Mannheim. Passend zum Slogan „Damit die Lichter immer leuchten“ wird die Anlage, die in einer äußerlich schmucklosen grauen Halle steht, von blauen und lilafarbenen Lichtstrahlern angeleuchtet. Das ist natürlich die Ausnahme, denn hier geht es um Technik, nicht um Kunst, auch wenn es an diesem Mittwochmittag den Anschein hat. Unter viel Beifall und mit einem symbolischen Umlegen eines riesigen Schalters wird die Anlage, die mehr oder weniger auf der grünen Wiese in Mannheim-Rheinau in unmittelbarer Nähe des Dossenwaldes entstanden ist, eingeweiht.
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) und Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) sind gekommen, ebenso der Chef der Amprion GmbH, die die Anlage betreibt, Christoph Müller, und Jochen Kossmann von Siemens Energy, das die Anlage gebaut hat. Sie alle sprechen von einem „besonderen Meilenstein“ und einem „wichtigen Schritt für die Energiewende“.
Großer Blackout in Deutschland eher unwahrscheinlich
Tatsächlich ist die Statcom, so der offizielle Name der Anlage, ein wesentlicher Baustein, ohne den die Transformation weg von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien nicht gelingen wird. Denn der „statisch synchrone Kompensator“ soll künftig dafür sorgen, dass die Spannung im Stromnetz stabil bleibt. Das klingt simpel, ist es aber nicht, wie Christoph Müller unterstrich: „Strom kommt aus der Steckdose – was so selbstverständlich scheint, war es nie und ist es heute noch viel weniger.“
Während bislang Generatoren in konventionellen Kraftwerken wie dem in Sichtweite befindlichen Großkraftwerk Mannheim dafür sorgen, dass Stromverbrauch und Stromerzeugung im Gleichgewicht sind, verändert sich durch die Energiewende die Art und Weise, wie Strom produziert wird. Wind- und Solaranlagen liefern Strom je nach Wetter – also unregelmäßig. Die Statcom sei so etwas wie ein Tempomat, erklärt Müller: „Die Anlage hält, unabhängig davon, was im Netz passiert, die Spannung technisch stabil.“ Dies sei die Basis für den reibungslosen Betrieb von Unternehmen, Maschinen und Rechenzentren.
Strom kommt aus der Steckdose – was so selbstverständlich scheint, war es nie und ist es heute noch viel weniger.
Was passiert, wenn das nicht der Fall ist? Da verweist die Umweltministerin auf den landesweiten Blackout in Spanien und Portugal vor wenigen Wochen. Der Vorfall habe auch die Menschen hierzulande aufgeschreckt: „Kann das in Deutschland passieren?“ Wohl eher nicht, meint Thekla Walker. „Wir haben eines der sichersten Stromnetze der Welt mit kaum registrierbaren Ausfällen im Jahr, darauf können wir stolz sein.“
Damit das auch mit der Energiewende so bleibe, seien der Bau und die Inbetriebnahme von Statcom-Anlagen wichtig. Zugleich forderte die Grünen-Politikerin von der neuen rot-schwarzen Bundesregierung Tempo: „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Walker pochte darauf, dass der Ausbau der grünen Energien vorangetrieben werde – auch und vor allem, um nicht länger erpressbar von Lieferanten fossiler Energien zu sein. „Da schauen wir nicht nur nach Russland, sondern leider auch nach Amerika.“
Die Anlage in Mannheim ist laut Amprion eine der leistungsstärksten Anlagen weltweit und die erste in Baden-Württemberg. Die Investition der Statcom liegt bei 58 Millionen Euro. Das Unternehmen ist einer von vier Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland, das überregionale Stromnetze betreibt und Strom über längere Distanzen transportiert. Das Höchstspannungsnetz von Amprion umfasst 11.000 Kilometer. An wichtigen Netzknotenpunkten – und dazu zählt die Umspannanlage Rheinau – sollen jetzt nach und nach Statcom-Anlagen errichtet werden.
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht fordert Solidarität in der Metropolregion
Sichtlich beeindruckt von der Hochtechnologieapparatur zeigte sich Mannheims Oberbürgermeister. „Energiewende geht nur, wenn wir auf deutsche Ingenieurskunst setzen“, erklärte der CDU-Politiker. Gleichwohl sei die Unsicherheit groß, so Specht weiter, Unternehmer fragten ihn in Gesprächen oft bang: „Sind Sie sicher, dass das der richtige Weg ist?“ Seine Antwort: Ja! Deutschland müsse seinen Innovationsvorsprung bei Nachhaltigkeit und der Energiewende weiter ausbauen. „Darum ist ein Event wie heute so wichtig, das schafft Zuversicht, das gibt Hoffnung.“ Eine gesicherte Stromversorgung zu haben, sei ein elementarer Standortvorteil. Es sei zudem eine Lebensversicherung für die Menschen, für die Stromausfälle zur Gefahr werden könnten.
Specht betonte, dass die Anlage, die hier auf Mannheimer Gebiet entstanden sei, für die Netzsicherheit der gesamten Rhein-Neckar-Region von Bedeutung sei. Mannheim zeige hier Solidarität. „Wir erwarten, wenn wir keine Umspannwerke mehr unterbringen, dass andere Gemeinden ihren solidarischen Beitrag leisten“, merkte der Oberbürgermeister mit einem Seitenhieb in Richtung Heddesheim an.
Dort gibt es eine große Front von Bürgern und Gemeinderat gegen den Bau eines Umspannwerkes, das, so Specht, nicht nur Mannheim, sondern der ganzen Region zugutekommen solle. Es könne nicht sein, dass die Lasten einseitig auf die Städte abgeladen würden, und „die Nachbargebiete halten sich schadlos und werden mit Strom versorgt“.
Aber jetzt wird erst einmal auf der Rheinau der Schalter umgelegt, und die Statcom kann ihre Arbeit aufnehmen.
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