Carl-Benz-Stadion oder Neubau? - Die Meinungen gehen in der Politik auseinander – der Fandachverband Pro Waldhof hat dagegen einen Standort-Favoriten, betrachtet das Thema aber aus verschiedenen Blickwinkeln

Stadionfrage in Mannheim: Waldhof-Fans zwischen Vereinsbrille und Augenmaß

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Kai Plösser
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Die Fans des SV Waldhof Mannheim auf der Otto-Siffling-Tribüne zeigen vor dem Heimspiel gegen Freiburg II im April eine Choreographie. © Michael Ruffler

Mannheim. Lange wurde am Donnerstag im Sportausschuss des Mannheimer Gemeinderats über das Gutachten zum Carl-Benz-Stadion diskutiert. Dabei wurde deutlich, welchen Stellenwert der SV Waldhof in der Stadt hat. „Wir alle unterstützen die Thematik Fußball mit der bekannten Historie und der Bedeutung in der Stadt“, sagte Sportbürgermeister und Waldhof-Fan Ralf Eisenhauer (SPD). Die Politik war sich einig, den Verein bestmöglich zu unterstützen. „Selbstverständlich steht die Grüne Gemeinderatsfraktion hinter dem Waldhof und dessen Ambitionen“, so Nina Wellenreuther. Und Stefan Höß von der SPD sagte: „Das Thema Carl-Benz-Stadion liegt uns seit Jahrzehnten am Herzen.“

Nun gehen aber die Meinungen auseinander, ob die Zukunft des Mannheimer Profifußballs im Carl-Benz-Stadion oder an einem neuen Standort beheimatet sein soll. Die Grünen sind gegen ein neues Stadion und positionieren sich klar in Richtung Sanierung der aktuellen Spielstätte. Die FDP/MfM-Fraktion geht bei der Ertüchtigung des Stadions für die 3. Liga mit. Aber: „Eine weitere Aufrüstung steht derzeit nicht zur Entscheidung. Wir werden die Suche nach anderen Standorten positiv begleiten, sehen jedoch keine Möglichkeit, den Bau eines neuen Stadions auf Kosten der Stadt zu finanzieren“, teilte Fraktionsvorsitzende Birgit Reinemund mit. Falls die Spielbetriebs GmbH des SVW einen Neubau auf eigene Kosten vorschlagen sollte, stehe die Fraktion den Vorschlägen offen gegenüber.

"Stadion ist Treffpunkt für Fans"

Die Fraktionen SPD, CDU, Freie Wähler/Mannheimer Liste (ML) und AfD sprechen sich dagegen dafür aus, einen Neubau auf dem Spiegelgelände, im Bösfeld oder an einem alternativen Standort zumindest ergebnisoffen und ohne Vorbehalte zu prüfen. Ein neues Stadiongelände zu finden, ist aber nicht so einfach, nicht zuletzt wegen der Lärmschutzvorgaben, erklärte Sportfachbereichsleiter Uwe Kaliske. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Claudius Kranz geht das Ganze dagegen eher pragmatisch an: „Wenn man gemeinsam sucht, dann sind die Chancen gut“, sagte er, denn: „Es gibt viele Möglichkeiten, wenn man denn will. Wer suchet, der findet.“

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Sollte das nicht machbar sein, wäre das in den Augen des ML-Stadtrats Holger Schmid eine „Bankrotterklärung“ für die Entwicklung der Stadt. Zugleich betonte Schmid: „Ein Stadion ist heute mehr als ein Stadion.“ Es sei ein Treffpunkt für Fans. Damit liegt er auf einer Linie mit Sören Runke vom Fandachverband Pro Waldhof. „Fußball ist viel mehr, als sich am Wochenende 90 Minuten in einem Stadion bespaßen zu lassen. Für viele Fans zählt in erster Linie der Kontakt zu Gleichgesinnten“, sagt Runke. Dafür brauche es „Treffpunkte rund ums Stadion, an denen man vor und nach dem Spiel zusammen das viel zitierte Bierchen trinken kann.“ Diese Möglichkeit würde im Bösfeld fehlen.

Timo Menz, der seit der Saison 1994/95 ins Stadion geht und ehrenamtlich im Fan-Shop arbeitet, bezeichnet das Carl-Benz-Stadion als sein Wohnzimmer. „Aber falls es einen Neubau gibt, wird es das neue Stadion auch werden. Im Privatleben zieht man ja auch um und gewöhnt sich dran“, sagt Menz, der sich ein neues Stadion wünscht, „um in den nächsten Jahren in Sachen Profifußball mitzuspielen“. Ob im Bösfeld oder der Spiegelfabrik, das sei eine schwere Entscheidung. „Für das Bösfeld spricht, dass die Infrastruktur bereits vorhanden ist. Für die Spiegelfabrik, dass da der Ursprung vom Verein ist.“

Städtebauliche und ökologische Perspektive wichtig

Runke und Pro Waldhof dagegen haben im Falle eines Neubaus einen klaren Favoriten. Dabei spielen auch fußballromantische Gründe eine Rolle: „Der Standort Spiegelfabrik wäre für den SVW zuerst einmal ein Heimkommen.“ Er verweist auf das Schlammloch und den unterm Wald verschwundenen Sandacker, die ersten beiden Plätze in der Historie der Blau-Schwarzen. „Hier ist die Tradition des SVW sichtbar und förmlich greifbar“, so Runke. Zudem sei die Spiegelfabrik mehr oder weniger der Gründungsort des Arbeiterstadtteils Waldhof. Somit könne der SVW dort „in Sachen Markenbildung viel tun und working class football noch authentischer leben“, ist sich Runke sicher.

Der Waldhof-Fan kann die Stadiondiskussion aber auch ohne blau-schwarze Vereinsbrille auf den Augen betrachten. So müsse das Thema auch aus städtebaulicher und ökologischer Perspektive beleuchtet werden: „Unsere stark von Industrie geprägte Stadt Mannheim würde wahrscheinlich besser daran tun, ein seit fast 170 Jahren versiegeltes Gelände umzunutzen und dabei sogar noch für das Klima wichtigen Waldbestand zu erhalten, statt weitere Flächen zu versiegeln.“

Stadionrundgang geplant

Auch richtet Runke einen Blick auf das Finanzielle im Zusammenhang mit dem Sportlichen: „Ganz egal, ob Neubau oder Renovierung - das Stadion muss auch dann für Stadt und Verein finanzierbar sein, wenn der gewünschte sportliche Erfolg ausbleiben sollte. Deshalb verschließen wir uns hier nicht dem Fortschritt, aber befürworten eine Zukunftsplanung mit Augenmaß.“

Denn neben dem Neubau kommt bekanntlich auch die Sanierung des Stadions infrage. Runke macht klar: „Für uns ist wichtig, dass eine Sanierung in Anlehnung an die DFL-Auflagen nicht nur die Luxusansprüche für ein blitzblankes Produkt zur TV-Übertragung bedient.“ Auch der Stadionbesucher sollte etwas von den Modernisierungen haben. Runke spricht die Sanitäranlagen, Versorgungsstände sowie die Bedingungen für Rollstuhlfahrer an. Davon kann sich die Politik am 22. Juni ein genaues Bild machen: Dann steht ein Stadionrundgang an, der aufzeigen soll, was alles im Argen liegt.

Redaktion

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