Mannheim. Frei herumlaufen im Garten - das war einmal. Schon seit einem Monat sitzen die vier Hennen von Hobbyhalterin Angelika Deußer in Käfertal wieder ganz hinter Gittern, zu ihrem eigenen Schutz. „Ich halte mich an die Empfehlung vom Land, die Tiere während der Vogelgrippesaison im Stall zu lassen, auch wenn wir nicht im betroffenen Gebiet wohnen. Außerdem sind alle meine Damen angemeldet, es herrscht ja Meldepflicht“, sagt Deußer.
Während die Tierseuche für den Menschen laut Robert Koch-Institut eher ungefährlich ist, sind gerade Puten und Hühner wie die der Käfertalerin besonders anfällig für die Geflügelpest, auch Vogelgrippe oder aviäre Influenza genannt. Zwar ist diese Krankheit, meist eingeschleppt von Zugvögeln, nicht neu. Allerdings haben vergangene Woche mehrere tot aufgefundene Lachmöwen am Handelshafen die Stadt in Alarmbereitschaft versetzt. Denn Laboruntersuchungen brachten die Gewissheit: Die Wildvögel waren mit dem aviären Influenzavirus H5N1 infiziert - und sind daran gestorben. Mittlerweile sind sechs weitere tote Wasser- und Greifvögel entdeckt worden, einer wurde positiv getestet, die Ergebnisse der anderen stehen noch aus, so die Stadt auf Anfrage.
Stadt ordnet Stallpflicht an
Um eine Ausbreitung auf Nutzgeflügel zu verhindern, hat die Stadt bereits eine Allgemeinverfügung erlassen. Die gilt bis zum 16. April für alle, die in den betroffenen Gebieten Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Wachteln, Enten, Gänse, Strauße, Emus und Nandus halten. Betroffen sind rhein- und neckarnahe Stadtteile wie die Neckarstadt, Herzogenried, Sandhofen, Neuhermsheim und weitere (siehe Grafik). Hier herrschen Stallpflicht und Hygienemaßnahmen. Soll heißen: Das Federvieh muss nun in geschlossenen Ställen, Volieren oder Schutzvorrichtungen gehalten werden, um den Kontakt zwischen Wildvögeln und Hausgeflügel zu verhindern. Es gelten verstärkte Hygiene- und Reinigungsmaßnahmen, sogenannte Biosicherheitsmaßnahmen. Damit soll verhindert werden, dass das Virus über Futter, Tränke, Geräte oder Schuhe eingeschleppt wird.
Wasservögel als Überträger
Als betroffene Gebiete ausgewiesen sind ufernahe Orte, da hier laut Stadt die wildlebenden Wasservögel wohnen. Sie übertragen besonders oft das hoch ansteckenden Virus - auch über sehr weite Strecken. Ein krankes Tier scheidet mit Kot, Speichel und Tränenflüssigkeit, also allen Körperausscheidungen, das Virus aus. Oft kommt es laut Ministerium für den Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz Baden-Württemberg bei einer Infektion zu inneren Blutungen in der Haut und in den inneren Organen.
Aviäre Influenza
- Die Geflügelpest, auch aviäre Influenza (AI), ist eine hochansteckende, meist tödlich verlaufende Viruskrankheit von Vögeln. Tauben und Singvögel sind kaum empfänglich.
- Für Hunde und Katzen ist das Virus ungefährlich. Das Essen von Eiern und Geflügel ist unbedenklich. Weil Tier und Mensch das Virus über Kleidung oder Fell weitertragen können, sollte man tote Wildvögel nicht berühren und melden.
- Die Stadt empfiehlt Geflügelhaltern, egal ob im betroffenen Gebiet oder nicht, zum Schutz Biosicherheitsmaßahmen und Stallunterbringung. lia
Welche Folgen aber haben solche Todesfälle für Landwirte, die Freilandhaltung betreiben oder Geflügelzuchtvereine, wie wirkt sich die Seuche auf andere Vögel wie Störche, Pinguine oder Eulen aus, die etwa im Luisenpark beheimatet sind? Tatsächlich gilt die Allgemeinverfügung auch für den neckarnahen Stadtpark - aber der ist vorbereitet. „Im Luisenpark sind wir derzeit noch in der günstigen Lage, durch unsere Umbaumaßnahmen nur sehr wenige Vögel in Gehegen zu haben: Eulen und Wattvögel“, sagt Stadtparksprecherin Alexandra Wind auf Anfrage. Wegen der anstehenden Buga seien die meisten Tiere aus ihren Volieren in ein separates und sicheres Übergangsquartier umgesiedelt worden. Weitere Vögel, die aus anderen Zoos in den Park zurückkommen, wie etwa die Nimmersattstörche aus dem Zoo Dresden und dem Gruga-Park Essen, werden laut Wind vorab begutachtet und getestet.
Bei den freilebenden Weißstörchen scheint es bislang allen aus der Kolonie gut zu gehen. Keiner zeige Anzeichen einer Erkrankung. Die Störche zu schützen sei aber nicht möglich, schließlich müsste man die freilebenden Tiere dafür in ein Gehege einsperren. Wichtig zu wissen: „Eine Vogelgrippe-Infektion ist übrigens nicht zwingend tödlich für das Tier“, erklärt Wind. Ob das auch für die Humboldt-Pinguine gilt? Zum Glück sind die kleinen Frackträger noch im weit entfernten Frankfurter Zoo untergebracht - und mitten in der Brut. Deshalb sei ein Umzug sowieso aktuell nicht möglich. Zwar kann die Grippe auch für sie gefährlich werden, bislang hat es bei Pinguinen in Zoohaltung aber noch keine Fälle gegeben, so Wind.
Um dem Virus keine Chance zu lassen, hält sich der Luisenpark schon seit dem 21. Januar 2023 an die Biosicherheitsmaßnahmen. Die würden routinemäßig in der Vogelgrippesaison vom Ministerium Ländlicher Raum angeordnet. So soll im Vorfeld verhindert werden, dass infektiöser Kot von Wildvögeln etwa über Schuhe der Tierpfleger ins Gehege eingeschleppt wird. „Ansonsten sind wir zuversichtlich, dass die Vogelgrippe als saisonal auftretendes Phänomen bis zum Beginn der Bundesgartenschau ausgestanden ist“, sagt Wind. Auch beim Kleintierzüchterverein Rheinau herrscht nun Stallpflicht. Noch macht man sich dort keine allzu große Sorgen. Zudem fange die Zucht von Rassegeflügel erst an, die 60 bis 70 Hühner seien bereits in Volieren untergebracht, so der Vorstand.
Tierwohl im Vordergrund
Auch die Hühner von Landwirt Philipp Theobald dürfen noch täglich raus. Mehr als 1000 Hennen besitzt Theobald in Freilandhaltung auf seinem Weiherhof in Feudenheim. Für eine artgerechte Haltung betreibt er einen mobilen Hühnerstall, Freilauf auf der Wiese inklusive. Sein Hof liege zum Glück nicht im betroffenen Gebiet, sagt der Landwirt. Deshalb könne er seinen Betrieb wie gewohnt weiterlaufen lassen, mit verschärften Hygienemaßnahmen. „Für die Tiere ist es das Schlimmste, wenn sie eingesperrt werden, sie sind ja an den Freilauf gewöhnt. Sie würden sich dann gegenseitig verletzten“, sagt Theobald. Für den Landwirt steht das Tierwohl im Vordergrund. Und er ist vorbereitet, es stehen zwei Hallen bereit, die seinem Federvieh im Ernstfall einen überdachten Auslauf bieten.
Und die Hennen von Angelika Deußer? Für Auslauf gibt es sogar ein Freizeitzelt. „Wenn das überstanden ist, dürfen sie uns wieder bei der Gartenarbeit helfen. Die schlauen Hühner lieben den Spaten, der gräbt nämlich Würmer aus!“, sagt Deußer.
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