Lärmaktionsplan

Mannheimer Lärmaktionsplan: Deutsche Umwelthilfe klagt weiter gegen die Stadt

In Mannheim soll zukünftig an knapp 70 weiteren Stellen im Stadtgebiet Tempo 30 gelten. So sieht es der beschlossene Lärmaktionsplan vor. Der Deutschen Umwelthilfe geht das nicht weit genug.

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Kai Plösser
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So wie heute schon auf diesem Teilstück heißt es künftig auf dem kompletten Ring um die Quadrate: nachts nur Tempo 30. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Mannheim. Lärm macht erwiesenermaßen krank. Mit der kürzlich im Gemeinderat beschlossenen vierten Stufe des Lärmaktionsplans für den Straßenverkehr will die Stadt Mannheim dagegen vorgehen. Der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gehen die vorgesehenen Maßnahmen aber nicht weit genug – die Organisation geht in einer seit Februar laufenden Klage weiter rechtlich gegen die Stadt vor. „Unsere Klage hat sich nicht erledigt und ist nach wie vor aktuell“, sagt Robin Kulpa, stellvertretender Bereichsleiter Verkehr & Luftreinhaltung bei der DUH, nun auf Anfrage dieser Redaktion.

Im Februar wollte die Organisation mit der Klage erreichen, dass die Stadt die dritte Stufe des Lärmaktionsplans, wie von der EU vorgeschrieben, überprüft und bei Bedarf fortschreibt, was bereits im Juli 2024 hätte der Fall sein sollen. Das hat die Verwaltung zwar jetzt mit einiger Verspätung getan. Doch „bedauerlicherweise“, sagt Kulpa, erfülle der Plan „die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht“. Die DUH hat das der Stadt bereits im April in einer an Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) adressierten sechsseitigen Stellungnahme auch so mitgeteilt. Kritisiert wird darin, dass der Lärmaktionsplan „weit hinter seinen Möglichkeiten zur Entlastung Betroffener zurückbleibt“.

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Die Verwaltung scheint sich deswegen nicht allzu große Sorgen zu machen. „Die Stadt Mannheim ist der Klage entgegengetreten und hat umfassend dazu ausgeführt, dass die Klage der DUH mangels Klagebefugnis bereits als unzulässig abzuweisen ist“, äußert sich Adnan Werning, Büroleiter von Mannheims Verkehrsdezernent Ralf Eisenhauer (SPD), auf Anfrage. „Die Festlegung der Maßnahmen und des Verfahrens liegen unter Einhaltung der rechtlichen Vorgaben in dem Ermessen der Stadt Mannheim“, erklärt Werning die Vorgehensweise der Stadt. Dort, wo es möglich gewesen sei, habe die Verwaltung entsprechende Maßnahmen festgelegt, betont er.

Stadt Mannheim soll zu hohe Auslösewerten beim Lärmaktionsplan verwendet haben

Die DUH wirft der Stadt unter anderem vor, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, „die völlig überholt“ seien, gearbeitet zu haben. So habe die Stadt zu hohe Auslösewerte bei der Prüfung der Lärmschutzmaßnahmen verwendet. Tagsüber wurde dabei ein Wert von 65 dB(A) herangezogen, nachts von 55 dB(A). Nicht mehr zeitgemäß findet das die DUH und erklärt: „Unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der Lärmwirkungsforschung ist das Ausmaß der Lärmproblematik in Mannheim immens und deutlich schwerwiegender als im derzeitigen Planentwurf dargestellt.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehle mittlerweile einen durchschnittlichen Lärmpegel, der tagsüber 53 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten sollte, um gesundheitliche Risiken zu minimieren, erläutert die DUH. Die Organisation zieht zugleich die aktuelle Lärmkartierung der Stadt heran, nach der rund 39 Prozent der Mannheimerinnen und Mannheimer einem Straßenverkehrslärm mit einem Dauerlärmpegel von mehr als 55 dB(A) ausgesetzt seien. Die DUH kommt deswegen zu dem Schluss, dass „für Zehntausende Menschen, die gesundheitsschädlichem Verkehrslärm ausgesetzt sind, Maßnahmen nicht mal geprüft werden“.

Die Verwaltung hat die Verantwortung, rechtssicher zu handeln.
Adnan Werning Büroleiter des Verkehrsdezernats

„Die zitierten Werte der WHO haben Empfehlungscharakter und natürlich ihre Berechtigung. Jedoch hat die Verwaltung die Verantwortung, rechtssicher zu handeln“, erklärt Werning. Der sogenannte Kooperationserlass Lärmaktionsplanung des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg habe die Werte festgelegt, an die sich die Stadtverwaltung gehalten habe. „Lärmbelastungen ab 65 dB(A) am Tag und 55 dB(A) in der Nacht liegen in einem gesundheitskritischen Bereich“, heißt es im Kooperationserlass. Begründet werden diese Werte aber mit einem mittlerweile sieben Jahre alten Gerichtsurteil, bemängelt die DUH.

Umwelthilfe kritisiert Stadt Mannheim für unzureichende Maßnahmenplanung

Die DUH kritisiert zudem eine unzureichende Maßnahmenplanung. Die Stadt setzt vor allem auf eine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern. Künftig soll das an 69 weiteren Stellen in Mannheim gelten, so Werning. 118 Gebiete seien untersucht worden, „wobei bei allein 35 Untersuchungsgebieten bereits Tempo 30 ganztägig angeordnet ist“, betont der Büroleiter des Verkehrsdezernenten. Doch genau dieser Umstand stört die DUH. „Prinzipiell begrüßt“ die Umweltorganisation zwar die Einführungen der Tempolimits. Es könne „jedoch nicht sein, dass gesundheitsschädliche Lärmbelastungen hingenommen werden, wenn bereits Tempo 30 angeordnet ist“.

Es gebe zahlreiche Maßnahmen, die die Lärmbelastung weiter mindern könnten, argumentiert die DUH: die Verkehrsmenge insgesamt zu reduzieren, den Personennah- sowie Rad- und Fußverkehr zu fördern oder Lkw-Leitkonzepte zu erstellen, lauten einige Beispiele. Oftmals seien andere Maßnahmen als Tempo 30 seitens der Stadt jedoch nicht einmal geprüft worden, so die DUH. In diesen Bereichen „bestehen nur eingeschränkte Möglichkeiten, Maßnahmen zu ergreifen“, entgegnet Adnan Werning. Weitere Maßnahmen, wie etwa eine neue Asphaltdecke oder Lärmschutzwände, seien entweder „sehr kostenintensiv“ oder „im städtischen Kontext nur bedingt realisierbar“.

Verkehrslärm beeinträchtigt die Gesundheit und kann etwa zu Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und höherem Stress führen. © Christoph Bluethner

Zudem kritisiert die DUH, dass die Stadt in 37 Fällen die Umsetzung der Maßnahmen auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Die Stadt begründet das mit der Anpassung der Ampelschaltung an Tempo 30 und dem damit zusammenhängenden Austausch von alten Ampelanlagen. Bevor das nicht geschehen ist, ist an diesen Stellen kein Tempolimit möglich, erklärt die Verwaltung in der Beschlussvorlage zum Lärmaktionsplan. Auf rund neun Millionen Euro schätzt die Stadt die Kosten für die Arbeiten an den Ampeln. Viel Geld bei der derzeitigen finanziellen Lage. Zudem seien die personellen Ressourcen begrenzt. „Die Maßnahmen können selbst unter der Voraussetzung, dass die Finanzierung gesichert ist, nur schrittweise umgesetzt werden“, heißt es in der Vorlage weiter.

Was die DUH sonst noch am Mannheimer Lärmaktionsplan auszusetzen hat

Neben den genannten Punkten kritisiert die DUH auch, dass die Stadtbahnen bei dem Lärmaktionsplan mit keinerlei Maßnahmen berücksichtigt worden seien. „Bezogen auf den Straßenbahnlärm wurden 14 Untersuchungsgebiete ermittelt und überprüft. Hier wurde aber aufgrund der negativen Auswirkungen auf die Fahrzeiten der Straßenbahnen auf die Festlegung von Maßnahmen verzichtet“, heißt es hierzu in der Beschlussvorlage. Zudem bemängelt die DUH, dass im Lärmaktionsplan eine langfristige Strategie sowie Maßnahmen zum Schutz von ruhigen Gebieten fehlten.

Das Ambitionsniveau ist nicht ansatzweise ausreichend.
Deutsche Umwelthilfe Aus der Stellungnahme an Oberbürgermeister Specht

„Leider wurden unsere Argumente aus der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht gehört und man hat keine substantiellen Nachbesserungen am Planentwurf vorgenommen“, sagt Robin Kulpa und betont, dass die Stellungnahme daher nach wie vor aktuell sei. „Angesichts dessen, dass weit über ein Drittel aller Menschen in Mannheim von nachweislich gesundheitsschädlichen Lärmpegeln belastet ist, ist das Ambitionsniveau nicht ansatzweise ausreichend“, heißt es im Fazit des Schreibens der DUH an Oberbürgermeister Specht.

Redaktion

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