Mannheim. „Die Männer sind dann so am Stammtisch ,Prost-Tata!, haha lustig’, aber sie sind brutale Feiglinge, was es ums Thema Prostatakrebs und -vorsorge geht“, sagt SG-Leutershausen-Urgestein und Handballlegende Michael Roth. „Gehen Sie mal auf die Planken und fragen sie zehn Männer nach der Funktion der Prostata, neun werden es nicht wissen.“
Männer täten einfach oft auf "starker Gorilla". Klar sei Vorsorge „,Finger im Po, Mexiko’, aber wegen des Tabus haben wir in Selbsthilfegruppen Männer, die kommen von der OP und erzählen zuhause, sie hätten Bandscheibe. Und wir haben da zu viele Männer, bei denen es zu spät ist, und das ist einfach unnötig!“
"Lassen Sie sich einfach jetzt checken. Nicht nächstes Jahr"
Es ist ein Event in der Abendakademie (hier geht es zur Aufzeichnung), bei dem zwei Sportler und zwei Mediziner Einblicke geben in das Leben vor, nach, während der Schockdiagnose Krebs - und sich so ein Tabuthema vorknöpfen. Immer verbunden mit der dringlichen Bitte, nicht die Vorsorge aus „Angst vor einer Diagnose“ zu meiden. „Machen Sie einfach die Vorsorge jetzt und sagen sie nicht: ,Jaaa nächstes Jahr’“.
Zweiter Zwilling erkrankt drei Monate später
Klar ist: Krebs kann jeden treffen. Immer. Ob gesund, vorsorgend, jung oder alt. Die eineiigen Zwillinge Michael und Uli Roth, ebenfalls Handballstar, erhielten ihre Diagnose mit drei Monaten Abstand. Mittlerweile gelten sie als geheilt.
„Ihr habt Leben gerettet“
Auch die Viernheimer Hausärztin Katja Linke sitzt auf dem Podium. Sie selbst erkrankte an Brustkrebs, nachdem sie trotz vieler Fälle in der Familie dachte, dass es sie doch nicht vor den Wechseljahren treffen würde. Auch sie konnte die Krankheit überwinden. Sie sagt, dass Gottseidank viele Frauen die Brustkrebs-Vorsorge wahrnehmen. Und sie erzählt von ihrer Diagnose, wie sie zusammenbrach, nicht mehr verstand: „Ich bin doch Ärztin, was ist das hier? Ich habe doch die Diagnose zu überbringen, nicht zu bekommen“.
"Ein Satz, der mich trug"
Was sie getragen habe, war der Satz ihres Arztes: „Sie haben alles richtig gemacht, waren immer regelmäßig beim Check. Daher konnten wir den Krebs früh erkennen, und er wird daher nur eine Episode in ihrem Leben sein.“ Wenn sie nun selber die Diagnose Krebs überbringe, leite sie oft dieser Satz an, sagt sie.
Zu Gast bei Markus Lanz
Als sich die Roth-Zwillinge vor Jahren entscheiden, mit ihrer Erkrankung bei Markus Lanz aufzutreten, sagte ihr behandelnder Arzt, der mit im TV war: „Ihr habt vielen Männern mit unserer Aktion das Leben gerettet“. Eine Wortmeldung im Publikum in Mannheim: „Ihr Erfolg hat mich beflügelt, optimistisch zu sein, dass es gut ausgeht, ich habe ihre Bücher“, richtet sich ein Gast an die Brüder.
Uli Roth sagt: "Es gibt so viele Bücher von betroffenen Frauen über Brustkrebs, aber als wir unsere Bücher publiziert haben, gab es keine über Prostatakrebs. Wir verkauften bisher rund 20 000 Bücher." Und weiter: "Davon wurden, das haben wir auf Nachfrage beim Verlag erfahren, rund 10 000 von Frauen gekauft." Er resümiert: "Es ist egal, ob Sie zur Vorsorge geschickt werden oder selbst gehen: Hauptsache Sie gehen."
Der Gast, der in den Büchern Kraft fand, sagt: „Bei mir war soweit alles gut, aber seit 2020 habe ich wegen Lungenmetastasen Hormontherapie, und diese Schweißausbrüche machen mir, wie Sie vielleicht sehen, zu schaffen“, beschreibt er. Der Arzt Markus Maier vom Urologiezentrum Bergstraße in Dossenheim sitzt ebenso auf der Bühne und nickt aufmerksam. Ein paar kurze Rückfragen von ihm.
Ratschlag von der Bühne
Der Mann will wissen: „Ist es möglich, die Wallungen zu lindern?“ Maier empfiehlt sofort eine Therapiestrategie. „Weniger Wallungen sind so möglich, aber man kann es nicht garantieren“, so der Urologe. Maier und Linke erklären an diesem Abend auch ehrlich, sachlich, detailliert das Prozedere rund Diagnose, Therapie, Zweitmeinung und Co.
In den Himalaya gestiegen
Linke beschreibt, wie sie nach der Krankheit merkte, ihre Bedürfnisse ernster zu nehmen. Wie sie ein „Ich muss raus“-Gefühl bekam. Das im wahrsten Sinne des Wortes darin gipfelte, dass sie mit ihrer Tochter im Himalaya aufstieg, dort ihr Shangri-La, ihren eigenen Glücksort, suchte und fand. Es war ihre Bewältigung der Zeit danach.
Doch bei manchen bleibt die potenziell tödliche Krankheit Krebs keine kleine Episode. Ein junger Mann meldet sich, nachdem Moderatorin Frauke Kühnl Raum für Fragen lässt: „Ich bin Angehöriger, meine Schwester hat seit einem halben Jahr eine Krebsdiagnose und der Ausgang ist ungewiss“, sagt er. „Welches Verhalten von Angehörigen hat Ihnen geholfen, welches Sie genervt?“, fragt er. „Mitleid braucht keiner, aber Zuspruch und Mitgefühl“, so Uli Roth.
"Habe es gehasst, wenn ich totgeguckt wurde"
Linke sagt: „Was mich massiv gestört hat, war, wenn jemand versucht hat, mich ,tot zu gucken’. Sie stellt ihre Stimme tief und beugt sich nach vorne: ,Unnd, wiieeee geht es diiir’, so bedeutungsschwer. Da fühlt man sich gleich drei Stufen kränker.“ Sie wollte „dass man ganz normal mit mir umgeht. Was mich geärgert hat, war, wenn jemand gesagt hat: ,Duu, das ist doch gar nicht so schlimm, du hast doch 'ne gute Prognose, sei doch mal optimistisch.“ Sie macht deutlich: „Man braucht jemanden, der einfach sagt: Ja, das ist einfach scheiße jetzt. Ich halte das mit dir aus.“
Sich trotz Krebs verlieben
Eine Frau von der Kinderkrebshilfe meldet sich: „Die krebskranken Kinder haben wir im Kinderklinikradio Rumms der UMM genau das gefragt: Was wollt ihr? “, sagt sie.
„Erstens: Aushalten. Meine Mama und Papa nerven mich, sagte etwa ein Kind. Meine Oma soll kommen. Sie hält es einfach aus. Ich sage: ,Ich habe heute gekotzt.‘ Sie sagt einfach: ,Schöne Scheiße.‘ Zweitens: Bringe mich zum Lachen, behandle mich normal, trotz Krebs.
Drittens: Lenk mich ab. Die anderen denken, du hast 24/7 Krebs, du willst das aber nicht. Du willst auch tolle Sachen machen, dich verlieben, Bowling spielen, was auch immer!“
Komplette Aufzeichung des Mutmacher-Talks unter https://www.youtube.com/watch?v=9wofRseuESU
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