Krieg in der Ukraine

Stadt Mannheim lädt Geflüchtete zu Jobmesse: "Nutzen Sie diese Chance"

Mehrere Unternehmen haben sich auf einer Jobmesse etwa 260 von der Stadt Mannheim eingeladenen Geflüchteten präsentiert. Die Stadt hofft, Geflüchteten so den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Von 
Sebastian Koch
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Einstieg in den Arbeitsmarkt? Von der Stadt eingeladene Geflüchtete haben im Gewerkschaftshaus Kontakt zu Unternehmen geknüpft. © Thomas Tröster

Mannheim. Der Trubel im ersten Stock des Gewerkschaftshauses ist an diesem Vormittag kaum zu überhören: An zahlreichen Tischen sitzen in der Regel drei, manchmal sogar vier Menschen: Männer, Frauen - ganz gemischt. Manche tragen Anzüge, andere sind leger gekleidet. Im Raum herrscht ziemliches Gewusel: Immer wieder wechseln Menschen ihre Sitzplätze, laufen auf die andere Seite, an andere Tische. Auch hier werden Broschüren gereicht, Informationen ausgetauscht, Biografien erzählt, Vorstellungen geteilt - und an dem einen oder anderen Tisch wird vom Deutschen ins Ukrainische oder in die andere Richtung übersetzt. Die Stadt hat etwa 260 aus der Ukraine Geflüchtete eingeladen, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich etwa 20 Unternehmen vorzustellen, und so einen ersten Kontakt zum hiesigen Arbeitsmarkt zu knüpfen.

„Es wird wahrscheinlich nicht die Arbeit sein, die Sie in der Ukraine gelernt haben“, erklärt Jens Hildebrandt den Geflüchteten. Dennoch sei eine Arbeitsstelle der Anfang, „um hier bei uns gut leben zu können“, sagt der Leiter der städtischen Ukraine-Taskforce. „Nutzen Sie deshalb bitte diese Chance.“

Sprache als Einstiegshürde

Die Stellen, die die Unternehmen anbieten, sind nicht für Geflüchtete geschaffen worden, betont indes eine Sprecherin der Stadt. „Das ist kein exklusiver Stellenmarkt.“ Jede oder jeder könne sich auf diese Arbeitsplätze bewerben - auch gebe es für alle Suchenden Jobmessen.

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Vertreterinnen und Vertreter der Unternehmen verweisen in Gesprächen mit dieser Redaktion unterdessen auf den bestehenden Fachkräftemangel, andere auf Leerstellen, die sie noch besetzen wollen - wieder andere sehen die Chance, lange unbesetzt gebliebene Stellen mit neuen Impulsen zu füllen. Erstgespräche der Jobcenter hätten gezeigt, „dass bei vielen Geflüchteten die Bereitschaft da ist, sie wollen arbeiten“, erklärt Carl Philipp Schöpe, Geschäftsführer Jobcenter der Stadt.

Nach dem sogenannten Rechtskreiswechsel fallen aus der Ukraine Geflüchtete seit Juni in den Zuständigkeitsbereich der Jobcenter und können deshalb auch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beantragen - besser bekannt als Hartz IV. Auch im Zuge dessen, erklärt Schöpe, sei die Quote von Menschen, die in Mannheim Hartz IV beziehen, zuletzt um 0,7 Prozentpunkte gestiegen. „In der Regel sind Menschen aus der Ukraine keine klassischen SGB-II-Kunden“, sagt Hildebrandt. „Sie wollen sehr schnell in den Mannheimer Arbeitsmarkt integriert werden.“

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Währenddessen wird an den Tischen neben Aufgabenfeldern und Anforderungen für die jeweilige Stelle auch immer wieder über die dem Anschein nach größte Barriere für den Zugang zum Arbeitsmarkt gesprochen: die Sprache. „Wir wollen Sie gerne in unserem Unternehmen beschäftigen“, übersetzt etwa eine Sprachmittlerin an einem der Tische. „Sie müssen aber unbedingt Deutsch lernen.“ - Kopfnicken auf der anderen Seite. Fast gleichzeitig fällt ein Gespräch wenige Tische nebenan auf, das Vertreter des potenziellen Arbeitgebers mit einer jungen Frau vollständig auf Deutsch führen. „Das Sprachniveau unterscheidet sich von Flüchtling zu Flüchtling“, sagt einer der Unternehmer während einer Beratungspause. Nach einer Stunde verlassen die ersten das Gewerkschaftshaus wieder - während die nächste Gruppe an Eingeladenen bereits wartet.

Hohe Motivation

„Wir haben von Unternehmen erfahren, die gezielt innerhalb ihrer Mitarbeiterschaft Personen mit russischen oder ukrainischen Sprachkenntnissen ansprechen, um den ,on boarding Prozess’ von neuen ukrainischen Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen“, teilt die Verwaltung nach der Messe auf Anfrage hin mit. Die eingeladenen Geflüchteten hätten eine hohe Motivation und Bereitschaft zur beruflichen Integration gezeigt, heißt es. Ob tatsächlich auch Stellen besetzt worden sind, könne man aber erst nach einer Evaluierung des Jobcenters zu einem späteren Zeitpunkt sagen. „Abgesehen von möglichen Ausnahmen erfolgen die Gespräche zwischen Interessenten und Arbeitgebern zu konkreten Vertragsmodalitäten in der Regel im Nachgang an die Messe.“

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Von
Tatjana Bojic
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Arbeitssuchende, ob Geflüchtete oder Mannheimerinnen und Mannheimer, können sich außerhalb der Jobmesse in den dezentralen Jobbörsen in den Stadtteilen über Stellen informieren, teilt die Stadt weiter mit. Die Jobbörsen haben Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr und freitags von 8 bis 13 Uhr geöffnet.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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