Mannheim. „Schwierig“, sagt Hansjörg Jörger und muss einen Moment nachdenken. Der Pfarrer ist Hausherr einer der schönsten und spektakulärsten modernen Mannheimer Kirchen: der nahezu rundum verglasten Pfingstbergkirche.
„Die ist nicht so einfach warm zu kriegen“, seufzt Jörger. Im Winter steht er wie viele seiner Kollegen vor der Herausforderung, die Heizung richtig zu dosieren. Das ist in modernen ebenso wie in historischen Kirchenbauten gleichermaßen schwierig, denn gebaut wurden sie alle, als „Energiesparen“ ein Fremdwort war.
Mannheimer Kirche mit hohen Glasfenstern schwer zu heizen
„Bei uns ist das Problem, dass durch das Glas die Wärme nicht so gut drin bleibt“, sagt Jörger. Im Sommer kann es dagegen heiß sein, wenn die Sonne durch die Scheiben scheint. Das vom Mannheimer Architekten Carlfried Mutschler 1963 erbaute lichtdurchflutete Gotteshaus zeichnet sich durch vom Boden bis unter das Betondach ragende Fenster aus. „Das ist in der heutigen Zeit natürlich problematisch“, so Pfarrer Jörger.
Als Vorteil erweise sich wiederum, dass sich die Heizkörper des vom Volksmund „Glaskirche“ genannten Baus direkt unter den Bänken befinden. Er versuche, immer auf mindestens 14 Grad zu kommen, so der Pfarrer. „Zwei Grad mehr würden schon sehr ins Geld gehen“, sagt er. „Aber die Leute richten sich darauf ein und kommen im Winter im Mantel in den Gottesdienst“, so Jörger: „Beschwert hat sich noch keiner!“
Von Beschwerden ist auch in anderen Gemeinden nichts zu hören. In der Christuskirche ist es etwas wärmer als in der Pfingstbergkirche – die wird aber auch mit Fernwärme, nicht mit Gas beheizt. Laut Pfarrerin Maibritt Gustrau versucht die Gemeinde, bis zu 18 Grad zu erreichen, „wir testen aber immer mal, nach unten zu gehen, auf 16 bis 17 Grad“.
Mannheimer Friedenskirche wird seit zwei Jahren nicht geheizt
Die etwas höhere Temperatur begründet sie mit der intensiveren Nutzung. So ist der „Evangelische Dom“, wie die Christuskirche auch genannt wird, täglich von 9 bis 18 Uhr (außer montags) zum Gebet oder einfach für Besucher geöffnet. Zudem gibt es dort viele kirchenmusikalische Veranstaltungen, so dass sehr oft tagsüber dafür Proben stattfinden. „Und wenn sich Menschen hier länger aufhalten, muss es schon etwas wärmer sein“, erklärt Pfarrerin Gustrau. Die zur gleichen Gemeinde zählende Friedenskirche wird indes seit zwei Jahren gar nicht mehr geheizt. Die Gemeinde selbst hält dort keine Gottesdienste mehr ab, sondern deren Räume nutzen nur noch Gruppen, die hier in der Muttersprache beten, von Äthiopiern über ungarische Protestanten bis zu Koreanern. „Die ziehen im Winter in den Gemeindesaal um“, sagt Gustrau.
Generell entscheiden bei der Evangelischen Kirche die Gemeinden selbst, zu welchen Anlässen ihre Kirchen wie geheizt werden. Allerdings stellt die Heizung für viele Kirchengemeinden eine Belastung dar – finanziell, aber auch aus ökologischen Gründen.
Luftbefeuchter für die Orgel der St. Konrad-Kirche
Laut einer Berechnung der Evangelischen Landeskirche Baden kostet die Aufheizung einer Kirche für einen Gottesdienst durchschnittlich etwa 220 Euro und verbraucht etwa 700 Kilogramm Kohlendioxid. Aber auch wer die Heizung abdreht und in ein Gemeindehaus umzieht, muss weiter die Luftfeuchtigkeit im Sakralbau kontrollieren. „Man muss da Vorgaben beachten für den Erhalt der Orgeln und, selbst wenn das jetzt bei uns keine Rolle spielt, für Gemälde“, erläutert Pfarrerin Maibritt Gustrau.
Aber auch die Sakralgebäude spüren den Klimawandel: Sie reagieren auf geänderte Heiz- und Lüftungssituationen ebenso wie auf geänderte Wetterlagen. Die katholischen Kirchen im Mannheimer Dekanat sind daher mit einer Klima-Monitoring-Sensorik ausgestattet. In diesen Kirchen wird im 15-minütigem Rhythmus die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur an verschiedenen Stellen gemessen.
Das Monitoring läuft über das Gebäudemanagement der Katholischen Gesamtkirchengemeinde. Deren Fachleute können so beispielsweise über ein Internet-Portal die Daten einsehen. Das hilft, den Energieverbrauch zu senken und sowohl das Gebäude als auch die Ausstattung intakt zu erhalten, beispielsweise die Orgeln. In der St. Konrad-Kirche in Casterfeld muss während der kalten Jahreszeit in der Orgel beispielsweise ein Luftbefeuchter das Instrument mit ausreichend Feuchtigkeit versorgen.
Die Katholische Gesamtkirchengemeinde hat auf Basis der erfassten Daten für jede Kirche die mögliche Minimaltemperatur an die verantwortlichen Gremien in den Seelsorgeeinheiten als Richtwerte weitergegeben. Die leitenden Pfarrer verständigten sich 2022 auf die von der Erzdiözese empfohlenen Temperatur-Richtwerte für die Kirchen im Dekanatsgebiet. Diese liegen bei etwa 10 Grad für Kirchen. „Pauschal kann aber nicht gesagt werden, welche Temperatur für eine Kirche im Winter die richtige Wahl ist. Jedes der Gebäude ist individuell und besonders“, heißt es von der Katholischen Gesamtkirchengemeinde.
Etwa die Jesuitenkirche. Sie war im November auf zwischen 15 und 19 Grad temperiert – gemessen in der zweiten Bankreihe. Die Abweichungen der Temperatur schwanken stark mit der Witterung und den Außentemperaturen, denn trotz Fußbodenheizung ist das hohe barocke Gebäude schwer warm zu halten. Hier wird die Temperatur auch immer etwas höher angesetzt als in weniger genutzten Vorort-Kirchen, da sie ja auch den ganzen Tag zum Gebet und für Besichtigungen geöffnet ist und zudem täglich um 18 Uhr und am Wochenende mehrere Gottesdienste stattfinden.
Umstellung auf Fernwärme hat sich ausgezahlt
Wie aufwendig es ist, die Temperatur zu halten, zeigt ein Beispiel aus dem Mannheimer Norden. „Unsere Kirchen sollen zu den Gottesdienstzeiten auf 13 Grad und ansonsten auf acht Grad temperiert werden“, berichtet Bernhard John, über 50 Jahre ehrenamtlich im Stiftungsrat zunächst von St. Elisabeth, dann nach der Fusion der Kirchengemeinde Mannheim-Nord. Bis auf St. Franziskus, wo 2018 auf Fernwärme umgestellt wurde, werden alle mit Gas beheizt. John ist froh, dass er die Umstellung von Öl auf Fernwärme mit der MVV erreichen konnte und kann stolz auf ganz enorme Kostenunterschiede verweisen.
Die Alt-Katholische Gemeinde ist froh, dass die seit 1874 von ihr genutzte Schlosskirche am Fernwärmenetz der Universität hängt. Sie heizt meist auf 16 Grad, „es sei denn, dass Künstler eine höhere Temperatur fordern“, sagt Pfarrerin Sabine Clasani mit Blick auf die zahlreichen Konzerte dort. Doch danach versuche sie, „so schnell wie möglich wieder runterzudrehen“. Anfangs habe es von Gemeindemitgliedern Beschwerden gegeben, den vor Corona habe man auf 19 Grad geheizt. „Die waren gewohnt, dass sie ihre Jacke ausziehen können – aber das hat sich gelegt“, so Clasani. Schwieriger sei die Situation bei der Erlöserkirche in der Gartenstadt. Die wird mit Gas beheizt, Fernwärme ist dort nicht vorgesehen. „Da mache ich mir schon Sorgen“, so Pfarrerin Clasani, „denn Wärmepumpe klappt bei einer großen Kirche nicht“.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Winter in Mannheimes Kirchen: Heizen mit Vernunft und gesundem Mittelmaß