Mannheim. Der Katzenhalter von der Schönau beginnt mit einer erfreulichen Nachricht. „Foxi geht es gut“, mailt er. Das Tier, bei dem im vergangenen Jahr in dem Mannheimer Stadtteil ein Luftgewehr-Geschoss im Auge gefunden wurde, habe sich von der Operation erholt, müsse nur noch zur Nachkontrolle und regelmäßig Augentropfen bekommen.
„Wir haben uns gefreut, dass es damit dann mal ein Ende nehmen würde.“ Doch gerade seien seine Frau und er mit ihren beiden Katzen zum Impfen gegangen. Dabei habe der Tierarzt bei Fix, Foxis Schwester, einen verkapselten Fremdkörper im Hinterbein bemerkt. Wohl ebenfalls ein Projektil und schon älter. Vermutlich seien beide im Sommer 2022 zur gleichen Zeit beschossen worden.
Damals war sich die Polizei nach „MM“-Informationen sogar sicher, den Täter zu haben. Einen Nachbarn, der mit dem Luftgewehr in seinem Garten herumballerte. Als die Beamten ihn aufsuchten, sprach er von Schießübungen. Sie hätten die Waffe gern beschlagnahmt, um die mit dem Projektil aus Foxis Auge dem Landeskriminalamt zur Untersuchung zu schicken. Doch die Staatsanwaltschaft stellte sich quer.
Schüsse auf Katzen: War es der Nachbar?
Eine Begründung wollte die Behörde damals auf Anfrage nicht nennen. Nach der Rechtsprechung insbesondere des Verwaltungsgerichtshofs seien nur in besonderen Fällen Auskünfte zulässig, teilte Staatsanwaltschaftssprecherin Isa Böhmer mit. Als Beispiele nannte sie unter anderem eine Beteiligung Prominenter oder eine Wiederholung schwerer Straftaten. Der Einwand des „MM“, das in diesem Fall bestehende öffentliche Interesse zeigten schon die von mehreren Privatpersonen ausgesetzten Belohnungen für Täterhinweise, bewirkte nichts.
Drei Wochen später stellte die zuständige Oberstaatsanwältin das Verfahren ein. Den Katzenhaltern als Anzeigeerstattern schrieb sie, es „stehe zu vermuten“, dass jener Mann für die Verletzung der Katze verantwortlich sei. Aber: „Dass der Beschuldigte vorsätzlich gehandelt hat, ist nicht ersichtlich.“ Erfolgten Sachbeschädigungen oder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nur fahrlässig, seien sie nicht strafbar.
Für diese Argumentation hatte der Tierhalter seinerzeit schon kein Verständnis. Jetzt sieht er sich bestätigt. Dass der Nachbar offensichtlich auch auf Fix geschossen habe, „legt natürlich den Verdacht für mich nahe, dass die Annahme ,Versehen’ und ,kein Vorsatz’ von der Staatsanwaltschaft falsch ist und es sich um zielgerichtete Aktionen gegen unsere Katzen handelte“.
Katzenbesitzer von Staatsanwaltschaft enttäuscht
Nach den enttäuschenden Erfahrungen will der Schönauer nun aber nicht erneut zur Polizei gehen. Zumal er Fix narkotisieren und operieren lassen müsste, um das Projektil als Nachweis zu erhalten. Solange die Katze keine Beschwerden zeige, wolle er ihr den Eingriff ersparen. Das empfehle auch der Tierarzt.
Leider kann die verletzte Katze uns nicht mitteilen, was ihr genau passiert ist.
Dazu teilt Präsidiumssprecher Philipp Kiefner mit: „Grundsätzlich raten wir allen Menschen, die Zeugen oder Geschädigte einer Straftat sind, sich an die Polizei zu wenden.“ Ob das im vorliegenden Fall hilfreich sei, hänge indes ganz von „Ermessen und Erwartung“ der Katzenhalter ab. Bei unklarer Tatzeit und ungewissem Tatort seien Ermittlungen schwierig, so Kiefner. „Leider kann die verletzte Katze uns nicht mitteilen, was ihr genau passiert ist.“
Die Schüsse auf der Schönau waren vergangenes Jahr nicht die einzigen auf Katzen im Mannheimer Stadtgebiet. Ebenfalls im Sommer wurde auf der Vogelstang ein Kater mit einem Luftgeschoss an der Schulter verletzt. Die Besitzerin ging nicht zur Polizei, setzte aber 50 Euro für Hinweise auf den Täter aus. Das Gleiche taten nach den Berichten im „MM“ zwei Leser bei Foxi.
In diesem Jahr seien noch keine Schüsse auf Katzen zur Anzeige gebracht worden, berichtet Kiefner. 2022 habe es allerdings noch einen weiteren Fall auf der Rheinau gegeben: Dort sei im Oktober eine Katze in den Bauch getroffen worden und daran gestorben. Ob es sich ebenfalls um ein Luftgeschoss gehandelt habe, sei unbekannt. „Ein Täter konnte nicht ermittelt werden.“
Wenn jemand ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder diesem aus Rohheit erhebliche Schmerzen zufügt, ist das laut Paragraf 17 Tierschutzgesetz mit einer Geldstrafe zu ahnden, maximal sogar mit drei Jahren Haft. Diese Vorschrift sei sogar in erster Linie für Fälle im privaten Bereich gedacht, sagte nach der Einstellung des Schönauer Verfahrens der Mannheimer Juraprofessor und Tierschutz-Experte Jens Bölte dem „MM“.
Experte wunderte sich
Ohne Kenntnis der Akte könne er sich zum konkreten Fall nicht äußern, so Bölte damals. „Grundsätzlich entspricht es aber meiner Erfahrung, dass Staatsanwaltschaften zu Ermittlungszwecken zunächst einmal eine vorsätzliche Begehung unterstellen. Demnach läge es nahe, bei Schüssen auf eine Katze als Ermittlungshypothese von Tierquälereivorsatz auszugehen.“ Dabei handele es sich auch nicht nur um einen Bagatellfall. Und selbst bei Sachbeschädigungen werde zuweilen ein erheblicher Ermittlungsaufwand betrieben, erklärte der Experte.
Die Halter von Fix und Foxi hoffen jetzt, dass die neuneinhalb Jahre alten Tiere noch ein möglichst langes, schmerzfreies Leben haben. Doch ihr Vertrauen in den Rechtsstaat sei tief erschüttert, sagt die Frau. Ihr Mann überlegt, ob er jener Oberstaatsanwältin vielleicht einen Brief schreiben und von dem weiteren Projektil berichten soll. „Ich fürchte aber, das bringt eh’ nichts.“
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