Mannheim. Etwas mehr als drei Wochen ist das Gesetz zur Teil-Legalisierung von Cannabis nun alt - und der Rauch hat sich noch nicht verzogen. Der Ärger bei denen, die es umsetzen müssen, ist noch immer groß. Die Cannabis-Legalisierung durch die Bundesregierung „ist von Anfang bis Ende handwerklich verkorkst“ , bekräftigt der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) seine Meinung auf Anfrage dieser Redaktion. „Länder, Kommunen, Polizei, Justiz und die Ordnungsbehörden müssen den Schlamassel dieses Bürokratiemonsters nun ausbaden.“ So ähnlich hatte er sich schon beim Inkrafttreten des Gesetzes geäußert.
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Doch noch immer stehen viele Fragezeichen im Raum, wie die zahlreichen Vorgaben sowie Regeln zu kontrollieren sind und was zu bestrafen ist. Wann genau befindet sich der Konsument in Anwesenheit von Minderjährigen? Wie werden die Sichtweite zu Schulen, Kitas, Sportanlagen und Spielplätzen, die Anzahl der selbstangebauten Pflanzen in der Wohnung oder die Anbauvereinigungen überprüft? Welche Delikte werden hart geahndet? Fragen, auf die es bisher - wenn überhaupt - nur wenige Antworten gibt.
Polizei Mannheim legt Augenmerk auf Jugendschutz und Verkehr
Leidtragende hierbei sind vor allem die Polizeibeamtinnen und -beamten, die nun ganz genau hinschauen müssen, wer wann und wo Cannabis konsumiert. Leichter machen die vielen Unklarheiten ihre Arbeit derzeit nicht. „Die Polizei wird durch das Cannabis-Gesetz nicht entlastet“, betont Samina Ashraf, Sprecherin des Polizeipräsidiums Mannheim. „Ganz im Gegenteil sind durch die Überwachung der Konsumverbotszonen, die feingliedrige Abgrenzung zwischen legalem und illegalem Umgang mit Cannabis und mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit deutliche Mehraufwände zu erwarten“, sagt Ashraf. Wie viele Verstöße es seit der Einführung des Gesetzes gab, kann sie nicht sagen. Wegen der Kürze der Zeit würden weder Zahlen noch Prognosen dazu vorliegen.
Wie genau die Polizei das Gesetz künftig kontrollieren und wie sie mit Verstößen umgehen soll, lassen Strobl und das Innenministerium weiter offen. Konkrete Vorschläge oder gar Lösungen - etwa die Einführung von Cannabisverbotszonen, die die Arbeit der Polizei wohl erleichtern würden - nennt der Minister nicht. „Wir wollen die Kommunen hier, wo es nur geht, stärken und unterstützen“, lautet seine Antwort. Wie er das machen will, bleibt unklar. Er wolle Möglichkeiten schaffen, um die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten. „Das prüfen wir jetzt ganz genau und schauen, was rechtlich möglich ist.“
Damit ist der Polizei derzeit vorerst nicht geholfen. „Grundsätzlich ist ein verhältnismäßiges Handeln eine der obersten Leitlinien polizeilicher Intervention und somit auch in Bezug auf die neue Gesetzeslage von Cannabis“, sagt Sprecherin Ashraf zum Vorgehen der Mannheimer Polizei. „Um den geplanten Neuerungen gerecht zu werden, werden wir insbesondere in den Bereichen Jugendschutz und Verkehrssicherheit verstärkt Aufklärungsarbeit leisten und mögliche Verstöße konsequent verfolgen.“ Auch der illegale Handel mit Cannabis bleibe verstärkt im Fokus der Polizei.
Neu sollte dieses Vorgehen allerdings nicht sein, sollte es doch schon vorher so von den Beamtinnen und Beamten gehandhabt worden sein. Wie die Polizei aber die eigentliche Herausforderung, den teilweise schmalen Grat zwischen legalem und illegalem Cannabis-Konsum, kontrollieren will, dazu gibt Ashraf keine Antwort.
„Maßgeblich für das polizeiliche Handeln ist die aktuell gültige Rechtslage“, erklärt eine Sprecherin des Innenministeriums. Dabei geht sie in Bezug auf die bestehenden Unklarheiten beim Cannabis-Gesetz ein wenig ins Detail: „Für Einzelfallfragen sind besonders in der ersten Zeit enge Abstimmungen zwischen den einschreitenden Polizeibeamtinnen und -beamten und der jeweils örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft beziehungsweise Ordnungsbehörde zu treffen.“
Doch auch die Justiz ist noch nicht vertraut mit dem jungen Gesetz. „Grundsätzlich gelten für die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis nunmehr die neu gestalteten gesetzlichen Regelungen. Darüber hinaus existieren bislang keine landesweiten Vorgaben“, sagt die Mannheimer Staatsanwältin Valerie Schweppe. Diesbezüglich sei im Mai ein Austausch der Generalstaatsanwaltschaften Karlsruhe und Stuttgart und der Staatsanwaltschaften des Landes geplant. Hierbei soll „die zukünftige Handhabung insbesondere problematischer Falllagen besprochen werden“, erklärt Schweppe.
Bußgeldkatalog für Cannabis-Gesetz noch in Abstimmung
Auch ein Bußgeldkatalog lässt weiter auf sich warten. Nach dem Gesetz können Strafen in Höhe von bis zu 30 000 Euro drohen. Wie das Modell in Baden-Württemberg aussehen könnte - ob es etwa harte Strafen wie in Bayern verhängen oder einen anderen Weg gehen will - oder wann mit einem Bußgeldkatalog zu rechnen ist, dazu macht das dafür zuständige Sozialministerium auf Anfrage keine Angaben. Die Umsetzung werde „gegenwärtig unter den beteiligten Ressorts abgestimmt und geklärt“, sagt ein Sprecher lediglich.
Es scheint beim schon lange vor dem 1. April in dieser Form angekündigten Gesetz also weiter der Durchblick bei den Verantwortlichen zu fehlen. Klare Antworten zu den vielen offenen Fragen bleiben immer noch aus. So wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen, bis sich der dichte Rauch verzieht.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Legalisierung von Cannabis - handwerklich eine Katastrophe