Die MWSP erhält Verständnis dafür, wegen „Leistungsstörungen“ von allen Verträgen mit dem Investor Tom Bock Group (TBG) zurückzutreten. Gleichzeitig äußern Stadträte aber auch Kritik. So fragen Mannheimer Liste (ML) und FDP, warum der Aufsichtsrat der städtischen Gesellschaft nicht in die Entscheidung einbezogen worden sei. Die Verträge betreffen die Konversionsflächen Turley und Sullivan. Das Vorgehen teilte die MWSP am Donnerstag in einer Sondersitzung dem Aufsichtsrat mit. Am Freitag wurden nach Angaben eines MWSP-Sprechers alle Stadträte informiert.
Entwicklung auf früheren Militärflächen
- 2012 war Investor Tom Bock Group (TBG) auf Turley eingestiegen. Er übernahm elf von 14 historischen Gebäuden. Sie sind weitestgehend saniert, verkauft und vermietet. Bock hat nach eigenen Angaben bisher 130 Millionen Euro investiert.
- In den Jahren 2012 und 2015 zahlte die Tom Bock Gruppe insgesamt sechs Millionen Euro für die noch leeren Baufelder 4 und 5 auf dem Gelände der früheren Turley-Kaserne.
- Im September 2018 wechselte das Gelände den Eigentümer für den sechsfachen Preis – also für 36 Millionen Euro. Die Baufelder sind 22 000 Quadratmetern groß.
- Als neue Investoren stiegen mehrheitlich die vier Gründer des Sportwettenanbieter Tipico ein. Die Öffentlichkeit wurde erst durch Berichte des "MM" über den Wechsel informiert.
- Auch auf Sullivan (auf dem Gelände des Franklin-Areals) wollte die TBG Flächen entwickeln.
Scharfe Kritik kommt von der FDP. „Zufall oder Methode?“, fragt Birgit Reinemund und nennt es „recht seltsam, dass ausgerechnet freitagmittags vor Pfingsten erst die Presse, dann der Gemeinderat mit einem Paukenschlag informiert wird“. Rückfragen seien aufgrund der Feiertage nicht möglich. So bleibe offen, warum der Aufsichtsrat der MWSP wohl informiert, aber nicht in die Entscheidung einbezogen wurde. Ebenso sei auch der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft GBG noch nicht einmal informiert worden – „obwohl ein Streitvolumen von mindestens 150 Millionen Euro ein enormes Risiko auch für die GBG darstellen kann“, so die Stadträtin. Die MWSP erklärt über ihren Sprecher Christian Franke, sie habe sich bei der Frage der Einbindung des Aufsichtsrates entsprechend der Regelungen des Gesellschaftsvertrags und der Geschäftsordnung verhalten. Die Frage, ob der Aufsichtsrat zustimmen muss, sei wie bei den meisten privatrechtlichen GmbH in Gesellschaftsvertrag und Geschäftsordnungen geregelt.
„Erhebliches Risiko“
Zu dem von Birgit Reinemund genannten Streitvolumen sagt Franke: „Da der Vorgang nicht gerichtsanhängig ist, ist von einem Streitwert nicht zu sprechen. Daher verstehen wir auch nicht, wie und auf welcher Grundlage ein Streitwert beziffert werden kann.“ Reinemunds Parteikollege Volker Beisel kann nicht nachvollziehen, warum alle Verträge gekündigt wurden, auch die Verträge für die historischen Gebäude, die bereits umgebaut sind. Auch Beisel warnt vor einem langen Rechtsstreit mit erheblichem Risiko für die Stadt und deren Tochtergesellschaften.
Roland Weiß hält das Vorgehen der MWSP für richtig. Er habe sich nur gewundert, warum es so lange gedauert habe. Der ML-Stadtrat sitzt im MWSP-Aufsichtsrat. Auch er beschwert sich, dass der Aufsichtsrat über die Kündigung, die vom 15. Mai datiere, nur informiert worden sei. „Werden Verträge dieser Größenordnung gekündigt, müsste das der Aufsichtsrat mitbeschließen“, sagt er. Die Trennung von der Tom Bock Gruppe werde einen Rattenschwanz nach sich ziehen – „damit kann sich der Aufsichtsrat dann wieder beschäftigen“. Weiß bringt für den ausstehenden Bau der Tiefgarage auf Turley die Mannheimer Parkhausbetriebe ins Spiel: „Ich hätte kein Problem, dem zuzustimmen.“
Dirk Grunert nennt das Vorgehen der MWSP konsequent, ein „richtiges und gutes Signal“. „Ich weiß aber nicht, wie hoch die Chance ist, damit durchzukommen“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Thomas Trüper (Die Linke) bezeichnet das Kündigen der Verträge als „sehr sinnvolle Maßnahme“. Auch er sieht die Gefahr, dass die Tom Bock Gruppe dem juristisch entgegentreten werde. Den Stillstand auf Turley findet Trüper untragbar für die Quartiersentwicklung. Die Tom Bock Group war auch gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
„Der Rücktritt von allen Verträgen hat meine volle Zustimmung“, sagt SPD-Stadträtin Heidrun Kämper. „Wir gewinnen dadurch Handlungsfreiheit vor allem bezüglich der Tiefgarage.“ Als Aufsichtsratsmitglied sei sie „sehr umfassend informiert“ worden.
Erste Besprechung im März
Im März sei im MWSP-Aufsichtsrat erstmals besprochen worden, dass rechtliche Schritte gegen TBG geprüft würden, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Claudius Kranz, ebenfalls Mitglied des MWSP-Aufsichtsrats. Bei dem Gespräch damals sei die beauftragte Anwaltskanzlei dabei gewesen. Bei der Sondersitzung am Donnerstag habe der Aufsichtsrat die Entscheidung der MWSP wohlwollend zur Kenntnis genommen.