Mannheim. David Esche klopft mit einem Hammer an den Baumstamm. „Töck, töck, töck“. Esche ist Baumgutachter, der Hammer, den er in der Hand hält, ein Schonhammer, wie er erklärt, der Baum, der vor ihm auf dem Rheindamm steht, ein Bergahorn. Das Ergebnis der Klopfprobe trägt er in ein Computerprogramm ein, einen kleinen Computer trägt er bei der Begehung mit sich. Es ist ein Merkmal von vielen, die am Ende zu einem Gesamturteil führen: gesund, stand- und bruchsicher oder so geschädigt, dass der Baum eine Gefahr darstellt.
Der Bergahorn ist laut Esche in einer guten Verfassung. Vor vielen Jahren habe es einen Schaden am Stamm gegeben, erklärt der Experte und deutet auf eine Einkerbung. Vermutlich sei ein Fahrzeug dagegen gefahren. „Der Schaden war damals viel größer, der Baum ist in der Lage, auf solche Schäden zu reagieren“, so Esche. Kritisch sieht er hingegen die Linde wenige Meter weiter. „Der Holzkörper ist frei, da ist Fäulnis vorhanden“, zeigt er auf eine Öffnung im Stamm, die mehrere Meter nach oben reicht. „Das ist ein Baum, der in den nächsten zwei bis drei Jahren gefällt werden muss.“
Begutachtung der Bäume auf dem Rheindamm auch mit Blick auf die spätere Bautätigkeit
Esche und sein Kollege Sascha Jillich von Urban Tree Consulting, beides öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige in Sachen Verkehrssicherheit von Bäumen, Baumpflege und Baumschäden, sind seit Anfang des Jahres Teil des Planungsteams im Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe, das in Mannheim für die Rheindammsanierung zuständig ist. Ihre Aufgabe: Jeden Baum entlang der Dammtrasse zwischen Grosskraftwerk in Neckarau und Speyerer Straße auf dem Lindenhof abklopfen. „Wir sind Anwälte der Bäume“, betont Esche.
Was das am Ende für das Großprojekt, speziell den Baumbestand bedeutet – eine Frage, die seit Jahren die Gemüter in der Stadt bewegt –, bleibt offen. Bei der Begutachtung wird es jedenfalls nicht nur um den aktuellen Zustand der Bäume gehen, sondern auch darum, wie sich die Baumaßnahmen auswirken werden, ob etwa Wurzeln oder Baumkronen beschädigt werden könnten.
Kurz zur Erinnerung: Das Land Baden-Württemberg hat ein umfangreiches Programm zur Rheindammertüchtigung aufgelegt. Einige wenige Projekte wurden aufgrund der akuten Gefährdungslage in die höchste Priorisierungsstufe eingruppiert, das rund vier Kilometer lange Teilstück des Mannheimer Damms zählt dazu.
Wir haben kein Baumschutzprojekt, sondern ein Hochwasserschutzprojekt.
Nachdem das Regierungspräsidium Karlsruhe – konkret der Landesbetrieb Gewässer – Anfang 2022 seine Planungsunterlagen der Stadt Mannheim – hier der Unteren Wasserbehörde – eingereicht hatte, wird nun eine „ergänzende Variante“, wie es das RP nennt, geprüft. Die Rollen sind also so verteilt, dass das Regierungspräsidium die Sanierung beantragt, Mannheim das Ganze genehmigt. Vor rund einem Jahr hatte die Untere Wasserbehörde dem RP den Hinweis gegeben, das Einbringen einer statisch tragenden Spundwand als Alternative in den Blick zu nehmen.
Dass bei einer Spundwandlösung bis zu 90 Prozent des Baumbestandes erhalten werden könnten, wie der von der Stadt Mannheim bestellte Gutachter Ronald Haselsteiner bereits vor längerem erklärt hat, wollen Jens Teege und Peter Schneider nicht kommentieren. Teege ist Projektleiter beim RP, Schneider Referatsleiter in der Abteilung 5, zuständig für das Thema Gewässer. Er ist Teeges Chefs. Beide haben sich gemeinsam mit Baumgutachter Esche auf den Weg nach Mannheim gemacht, um Journalistinnen und Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Es ist bereits der zweite Termin mit der Presse in diesem Jahr.
„Da draußen ist der Rhein, das ist das Hauptthema, das wir lösen müssen“, weist Schneider mit ausgestrecktem Arm in Richtung Fluss. Die Bäume seien hier eine Randbedingung, auf die Rücksicht genommen werde, Ziel sei aber, den Hochwasserschutz wiederherzustellen. Auch Teege betont: „Wir haben kein Baumschutzprojekt, sondern ein Hochwasserschutzprojekt.“ Die Bäume würden nun in Augenschein genommen, das Ergebnis fließe in die Gesamtbewertung ein.
„Wir sind Ingenieure, wir gehen iterativ vor“, sagt Schneider. Schritt für Schritt würden die offenen Fragen, die bei der Variante einer Spundwand zu klären seien, abgearbeitet. Die Bäume und ihr Erhalt sei einer dieser Punkte. Ein anderer ist die Frage, wie sich das Grundwasser verhalte, wenn Stahlwände bis zu 25 Meter tief in den Boden getrieben werden. Um das abzuschätzen, führt das RP derzeit Pumpversuche und Brunnenbohrungen an verschiedenen Stellen des Dammes durch.
Dammverteidigung aus Sicht des Regierungspräsidiums notwendig
Was aus Sicht des Regierungspräsidiums aber schon jetzt klar ist: Es wird einen Weg auf der Dammkrone geben. Breite: 4,50 Meter. Ob der am Ende Dammverteidigungsweg oder Dammerhaltungsweg heißt, ist laut Teege zweitrangig. Nicht nur an den Bäumen, sondern auch an der Frage, ob ein solcher Weg bei einer Spundwandlösung überhaupt notwendig ist, hatte sich in der Vergangenheit Streit entzündet.
Das RP argumentiert, im Hochwasserfall müsse ein Weg von Wasserwehr und Katastrophenschutz genutzt werden können. Die Behörde hatte dazu Ende Februar auch Gespräche mit Mannheims Katastrophenschützern geführt. Der Weg müsse so gestaltet sein, dass er von 30 Tonnen-Lkw befahren werden könne, entsprechend müsse der Unterbau hergestellt werden. Oberflächlich unterscheide sich der Weg nicht von anderen. Mit Blick auf die Bäume, die derzeit noch auf oder dicht am Damm stehen, heißt es seitens des RP: „Der Weg muss hergestellt werden und verkehrssicher befahrbar sein.“ Es werde aber darauf geachtet, den Eingriff in die Natur möglichst zu minimieren.
Bei der Frage, warum das RP letztlich erst jetzt, nach jahrelangen Planungen, bei denen es an der Erdbauweise und den baumfreien Zonen rechts und links des dann neuen Damms festgehalten hatte, eine durchgehende Spundwand als Alternative prüft, verweist Referatsleiter Schneider auf eine sich fortentwickelnde Fachdiskussion. „In den vergangenen ein, zwei Jahren hat das Thema der Resilienz an Bedeutung gewonnen: Was ist, wenn mehr kommt?“ Mit „mehr“ meint Schneider „mehr Wasser“. In dem Fall könne, das hatte das RP bereits vor einigen Monaten eingeräumt, durch eine Spundwand das Risiko eines Versagens der Hochwasserschutzanlage weiter minimiert werden. Das RP bezeichnet dies sogar als eine „widerstandsfähige Bauweise“.
Alternativprüfung dauert die nächsten Monate noch an
Für Schneider ist das kein Widerspruch: „Wir können keinen Fantasiebau machen.“ Gebaut werde nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik, es könne aber Sondersituationen geben – der Überlastfall, also mehr Wasser – dann könne eine Variante von Vorteil sein: „Wir wollen eine Lösung einreichen, von der wir denken, dass sie genehmigungsfähig ist.“ Wann es so weit ist, die Ergebnisse einer Alternativprüfung vorliegen? „Nicht mehr in diesem Jahr.“
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