Prävention

"Sixpack" und "slender": Mannheimer Schüler reden über ihre Schönheitsideale

Was gefällt jungen Menschen an sich - und was nicht? Wir waren bei einem Workshop der Caritas an der Bertha-Hirsch-Grundschule in Mannheim dabei - und haben mit Erstaunen festgestellt, über welche Dinge sich Kinder in der dritten Klasse schon Gedanken machen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Charlotte Zimmer (v.l.) und Ann-Kathrin Truber erklären beim Workshop der Caritas in der Bertha-Hirsch-Schule, Grundschule, mögliche Fallstricke. © Michael Ruffler

Mannheim. „Maskulin“, „starke Beine“ , „Sixpack“, „Brakka Jeans“ - notieren die Jungen-Gruppen. Hingegen nennen Mädchen „Frisur“, „Schminke“, „gerade Zähne“, „slender“ (schlank). Diese Begriffe tauchen bei einem Workshop in der Bertha-Hirsch-Grundschule auf, als Drittklässler aufschreiben sollen, was ihnen rund um Schönheitsideale einfällt. Während einer Doppelstunde leuchtet das Team des prämierten Caritas-Präventionsprojekts „Snow White - lass dich nicht verführen“ mit Kindern aus, was diesen an sich selbst und anderen gefällt oder auch nicht. Und welche Bilder sie dazu aus sozialen Medien kennen.

Viele in den Sozialen Medien unterwegs

Bei den vorwiegend Acht- und Neunjährigen erkundigen sich die Workshop-Leiterinnen Ann-Kathrin Truber und Charlotte Zimmer, wer am Tag zuvor „WhatApps“ verschickt, im Internet gesurft, gechattet oder sich mit einem Smartphone beschäftigt hat. Jedes Mal schnellen viele Finger in die Höhe. Im Gespräch zeigt sich: Fast alle schauen „Youtube“-Videos. Und die meisten sind in sozialen Medien unterwegs - auch wenn manche nicht so genau wissen, was damit gemeint ist. Ein Junge ruft „Amazon“, den Onlineversandhändler, in die Runde. Ein anderer nennt „Tinder“, das Datingportal. Einige der Drittklässler berichten, „Snapchat“ zu nutzen - jenen Instant-Messaging- Dienst, der ermöglicht, nur für gewisse Zeit sichtbare Fotos sowie Kurzvideos zu verändern.

Das Projekt im Überblick

  • Das Caritas-Präventionsprojekt „Snow White – lass dich nicht verführen“ will Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen vorbeugen, indem Medienkompetenzen gestärkt und propagierte Schönheitsideale kritisch hinterfragt werden.
  • Das Konzept ist mit dem Herzogin-Marie-Preis 2023 der Stiftung Präventive Jugendhilfe ausgezeichnet worden.
  • Ansprechpartnerinnen sind Ann-Kathrin Truber und Charlotte Zimmer vom Team der Caritas-Suchtberatung. Sie leiten Workshops in Schulen (ab der 3. Klasse) , Jugendhäusern und Freizeittreffs.
    Die psychosoziale Beratung sitzt in D 7,5. Mailadressen zur Kontaktaufnahme: ann-kathrin.truber@caritas-mannheim.de und charlotte.zimmer@caritas-mannheim.de

Pickel und Poren verschwinden lassen

Klar erkennen Kinder, wenn sich die Freundin plötzlich mit Elfenohren präsentiert oder Ufos über den heimischen Spielplatz schwirren. Aber nehmen Mädchen und Jungen ebenfalls wahr, wenn Gesicht und Körper bearbeitet werden? Was dafür nötig ist, wissen offenbar die meisten. Jedenfalls haben so ziemlich alle von „Fotoshop“ gehört. „Damit kann ich mich schöner machen“, sagt ein Mädchen.

Als freilich Ann-Kathrin Truber und Charlotte Zimmer Fotos in der Variante „original“ und „bearbeitet“ nebeneinander in Großformat zeigen, stechen die optischen Manipulationen keineswegs sofort ins Auge. „Ich sehe gar keinen Unterschied“, erklärt ein Junge. Die Workshop-Leiterinnen ermuntern dazu, genau hinzuschauen. Nach und nach fällt auf, dass Pickel und große Hautporen aus Gesichtern verschwinden, bei Mädchen Taille und Hüfte an Umfang verlieren, während bei Jungs „Muckis“ zunehmen.

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In einem Zeichentrickfilm verbindet die große und dünne Lissy, die etwas pummelige Raya und den dünn-armigen Ümit, dass sie lästernde Kommentare aushalten müssen - sowohl beim Posten von Selfies in sozialen Medien wie im realen Leben, beispielsweise im Sportunterricht. Mit dem Begriff „Bodyshaming“ können zwar die wenigsten Kinder etwas anfangen, aber sie wissen, dass dies eine Form von Mobbing ist. Ein Junge erzählt, dass er eine Delle im Brustkorb hat und in der Umkleide häufig zu hören bekommt, diese sei „eklig“ - „das macht mich traurig“.

Die Botschaft lautet: Jeder Körper ist gut

Die mit der Klasse diskutierte Botschaft der Workshop-Leiterinnen lautet: „Jeder Körper ist gut, so wie er ist.“ Ein Mädchen wirft ein: „Es wäre ja ziemlich langweilig, wenn alle gleich aussehen würden.“ Und ein Junge meint: „Vielleicht ist jemand hässlich, spielt aber toll Fußball.“ Die zwei Frauen nicken und ergänzen: „Stimmt - aber hässlich gibt es eigentlich gar nicht.“ Und dann machen sich die Mädchen und Jungen daran, ihre ganz persönlichen Stärken herauszufinden und auf einem Arbeitsblatt zu notieren. Dazu werden Übungen trainiert. Denn „Powerposen“ sind überall möglich. Zum Starksein, so betonen die Workshopleiterinnen, gehört, sich Hilfe zu holen - ob im Schulhof gemobbt oder bei Chats bedrängt wird.

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Diäten und Nahrungskontrolle bei Jugendlichen Thema

„Spieglein, Spieglein an der Wand - wer ist die Schönste im ganzen Land?“ Natürlich Schneewittchen! Um ihre märchenhafte Schönheit wird sie nicht nur von der Königin beneidet. Und deshalb hat sich das Präventionsprojekt des Mannheimer Caritasverbands den Namen „Snow White - lass dich nicht verführen“ gegeben. Ann-Kathrin Truber und Charlotte Zimmer vom Team der Suchtberatung richten ihre Schulbesuche je nach Klasse und damit Alter aus.

Bei Jugendlichen, so die Erfahrung, spielen Diäten, kombiniert mit kontrollierter Nahrungsauswahl, eine weit größere Rolle als bei Grundschülern. So erzählte ein heranwachsender Junge, dass er eine Woche lang kaum etwas gegessen und trotzdem nicht abgenommen habe. Kritisch ausgeleuchtet werden Trends, die sich über Social-Media-Plattformen rasend schnell verbreiten. Beispielsweise „Legging Legs“, was ein kleines sichtbares Dreieck zwischen superschlanken Oberschenkeln meint. Dazu passt der Hype um die „Papier-Taille“ , die so schmal wie ein A 4-Blatt sein soll.

Gedanken über Schönheitsoperationen

Wenn die Workshopleiterinnen mit schon etwas älteren Mädchen und Jungen über medial propagierte Körperideale und Trugbilder sprechen, ploppen häufig Schönheitsoperationen auf - insbesondere solche, die Po, aber auch Lippen nach Wunschvorstellung verändern. „Ein Jungendlicher hatte sich sogar mit Penis-Operationen beschäftigt.“

Die Projektworkshops - rund 70 in einem knappen Jahr - sind inzwischen so gefragt, dass bis zu den Sommerferien fast alle Termine vergeben sind. „Unser Angebot, auch bei Elternabenden zu informieren, findet leider kaum Interesse“, bedauern Ann-Kathrin Truber und Charlotte Zimmer - wohl wissend, dass Mamas und Papas oftmals nur wenig Ahnung davon haben, wie ihre Sprösslinge in sozialen Medien unterwegs sind.

Freie Autorin

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