Soziales

So steht es kurz vor Weihnachten um die Mannheimer Tafeln

Zwei Mitarbeiter der Mannheimer Tafel berichten, was aktuell dringend gebraucht wird, was sie bewegt - und wie sich vor dem Tafelladen zeigt, dass der Soziale Frieden gefährdet ist

Von 
Lea Seethaler
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Im Tafelladen in der Mannheimer Alphornstraße in der Neckarstadt-West: Tafelleiter Mahmoud Gol Mohammadi arbeitet seit 2004 für die Einrichtung. © Thomas Tröster

„Wir haben gerade zwölf Paletten Zuckerwasser bekommen. Das ist gut gemeint, bringt uns gerade aber nicht so viel“, sagt Christiane Springer, Geschäftsführerin des DRK-Kreisverbands, des Trägers der hiesigen Tafeln. „Aktuell brauchen die Menschen vor allem Nudeln, Zucker, Mehl. Grundnahrungsmittel, die haltbar sind.“ Die Spenden in der letzten Zeit fielen „nicht mehr so üppig“ aus, sagt sie. „Die Firmen spenden jetzt viel direkt in die Ukraine.“

Viele Studenten als Kunden

Doch der Bedarf der Tafel ist weiter groß, berichtet Springer. Egal, ob es um Finanz- oder Lebensmittel geht. Mehr als 100 Menschen stehen pro Tag allein am Laden in der Neckarstadt-West an. Viele Studenten kämen aktuell zur Tafel, berichtet Springers Kollegin Sonja Wawszczak, Sozialpädagogische Leiterin im Kreisverband. Sie erklärt, dass viele Kunden auch Rentner, junge Familien und Geringverdiener sind. Zudem gebe es weiter großen Zulauf von Geflüchteten, die die Läden aufsuchten.

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Ein Besuch bei der Tafel Mannheim

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Besondere Lebensmittel „rationiere“ man derzeit, erzählt Wawszczak. „Denn wir wollen ja, dass so viele Menschen wie möglich etwas davon bekommen.“ Da setzte man auch mal Grenzen. „Wenn jemand zehn Kilo Mehl mitnehmen möchte, dann sagen wir schon mal: ,Da möchte vielleicht jemand anderes auch noch etwas.’“

Fleisch „liebevoll auf Zuruf“

Die Mitarbeiter erkennen auf dem Tafel-Ausweis den Bedarf. „Wir können auch etwas dazu geben, wenn wir etwa sehen, das sind sechs Personen, jemand holt zwölf Eier und Cocktailtomaten, also begehrtere Sachen. Oder Fleisch, Butter oder Milch, da machen wir das schon so liebevoll auf Zuruf, dass das von der Menge her passt“, sagt sie. „Denn wir kennen die Leute hier ja“, so Wawszczak. „In der Weihnachtszeit haben wir natürlich Extragoodies hier“, sagt sie. „Es gibt besondere Köstlichkeiten, es gibt Geschenke für Kinder, Mercedes etwa hatte für die Kinder diese Woche Päckchen gepackt, die verteilt wurden.“ Auf dem Tafelausweis sieht das Team „alle Kinder, die sich dahinter verbergen“. Jedes Kind bekomme so um Weihnachten ein Geschenk mit: „Wir sehen auch das Geschlecht des Kindes und können die Tüte passend auswählen.“

Mannheimer Tafel: Infos und Spendemöglichkeit

  • Spendemöglichkeiten für die Tafel im Netz unter www.drk-mannheim.de/angebote/tafel-und-second-hand/tafel.html (auch Online-Spenden)
  • Spendenkonto: DRK-Kreisverband Mannheim e.V., Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE82370205000005367800, BIC: BFSWDE33XXX
  • Die Tafeln in der Stadt Mannheim (Neckarstadt, Alphornstraße 8; Rheinau, Plankstadter Straße 28; Schönau, Rastenburgerstraße 43), Hockenheim, Schriesheim und Edingen-Neckarhausen sind alle in Trägerschaft des Kreisverbands des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Mannheim

Kühlfahrzeuge machen Kosten

Durch die multiplen Krisen steigt indes der Bedarf der Tafel kontinuierlich. „Wir haben Kühltheken, Kühlhäuser, Transporter mit Kühlfunktion, also Kühlfahrzeuge“, erklärt Springer. Obwohl man etwa auf vielen Gebäuden Solaranlagen habe, blieben Energie- und besonders Spritkosten eine Herausforderung. Und beim Trend der Teuerung ist kein Ende abzusehen. „Finanzielle Unterstützung ist deshalb eine ganz wichtige Sache für uns“, betont Springer.

Einen Camembert „geteilt“

„Das Lebensmittelrecht mit Lagerung, Transport und Co. greift bei uns vollumfänglich“, erklärt indes Wawszczak. „Wir packen beispielsweise nicht neu ab, da wäre die Haftung eine ganz andere.“ Sie erklärt, dass letztens jemand „ein ganzes Camembertrad“ gespendet habe. „Das war so groß“, sagt sie und ahmt mit ihren Armen einen riesigen Radius nach, als würde sie jemandem umarmen. „Das dürfen wir nicht aufschneiden und neu verpacken. Aber die Kunden sind ja nicht dumm, und kennen sich ja auch“, sagt sie und lacht. „Einer hat das Rad genommen und draußen mit den anderen geteilt.“ Die Kunden seien „eine Gemeinschaft“, erklärt sie. Schon vom gemeinsamen Warten vor der Tafel kenne man sich einfach. „Und vor der Tafel in der Neckarstadt muss man häufig warten“, betont sie.

Eine halbe Stunde vor Öffnung des Geschäfts: Einige Tage vor Heiligabend hat sich am Tafelladen in der Neckarstadt-West eine Schlange gebildet. © Thomas Tröster

"Wie, kommen jetzt noch mehr?"

In diesem Jahr kam es beim Warten auch schon mal zu Differenzen, sagt Wawszczak. „Da ging es schon darum, dass wir nach der Sicherheit gucken mussten.“ Denn „in der Anfangszeit, als die Ukraine-Geflüchteten hinzukamen, gab es oft Unverständnis“. Die Flüchtlinge, die ab 2015 kamen, hätten sich gefragt: „Warum bekommen diese Menschen Vergünstigungen, die wir nicht bekamen? Warum bekommen sie gleich Hartz IV? Warum dürfen sie kostenlos mit der Bahn fahren, und wir nicht?“ Oder da hätte sich „der normale Sozialhilfe-Empfänger gefragt: ,Wie, kommen jetzt noch mehr?’“, sagt Wawszczak. „Wir als Tafel haben dann immer wieder deutlich gemacht, auch in unseren anderen Angeboten, im Generationentreff oder in den Quartiersbüros etwa: Wir stehen für euch alle.“ Springer bekräftigt: „Ja, das war ein Thema, das wir auch immer wieder in Richtung der Politik thematisieren und thematisiert haben. Nämlich: Wie geht man mit den unterschiedlichen Gruppen um?’“

Sozialer Frieden gefährdet?

Man sei dabei „immer auf offene Ohren gestoßen, das muss man sagen“, sagt sie. Wawszczak ergänzt: „Ja, so ist es eben: Wenn es an Geld mangelt, man Hunger oder Durst hat, dann geht es um den Sozialen Frieden.“ Die Herausforderungen hierbei hätten zugenommen, sagt sie. „Sozialer Frieden steht an oberster Stelle. Man ist ja hier nicht nur Tafelmitarbeiter oder Lebensmittelbesorger, man ist auch Tröster, Zuhörer und Psychologe.“

Sonja Wawszczak (l.), Sozialpädagogische Leiterin im DRK-Kreisverband, und Christiane Springer, Geschäftsführerin des DRK-Kreisverbands. © Lea Seethaler

Es habe Zeiten gegeben, während Corona, „da haben wir gemerkt, Person soundso war lange nicht mehr da. Das ist irgendwie sonderbar. Und dann haben wir jemanden hingeschickt, der nachguckt. Wir haben viele alleinstehende Menschen hier.“ Man habe sich gedacht: „Nicht, dass es wieder so ist, dass jemand Corona hat und in Quarantäne ist und nichts mehr zu Essen hat.“ Man kenne ja „seine Leute, die jahrelang da sind, und die jahrelang bleiben werden“.

Plötzlich viele Helfer

Nicht nur bei den Kunden gibt es Kontinuität. „Es gibt neben Einzelspenden viele Partner, die regelmäßig an uns spenden“, sagt Springer. An diesem Tag ist Antonello Rofrano von der BW-Bank ins DRK-Quartier gekommen, um eine 4000-Euro- Spende zu übergeben. „Wir verzichten in diesem Jahr auf die Kundengeschenke und spenden stattdessen“, sagt er. Springer ist dankbar. Sie freue sie jedes Mal aufs Neue. Die Spenden seien vielseitig: „Und letztens ist mir wirklich die Luft weggeblieben, da hat eine Schule aus der Region, die Dietrich-Bonhoeffer-Schule Weinheim, bei einem Sonderlauf 30 000 Euro für uns erlaufen.“

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Das Ehrenamt bei der Tafel boomt indes. Aber im Hauptamt herrscht Fachkräftemangel. „Aktuell kriegen wir sieben offene Stellen nicht besetzt“, sagt Springer. Aber es gibt eine Erfolgsstory im eigenen Haus: „Ein junger Mann, der über den Bezirksverein für Soziale Rechtspflege zu uns kam, um Sozialstunden abzuleisten, ist neuerdings ein unbefristeter Vollzeitbeschäftigter“, berichtet Wawszczak. Er „machte sich schnell super im Team, hatte tolle Kompetenzen“. „Ich will hier nur noch einmal an alle appellieren, dass man allen Menschen eine Chance geben sollte. Egal, wie bunt ihr Lebenslauf ist.“ Gerade bei Menschen, die lange arbeitssuchend seien. „Wir wissen doch alle, das keiner ein Leben lang gleich bleibt.“

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