Betreuung

Schaffen kürzere Öffnungszeiten mehr Kita-Plätze in Mannheim?

Im niedrigen vierstelligen Bereich fehlen inzwischen in Mannheim Kita-Plätze. Wäre es ein gangbarer Weg, die Öffnungszeiten weiter zu reduzieren, um durch frei werdendes Personal mehr Plätze zu schaffen?

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Bertram Bähr
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Alle Hände voll zu tun haben Stadt und freie Träger mit der Bereitstellung von Kitaplätzen. Dennoch reicht es nicht annähernd, viele Hundert Eltern gehen leer aus. © dpa

Mannheim. Viel Zeit und Energie hat eine „Taskforce“ der Stadtverwaltung in den vergangenen Monaten in die Schaffung von Randzeiten-Angeboten gesteckt, um die seit September geltende flächendeckende Kürzung von Ganztags-Öffnungszeiten in Kitas und Krippen abzufedern. Herausgekommen ist dabei bisher wenig.

Rund 300 Eltern hatten Bedarf angemeldet, zum 8. September startete aber lediglich ein Angebot für ein gutes Dutzend Kinder im Eltern-Kind-Zentrum Ida Dehmel. Die Suche nach Personen, die sich in der Randzeiten-Betreuung einbringen, gestalte sich äußerst schwierig, hatte Bildungsbürgermeister Dirk Grunert vor knapp vier Wochen gesagt. Das gilt nach wie vor, wie er jetzt im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderats mitteilte.

Kommentar Wie fehlende Kita-Plätze in Mannheim die Debatte verschärfen

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„Es soll weitere Angebote dieser Art und Weise geben. Da werden wir dranbleiben“, versprach er den Stadträtinnen und Stadträten des nach der Wahl im Juni neu zusammengesetzten Gremiums. Aber: Man sei mit keinen weiteren Personen „in Kontakt, die im Moment sagen, sie wären bereit, sich dort einzubringen“. Die Stadt will jetzt „eine Kampagne machen“, um Interesse zu wecken und Kräfte zu gewinnen. Wie lange es bis zu weiteren Angeboten dauern könne, dazu wollte Grunert „keine Prognose“ abgeben.

„Sie haben gerade geschildert, wie viel Aufwand Sie betreiben, um dieses Ergänzungsangebot auf die Beine zu stellen“ – obwohl es lediglich um eine Stunde nachmittags gehe, kommentierte Andrea Gerth vom Paritätischen Wohlfahrtsverband die Aussagen Grunerts. Dabei gebe es doch ein viel gravierenderes Problem: der Mangel an Kita-Plätzen, so dass unzählige Eltern völlig leer ausgingen. In der Tat hatte Jugendamtsleiter Peter Schäfer dem Ausschuss dazu besorgniserregende Zahlen genannt, die die Stadt Anfang Juli 2024 erhoben habe. Demnach sind – bei knapp 12 000 vorhandenen Plätzen – „bis einschließlich Ende des Kalenderjahres noch 1823 Kinder unversorgt“.

Je weniger Kita, desto mehr Sprachförderbedarf

Was das für die Zukunft der Kinder bedeuten kann, das hatten zuvor Bettina Wrede und Andreas Ebert vom Jugend- und Gesundheitsamt in ihrem „Bericht zur Kindergesundheit“ verdeutlicht, der dem Ausschuss jetzt erstmals vorgelegt wurde und auf der aktuellen Einschulungsuntersuchung (ESU) basiert.

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Wrede und Ebert konzentrierten sich auf den Punkt Sprachförderbedarf und kamen zu einem eindeutigen Schluss. Je kürzer der Kindergartenbesuch, desto höher der Sprachförderbedarf. Im Durchschnitt habe jedes zweite Kind einen intensiven Bedarf, aber bei „Kindern ohne Kindergartenbesuch oder weniger als ein Jahr“ seien es 89 Prozent. Hätten Kinder die Kita zwei Jahre besucht, sinke der Bedarf auf 65, bei drei Jahren und mehr 23 Prozent.

Auffällig ist auch der Blick auf die Sozialräume. In sozial stark benachteiligten Gebieten hätten bis zu 88 Prozent intensiven Sprachförderbedarf, in anderen Stadtteilen zum Teil nur 19 Prozent. Das alles setze sich im weiteren Schulverlauf fort und führe, so Ebert, zu eine „Verfestigung von Bildungsungleichheiten“. Deshalb sei ganz klar, „was wir uns wünschen“, sagte Bettina Wrede: dass es „für alle Kinder ab dem dritten Lebensjahr“ Plätze gebe.

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Die Zahlen, so Alice van Scoter (Grüne), seien „erschreckend“. Das zeige, „wie wichtig der Kitaausbau ist“. Melanie Seidenglanz pflichtete ihr bei, das sei „wirklich sehr bedrückend“, viele Kinder hätten schon ab der ersten Klasse „nur noch Probleme“. Aber Andrea Gerth war es, die aus diesen Zahlen klare Konsequenzen ableitete.

Um allen Kindern ab drei Jahren einen Platz zu verschaffen, „gibt es nur einen einzigen Weg in der momentanen Situation“. Und den habe die renommierte Bertelsmann Stiftung aufgezeigt: „das Angebot verlängerter Öffnungszeiten für alle Kinder“. Sonst gebe es weiter Kinder, die „vielleicht sogar bis zu zehn Stunden betreut werden“ und andere, die völlig leer ausgingen.

Dominik Bonaszewski machte als Vertreter der Eltern in evangelischen Tageseinrichtungen kein Hehl daraus, wie sehr ihm dieser Vorschlag missfällt. Er fragte, „warum unsere einzige Alternative immer die weitere Kürzung von Betreuungszeiten ist?“. Statt ständig „über weitere Kürzungen zu reden“, gelte es doch, „die Anzahl der Erzieherinnen und Erzieher, die in Mannheim zur Verfügung stehen, weiter zu steigern“.

„Eltern, die keinen Platz haben, sind isoliert“

Hier zeige sich genau das Problem, entgegnete Andrea Gerth: „Die Eltern, die einen Platz haben, haben hier auch ein Gremium, in dem sie sich äußern können. Alle Eltern, die keinen Platz haben, sind isoliert.“ Es sei doch nicht so, dass sie Eltern keine längeren Betreuungszeiten gönne. Aber im Bericht über die ESU gerade eben sei deutlich geworden, dass Bildungsungerechtigkeit „vor allem Kinder trifft, die nicht in der Kita sind. Wenn wir diese Kinder verlieren – und wir verlieren sie einfach im Lauf ihres ihrer Bildungsbiografie – dann kostet uns das irre viel Geld“, bekräftigte Andrea Gerth.

Bürgermeister Dirk Grunert bezeichnete „die Idee der Bertelsmann Stiftung“ als „spannend“. Aber „Kitas haben natürlich auch die Funktion, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen“. Aufgrund der Knappheit an Plätzen sei es „natürlich so, dass solche Ziele sich teilweise widersprechen“. Das sei „keine ganz einfache Debatte“.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim. Schwerpunkte: Schulen und Kitas

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