Mannheim. Schwarzer Würfel – das war einmal. Kulturbürgermeister Thorsten Riehle spricht von der „Neckarstadt-Kathedrale“ mit darüber schwebendem Kranz statt Heiligenschein. Das Einraumhaus feiert auf dem vertrauten Alten Meßplatz seinen neuen Standort. Es ist auf die Schotterfläche zwischen den Platanen gerückt. Noch präsentiert sich der schmale, längliche, aber in die Höhe strebende Ort der Kunst und Begegnung wie des Rückzugs als Rohversion.
Während in den Quadraten das Stadtfest (noch vor dem Regen) pulsiert, ist jenseits der Kurpfalzbrücke gegenüber vom Kulturzentrum Feuerwache die Freude groß, dass das Einraumhaus auf dem Alten Meßplatz bleibt. Hintergrund: Der frühere Schwarze Würfel musste dem geplanten Neubau des Forums Deutsche Sprache weichen. Bei der Suche nach einer geeigneten Alternative für die inzwischen dritte Örtlichkeit der besonderen Art – dabei war das Quartiermanagement westliche Neckarstadt einbezogen – stand zwischendurch auch der Neumarkt zur Debatte.
Kosten für Mannheimer Einraumhaus-Umzug bei 87.000 Euro
Der Gemeinderat billigte nicht nur den neuen, gleichwohl (fast) alten Standort, sondern gab auch finanziell Grünes Licht: Von den 87.000 Euro für Abbau und Wiederaufbau übernimmt das Kulturamt knapp 54.000 Euro. Und so konnten Philipp Morlock und Myriam Holme im Herbst loslegen. Ohne diese beiden Kunstschaffenden würde es das Projekt Einraumhaus und den 2012 initiierten Förderverein überhaupt nicht geben. Das Anliegen: Mit frei zugänglichen Ausstellungen und Aktionen Barrieren zur zeitgenössischen Kunst abbauen, außerdem eine offene Plattform für die Produktion neuer Arbeiten und das Erproben experimenteller Kunstformen bieten.
Als Holme und Morlock beim Richtfest Gäste begrüßen, Unterstützern Dank sagen und die Projektidee umreißen, sind jene Energie samt Enthusiasmus spürbar, die das Initiatoren-Duo noch immer beflügeln. Mit „Sehnsucht nach einer Utopie“ habe man den „Standort erobert“ und einen Teil der Stadtentwicklung selbst in die Hand genommen, erklärt die Installationskünstlerin und Malerin Myriam Holme. Und Philipp Morlock, von dem beispielsweise die während der Mannheimer Bundesgartenschau auf Spinelli eingeweihte Großskulptur „Conversio“ aus Relikten des einst vom US-Militär genutzten Areals stammt, schildert, wie vor dem Wintereinbruch beim Schwarzen Würfel der Bagger anrückte und wie sich die Zusammenarbeit mit einem Studierenden-Workcamp des gemeinnützigen Bauordens gestaltete.
Zugang zu Ausstellungen im Mannheimer Einraumhaus kurios geregelt
Kulturbürgermeister Thorsten Riehle (SPD) lobt das Einraumhaus-Team als verlässliche wie anpackende Partner und zeigt sich überzeugt, dass auch die Version „3.0“ das Quartier „wunderbar“ beleben wird.
„Wie schön“, freut sich die freie Kuratorin Julia Katharina Thiemann, die das ursprünglich „aus der Not mangelnder unabhängiger Kunstorte in Mannheim“ entstandene Projekt würdigt. Die Kunsthistorikerin und Soziologin zeigt sich überzeugt, dass Räume für Kunst, die nicht kommerziell sind und keine Zwecke (wie Repräsentation) zu erfüllen haben, „dringend benötigt werden“ – insbesondere in Quartieren wie der Neckarstadt. Sie verrät, wie später der Zugang zu Ausstellungen ungewöhnlich geregelt werden soll: über Schlüsselorte, eigentlich umliegende Lokale und Kioske. Und dort werden jeweils Tür-Aufsperrer verwahrt, einschließlich von Holme und Morlock gestaltete Gästebücher, in die nach Rückgabe eines Schlüssels Gedanken zu der gerade besuchten Ausstellung eingetragen werden können.
Noch besitzt das Einraumhaus keine Tür – an deren Gestaltung wird derzeit gearbeitet. Nur so viel geben Holme und Morlock preis: Der Eingang soll Menschen zum Stehenbleiben und Staunen veranlassen. Welches Material künftig die recycelten Holzwände zieren wird, ist ebenfalls noch geheimnisumwittert – auch wenn schon davon die Rede war, dass für die Außenhülle Material der Multihalle genutzt werden soll.
Im Mannheimer Einraumhaus gibt es kein elektrisches Licht
Überhaupt steht das Einraumhaus für Nachhaltigkeit. Konsequenterweise wird auf Strom verzichtet: Die Lichtversorgung läuft ausschließlich über obere Fenster - und damit abhängig von Witterung sowie Tages- und Jahreszeit, was natürlich bei Ausstellungen und Aktionen mächtig herausfordert. Wer das 13 Meter lange und dreieinhalb Meter breite „Kunst-Schiff“ mit umlaufender Sitzbank betritt, bleibt sozusagen auf dem Boden des Alten Meßplatzes. Ganz bewusst ist ein künstlicher Fußbelag weggelassen worden. Dadurch präsentiert sich die Örtlichkeit barrierefrei.
Wie bei einem Richtfest üblich, gibt es bei Speis und Trank reichlich Gelegenheit zu Gesprächen. Und die nutzen auch die Gemeinderatsmitglieder Achim Weizel (ML), Birgit Reinemund (FDP) und Denis Ulas (Linke). Unter die Feiernden hat sich ebenfalls Kulturamtschefin Ewa Wojciechowska gemischt. An dem Abend wird das Einraumhaus schon mal symbolträchtig mit Leben erfüllt: Das Kollektiv gärtnerpflichten eröffnet das Büro „Kaltbewerbung“ - ein performatives Projekt als Protest gegen massives Streichen von Mitteln für die freie Kunstszene. Auf der Suche nach neuen Jobs bieten Kunstschaffende ungewöhnliche Dienste an – vom Zubereiten heißer Luft bis zum dekorativen Liegen unterm Schreibtisch.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-richtfest-fuer-mannheims-vielleicht-ungewoehnlichsten-kunstort-_arid,2306571.html