Wer in diesen Monaten mit dem Auto durch die Quadrate muss, der dürfte nicht beneidet werden: Hier eine abgesperrte Straße, dort die Querstraße, durch die man noch vor Monaten hat fahren können, die man nun aber nur noch auf dem Fahrrad passieren darf, und dort, wo einst Parkplätze zu finden waren, dürfen nun Gastronomie-Betriebe Stühle und Tische stellen. Andererseits: Das Fahrradfahren oder das Zufußgehen ist in einigen Bereichen der Innenstadt wesentlich stressfreier als vor Monaten. Viele Händler beklagen wiederum, die Quadrate seien (mit dem Auto) schwerer zu erreichen, was sich auf den Umsatz auswirke. Ist der Verkehrsversuch nun ein Erfolg oder ein Misserfolg?
Darüber haben am Dienstagabend beim „MM“-Stadtgespräch Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft im gut besetzten Anna-Reiß-Saal der Reiss-Engelhorn-Museen mit Florian Karlein, Leiter des „MM“-Lokalteams, und Timo Schmidhuber, seinem Stellvertreter, diskutiert: Verkehrsbürgermeister Ralf Eisenhauer (SPD), der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Gemeinderat, Gerhard Fontagnier, der Geschäftsführer des Handelsverbandes Nordbaden, Swen Rubel, sowie Martina Herrdegen, CDU-Stadträtin und Inhaberin einer Konditorei im vom Verkehrsversuch betroffenen Bereich, Christina von Alt-Stutterheim, geschäftsführende Gesellschafterin eines Optikhauses in der Kunststraße, und Daniel Barchet, stellvertretender Vorsitzender des Bürger- und Gewerbevereins Östliche Innenstadt.
Der Gemeinderat wird nicht vor Mai 2023 über eine mögliche Fortsetzung des Versuchs entscheiden - unter anderem wegen den Bauarbeiten auf der Kurpfalzbrücke und den daraus entstehenden Behinderungen brauche die Verwaltung für die noch ausstehenden Erhebungen drei Monate länger als erwartet. Eisenhauer ist dennoch überzeugt, dass der Verkehrsversuch der richtige Schritt gewesen ist. „Wir müssen unser Mobilitätsverhalten verändern“, erklärt der passionierte Fahrradfahrer. Der Versuch erhöhe die Aufenthaltsqualität in den Quadraten und mache den Bereich lebenswerter.
Unterstützung erhält er von Fontagnier, der selbst in der Innenstadt wohnt. Bisher sei jahrelang und auch im Zusammenhang mit dem Verkehrsversuch viel über den Handel gesprochen worden, erklärte der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende. „Es wird höchste Zeit, dass wir auch über die zehn Prozent der Mannheimerinnen und Mannheimer reden, die im Zentrum wohnen.“ Außerdem brauche man die Mobilitätswende, um die Klimakrise in den Griff zu bekommen.
Kritik an Vorbereitung
Barchet betonte, dass der Bürger- und Gewerbeverein Östliche Innenstadt die Idee einer autoärmeren Innenstadt mit einer höheren Lebensqualität „gut“ finde. Allerdings: „Das Wie ist der große Knackpunkt.“ Barchet kritisiert, der Verkehrsversuch sei wenig durchdacht. Ein Parkleitsystem, eine vernünftige Beschilderung oder ein Überblick über geplante Baustellen seien Punkte gewesen, die kaum vorbereitet worden seien. „Man hätte sich den Zeitraum richtig überlegen müssen.“
Von Alt-Stutterheim und Herrdegen positionieren sich klar gegen den Verkehrsversuch. Ihre Konditorei befinde sich direkt in einer Fahrradstraße, erklärt Herrdegen. „Wir sind von der Innenstadt abgeschnitten.“ Rückläufige Auftragszahlen und das Feedback von Kundinnen und Kunden zeigten, dass die Innenstadt „sehr, sehr schwer erreichbar ist“. Alt-Stutterheim stimmt zu. Auch wegen der durch Parklets weggefallenen Kurzzeit-Parkplätze erreichten weniger Kunden ihr Geschäft, erklärt sie.
Als die Verwaltung Ende September erstmals Zahlen zum Verkehrsversuch von Messungen aus dem Juli präsentierte, kritisierte der Handelsverband Nordbaden die Daten. Die Zahlen unterschieden nicht zwischen Durchgangs- und Zielverkehr. Am Dienstag erklärte Rubel, dass dem Handel etwas an einer attraktiveren und lebenswerteren Innenstadt gelegen sei. „Wir müssen aber gewährleisten, dass wir unserem Versorgungsauftrag nachkommen können.“ Nach Corona sei der Handel angeschlagen - und die nächste Krise stehe bereits bevor. „Wenn man drei Mal im Stau steht, kommt man nicht mehr nach Mannheim“, fürchtet Rubel. „Die Parkhäuser sind zwar per se erreichbar, der Weg dorthin ist aber kompliziert.“
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