiner Einzelpraxis in der Neckarstadt-West schwierig, meint Berthold. Er ist der Pandemie-Beauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Mannheim und weiß von manchem Kollegen, der mehr impft. Aber auch von einigen, bei denen es weniger sind. Die Nachfrage sei zuletzt jedoch überall gewaltig gestiegen, berichtet der Mediziner. Zwar gebe es bisher Ungeimpfte, die nun erst wegen der zunehmenden Nachteile für sie kämen. „Aber etwa 90 Prozent wollen Booster-Impfungen.“
Dabei wäre es andersherum deutlich besser. Obwohl die Corona-Zahlen fast überall explosionsartig ansteigen, beziffert das Landesgesundheitsamt die Sieben-Tage-Inzidenz unter vollständig Immunisierten mit nur 36,2, zuletzt ist sie sogar leicht zurückgegangen. Unter denen, die weder geimpft noch genesen sind, beträgt der Wert astronomische 892,5 - das ist eine fast 25 mal höhere Inzidenz.
Drei weitere Todesopfer
- Die Stadt hat am Freitag drei weitere Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus gemeldet. Ein über 90 Jahre alter Mann und eine über 80 Jahre alte Frau starben in einem Mannheimer Krankenhaus, ein über 70-Jähriger in einem Pflegeheim.
- Zudem registrierte das Gesundheitsamt (bis 16 Uhr) 191 Neuinfizierte. Damit waren es an den vergangenen vier Tagen zusammen 859. Die Inzidenz ist auf 375,2 gestiegen.
- Unter insgesamt 661 positiven Fällen, die in der 44. Kalenderwoche festgestellt wurden, waren 321 vollständig Geimpfte, also fast die Hälfte. Per Schnelltest wurden in jener Zeit nur 49 Infizierte entdeckt. sma
Aktion in der Abendakademie
Gleichwohl führt die sich zuspitzende Lage verbunden neuerdings mit Politiker-Appellen an alle, sich nach sechs Monaten „boostern“ zu lassen, zum massiv gestiegenen Impf-Interesse. Auch bei den niederschwelligen Angeboten der Stadt - die nächsten sind an diesem Samstag von 12 bis 17 Uhr im Quartiersmanagement auf der Rheinau, von 12 bis 18 Uhr in der Abendakademie sowie am Sonntag von 10 bis 16 Uhr vor dem Zirkus Paletti im Pfeifferswörth - ist der Andrang sehr groß, wie Rathaussprecher Ralf Walther auf Anfrage bestätigt. Und im Klinikum war am Freitagnachmittag unter www.umm.de/impfpunkt der nächste freie Termin für eine Booster-Impfung am 30. Dezember.
Mannheim reagiert auf die stark gewachsene Nachfrage mit zwei zusätzlichen Impfteams, von denen eines permanent im Stadthaus stationiert werden soll. Auch der Rhein-Neckar-Kreis hat sein Angebot (das auch Menschen von außerhalb offensteht) dank zusätzlicher Kräfte vom Land gewaltig ausgebaut.
Nur 20 Euro pro Impfung
Aber wird das reichen? „Ich hoffe es“, sagt der kassenärztliche Pandemie-Beauftrage Berthold. Auch wenn in der Maimarkthalle für Menschen aus Mannheim wie von außerhalb wirklich Enormes geleistet worden sei, halte er die Schließung der enorm teuren Impfzentren Ende September nach wie vor für richtig. Niedergelassene Ärzte bekämen aktuell pro Impfung nur 20 Euro. Die bräuchte er auch, um seinem Praxisteam einen „monetären Anreiz“ fürs Arbeiten am freien Mittwochnachmittag zu bieten. „Damit ist Impfen für mich nicht kostendeckend.“
Nicht ganz ohne Groll in der Stimme erinnerte Oberbürgermeister Peter Kurz nun im Hauptausschuss des Gemeinderats daran, dass führende Vertreter der Ärzteschaft im Sommer immer gefragt hätten, wozu es noch Impfzentren gebe - „wo doch niedergelassene Ärzte nunmehr alles übernehmen könnten. Laut Gesundheitsamtschef Peter Schäfer gibt es derzeit aber nur wenige, die komplette Impftage anbieten.
Um den Zugang zu Impfterminen zu erleichtern, hat die Stadt nun unter www.gis-mannheim.de/impfkarte ein Portal erstellt, auf dem bislang 16 Impfpraxen gelistet sind (weitere Interessenten sollen eine Mail an 58coimpf06@mannheim.de schicken). Von den anderen impfen viele nur ihre eigenen Patienten.
Berthold nicht. Allerdings sind bei ihm vorerst nur über 60-Jährige und vulnerable Gruppen dran. Jüngere können sich registrieren lassen, „wenn dann mal kurzfristig ein Termin ausfällt, komme ich vielleicht auf sie zu“. Generell sei der November für ihn und seine Kollegen aber schon vor Corona keine Zeit gewesen, „in der wir uns gelangweilt hätten“. Derzeit gebe es nicht nur eine Welle von Erkältungskrankheiten, auch chronische und psychologische Leiden hätten in der Pandemie stark zugenommen. Einige Patienten, die das lange hinausgezögert hätten, kämen nun wieder. Aber an Impftagen auch nur Notfälle noch zu versorgen, sei sehr schwierig.
Corona in der Region
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Besonders Gefährdete sollten bei Booster-Impfungen Vorrang haben