Mannheim. „Dass man nicht mehr angespuckt wird, wäre schon mal ein Anfang“, findet Jenny Laurent, Stabsunteroffizier der Reserve. „Klingt blöd, aber passiert“, schiebt sie nach. „Mal ,Danke‘ gesagt bekommen für den Einsatz, den man leistet“, wünscht sich Stabsunteroffizier Simon Kemski. Aber genau dafür sitzt er am Sonntagvormittag im Florian-Waldeck-Saal der Reiss-Engelhorn-Museen. Dorthin hat die Stadt eingeladen, als einzige Stadt in Baden-Württemberg, um einen eigenen Beitrag zum erstmals bundesweit begangenen Nationalen Veteranentag zu leisten.
Während es auf dem Toulonplatz Erbsensuppe gibt und für Kinder der geladenen Gäste Rundfahrten in einem Bundeswehr-MAN Baujahr 1965 der Reservistenkameradschaft Angelbachtal, wenden sich auf der anderen Straßenseite etwa drei Dutzend Demonstranten gegen die „Glorifizierung des Militärs“. Doch von Glorifizierung ist im Saal keine Rede. Vielmehr gehe es um „Respekt, Anerkennung und Wertschätzung“ für jene Menschen, die Dienst an der Waffe leisten, wie Oberbürgermeister Christian Specht aus dem Beschluss des Bundestages zitiert, den 15. Juni zum Nationalen Veteranentag zu erklären.
„Ein Novum für unsere Stadt“, sagt Specht. Aber er habe durch eine enge Mitarbeiterin „einen ganz neuen Zugang zum Thema“ gefunden: Catherine Lisa Schleicher, Fachbereichsleiterin Internationales, Europa und Protokoll im Rathaus, selbst Oberstleutnant der Reserve mit Einsatzerfahrung im Ausland, die den Veteranentag in Mannheim initiiert und organisiert hat.
Specht erinnert an die Rolle Mannheims als Bundeswehrstandort bis 1994 und verweist auf die bis heute bestehenden Bildungsinstitutionen der zivilen Wehrverwaltung in Neuostheim. Die dort geplanten Investitionen „zeigen, wie wichtig der Standort für das Verteidigungsministerium ist“. Die Amerikaner, zeitweise mit bis zu 20.000 Soldaten in Mannheim, seien weiter in Coleman präsent „und werden dies auch bleiben“, so Specht. Schließlich müsse man aufgrund der veränderten sicherheitspolitischen Situation „alles vergessen, an was wir mal geglaubt haben“.
Doch die Stadt wolle „auch fragen, wie es um diejenigen bestellt ist, die für diese Sicherheit sorgen“. Daher richte die Stadt die Veranstaltung aus, „als Anerkennung und Dank für die, die unter Entbehrungen und Opfern“ ihren Dienst verrichteten. Es gehe darum, den Dienst der Soldaten „wieder mehr in die Mitte von uns allen“ zu rücken, ihnen Respekt und Wertschätzung auszudrücken. Dabei wolle Mannheim „gerne mit gutem Beispiel vorangehen“, verweist Specht darauf, dass von den zehn Veranstaltungen zum Veteranentag in Baden-Württemberg nur eine von einer Kommune ausgerichtet wird.
Der Truppe fehlt die „gesellschaftliche Rückkopplung“
„Danke, dass Sie sich so zu uns, zur Bundeswehr bekennen“, so Vizepräsidentin Claudia Paul vom Bildungszentrum der Bundeswehr in Neuostheim. Ihre Einrichtung setze die lange militärische Tradition Mannheims fort. „Nahezu alle lernen irgendwann Mannheim kennen und schätzen“, verweist sie auf die jährlich 6.000 Lehrgangsteilnehmer in Neuostheim, Zivilbeschäftigte wie Soldaten. Ihre Aufgabe sei, die Werte des Grundgesetzes zu verteidigen, notfalls unter Einsatz ihres Lebens. „Das verdient unser aller Unterstützung“, so die Vizepräsidentin. Im Gegensatz etwa zu den USA und Großbritannien gebe es aber noch keine ausgeprägte Veteranenkultur in Deutschland. „Die Gesellschaft nimmt nicht so Anteil an dem Dienst, wie sie es verdient hätten“, so Paul. Daher gelte es, „das Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft zu stärken“.
Das erhofft sich auch Klaus-Michael Spieß, Fachbereichsleiter der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundeswehrverwaltung. Auch er dankt der Stadt für die Ausrichtung des Veteranentages und bedauert, dass das „Bewusstsein für die Bundeswehr spürbar abgenommen“ habe, seit es die Wehrpflicht nicht mehr gebe. Dadurch habe die Truppe noch eine „gesellschaftliche Rückkopplung“ gehabt, erinnert er sich an seinen Wehrdienst. Die sei „leider kaum mehr gegeben“, aber „ungemein wichtig“ für eine Parlamentsarmee wie die Bundeswehr, so Spieß.
Drei Veteranen machen dann im Gespräch mit Schleicher deutlich, wie wichtig ihnen diese Rückkopplung, manchmal auch einfach nur mehr Anerkennung ist. Simon Kemski etwa war im Kosovo und in Afghanistan im Einsatz, ist dort unter Beschuss geraten, davon traumatisiert zurückgekehrt und studiert jetzt in Mannheim an der Hochschule des Bundes. In seinem Fall hätten Therapie und Fürsorge gut funktioniert, aber er wisse auch von Kameraden, bei denen das nicht der Fall sei, bedauert er. Aber was ihm fehle, sei die Anerkennung in der Bevölkerung für die Truppe, „dass die Leute verstehen, was wir leisten, dass wir gekämpft haben für die Demokratie“, so der Stabsunteroffizier. Das bekräftigt Jenny Laurent, Stabsunteroffizier d. R.: Der Veteranentag sei eine schöne Wertschätzung, „man kann darauf aufbauen“, denn sie wünsche sich, „dass es mehr wird, dass es größer wird“. „Schwer beeindruckt“ von der Veranstaltung äußert sich Kapitänleutnant d. R. Andreas Gabriel. Der Begriff des Veteranen, in anderen Ländern positiv besetzt, müsse sich in Deutschland „gesellschaftlich erst entwickeln“. Aber er habe bereits nach dem Ukraine-Krieg plötzlich gemerkt, dass Kollegen ihn gefragt hätten, was er als ehemaliger Soldat dazu sage, und gemerkt hätten: „Wir brauchen sie ja doch!“
Doch beim Bewusstseinswandel müsse der Bildungssektor anfangen, wendet ein ehemaliger Schulleiter und Oberstleutnant d. R. ein. Er berichtet, wie er als wehrübender Reservist mal in Uniform in die Schule gekommen sei, das Oberschulamt dies aber kritisiert habe. Stadtrat Jürgen Dörr, selbst als Polizeibeamter zwei Jahre im Kosovo im Auslandseinsatz, lobt die Veranstaltung als „ganz tolle Idee“, denn er wisse, was die Soldaten geleistet hätten. Aber die Stadt müsse weitergehen und, wie in den USA, Veteranen etwa vergünstigten oder kostenlosen Eintritt in städtische Einrichtungen bieten, fordert Dörr.
Großes Lob für die Veranstaltung kommt auch von Rudi Joha vom Bund Deutscher Einsatzveteranen. Er zeichnet außer Natascha Hübschmann, Georg Hellmuth, Nico Zaharanski und Gerd Josef Bopp auch Catherine Lisa Schleicher mit dem speziellen Coin aus, die Soldaten mit Einsatzerfahrung vorbehalten sind. Bopp nutzt die Gelegenheit, auch im Namen des Bundeswehrverbandes Specht und Schleicher zu danken. „Wenn ich in zehn Jahren in Uniform in den Edeka gehe und keine Witze gemacht werden, sondern mir gedankt wird – dann hat der Veteranentag sein Ziel erreicht“, meint er.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-so-feierte-mannheim-den-veteranentag-_arid,2310577.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html