Naturschutz

Rheindammsanierung: Anwalt der Kritiker sieht Alternativen

Die Mannheimer Initiative Waldpark hat einen Anwalt für ihre Einwendungen zur Rheindammsanierung beauftragt. André Horenburg rügt das Regierungspräsidiums und stellt Alternativen zum Kahlschlag vor

Von 
Stefanie Ball
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Mannheim. Die Initiative Waldpark hat für ihre Einwendungen zur Rheindammsanierung einen renommierten Anwalt beauftragt: André Horenburg. Er rügt das Vorgehen des Regierungspräsidiums Karlsruhe – des Vorhabenträgers, der das Projekt umsetzen will – und erklärt, warum die Pläne aus seiner Sicht nachgebessert werden müssen.

Herr Horenburg, Sie kommen aus Hamburg. Im Norden sind Dämme und Deiche baumfrei, dort grasen höchstens Schafe. In Mannheim vertreten Sie nun die Initiative Waldpark Mannheim, die sich dafür einsetzt, dass die Bäume auf dem zu sanierenden Rheindammabschnitt in möglichst großer Zahl erhalten bleiben. Passt das zusammen – Baumschutz und Hochwasserschutz?

André Horenburg: Der Hochwasserschutz stellt einen wichtigen Belang dar, das ist richtig. Es bleibt aber zu prüfen, ob es Alternativen gibt, die diesen Zweck, den Hochwasserschutz, erreichen, gleichzeitig aber den Eingriff in die Natur gering halten können.

Eingriff in die Natur heißt?

Horenburg: Das Vorhaben, also die Sanierung des Damms, liegt innerhalb oder am Rande von mehreren Natura-2000-Schutzgebieten. Die zu erhalten, hat Priorität. Eingriffe sind schon möglich, das heißt, es können Ausnahmen gemacht werden, es darf dann aber keine zumutbaren Alternativen geben, die einen besseren Schutz für Pflanzen und Tiere gewährleisten würden.

Schwerpunkt Umwelt

  • Rechtsanwalt André Horenburg berät und vertritt schwerpunktmäßig Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Einzelpersonen und Gemeinden in Planungsverfahren und anderen Bereichen des Umweltrechts.
  • Regelmäßig verteidigt er auch Umweltaktivisten und -aktivistinnen in Strafverfahren.

Und Sie sagen, es gibt zumutbare Alternativen?

Horenburg: Ja! Das Regierungspräsidium hat verschiedene Varianten geprüft. Varianten, die aus unserer Sicht genauer hätten geprüft werden müssen, wurden aber sehr früh ausgeschlossen. Das rügen wir.

Weil?

Horenburg: Weil nur solche Alternativen ausgeschlossen werden dürfen, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht realisierbar sind. Auch wenn der Projektträger, in dem Fall das Regierungspräsidium, unverhältnismäßige Opfer erbringen müsste oder die Alternative andere schwerwiegende Belange erheblich beeinträchtigt würde, kann sie verworfen werden.

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Eine Alternative, über die ja bereits viel diskutiert wurde, ist eine durchgehende Hochwasserschutzwand, die der von der Stadt beauftragte Gutachter Ronald Haselsteiner vorschlägt. Ließe sich die unter dem Aspekt „zumutbar“ realisieren?

Horenburg: Davon ist auszugehen. Eine Hochwasserschutzwand, wie Ronald Haselsteiner sie vorsieht, ist voraussichtlich nicht teurer als die Pläne des Regierungspräsidiums, die im Übrigen ja auch den Einbau von Spundwänden in Teilen vorsehen.

Wie viel geringer wären die Eingriffe in die Natur bei dieser Variante?

Horenburg: Die Eingriffe in die Schutzgebiete verringern sich erheblich, um mehr als 75 Prozent. Auch die Flächeninanspruchnahme reduziert sich um mehr als 81 Prozent, die Inanspruchnahme von Pflanzen und Biotopen um mehr als 73 Prozent und die von Lebensräumen für geschützte Tiere um zwischen 47 und 100 Prozent.

Sie sagen, es gibt mehrere Alternativen, welche wären das noch?

Horenburg: Bereits zu einem sehr frühen Stadium der Planungen hat das Regierungspräsidium die Rückverlegung des Rheindamms durch die Äcker und Wiesen des Reitvereins ausgeschlossen. Das überzeugt uns gar nicht. Das Regierungspräsidium verwendet in seiner Untersuchung der Varianten 300 Seiten darauf, in den einzelnen Dammabschnitten zu schauen, wie saniert werden kann. In Höhe der Weiden wird aber eine Lösung, bei der der Damm nicht durch die Schutzgebiete, sondern im Bereich der Weiden verlaufen würde, nicht mehr untersucht. Da wird gesagt, da ist eine Nutzung, also gehe ich durch das Schutzgebiet. Das geht nicht.

Na ja, die Weidenbesitzer und der Reiterhof haben auch ihre Interessen.

Horenburg: Bei nahezu keinem Vorhaben, egal um was es geht, gibt es Flächen ganz ohne Nutzungen oder Schutzinteressen. Es bestehen immer verschiedene Interessen, und dann muss abgewogen werden. Schutzgebiete und Artenschutz haben ein besonderes Gewicht.

Was ist mit den Kleingärten?

Horenburg: Auch hier wurde pauschal gesagt, dass eine Rückverlegung nicht möglich sei. Das ist ebenfalls zu beanstanden.

Das heißt, Sie votieren dafür, den Damm künftig durch Pferdekoppeln und Kleingärten zu führen?

Horenburg: Das nicht, aber wir rügen, dass die Prüfung von verschiedenen Alternativen nicht ausreichend in den Blick genommen wurde. Im Übrigen reichen laut Rechtsprechung des EuGH, des Europäischen Gerichtshofs, Freizeitnutzungen, die an vielen Orten stattfinden können, nicht aus, um Eingriffe in den Naturschutz zu rechtfertigen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass es nicht im freien Belieben des Regierungspräsidiums liegt, zu entscheiden, welche Variante es wählt. Wenn sich das Planungsziel mit einer geringeren Eingriffsintensität – bezogen auf die Schutzgebiete – zumutbar verwirklichen lässt, muss es von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

In Mannheim soll der Deich auf rund vier Kilometer Länge saniert werden. In den einzelnen Bereichen sehen die Pläne der Karlsruher Behörde neben dem Erdbauwerk auch eine platzsparende Sonderbauweise vor. Das heißt, es wird ja schon auf verschiedene Begebenheiten eingegangen.

Horenburg: Aber genau das ist ja das Widersprüchliche. Dort, wo nach Ansicht des Regierungspräsidiums an Platz nicht gespart werden muss, wird das Regelprofil angewandt, ein Erdbauwerk mit zehn Meter breiten baumfreien Zonen jeweils rechts und links vom Damm. Das ist das breiteste von allen verwendeten Profilen, und das soll im Schutzgebiet gebaut werden. An anderen Stellen, wo Wohnhäuser am Damm stehen, ein Restaurant, Sportplätze, da wird ein schmaleres Profil gewählt.

Es ist davon auszugehen, dass auch dem Regierungspräsidium die geltenden Gesetze bewusst sind. Warum also sollte es Planungen einreichen, die nicht hieb- und stichfest sind?

Horenburg: Natürlich kennt auch das Regierungspräsidium die Regeln, und es hat ja bestimmte Alternativen geprüft. Aber es gibt immer vielfältige Interessen. Das Projekt in Mannheim ist eines der ersten Vorhaben im Rahmen des Dammertüchtigungsprogramms des Landes Baden-Württemberg. Womöglich sollen Präzedenzfälle vermieden werden, die von der Regelbauweise – und das ist der Erddamm – abweichen.

Sie verweisen in Ihren Einwendungen gegen das Projekt auch darauf, dass keine ausreichende Umweltverträglichkeitsprüfung stattgefunden habe. Was fehlt Ihnen?

Horenburg: Wichtig ist, dass die Folgen des Klimawandels mitberücksichtigt werden, und eine dieser Folgen ist die Hitzebelastung. Das ist eine reale Gesundheitsgefährdung, der in den Sommermonaten inzwischen regelmäßig Tausende Menschen in Deutschland zum Opfer fallen. Das sind mehr Menschen, als an den Folgen von Hochwasser sterben.

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Aber hat Karlsruhe das denn nicht im Blick?

Horenburg: Es wird nur anhand von veralteten Grundlagen untersucht, ob es Auswirkungen auf das Klima in der Umgebung gibt, wenn demnächst ein bis zu 50 Meter breiter, kahler Damm entsteht, wo vorher ein Waldpark stand. Das sind handwerkliche Fehler, die rügen wir.

Immerhin soll es für den Wald, der in Neckarau und auf dem Lindenhof wegfällt, Ersatz geben.

Horenburg: Der soll aber ganz woanders, über zehn Kilometer entfernt, angepflanzt werden. Und bis diese neu gepflanzten Bäume eine relevante Senkenfunktion erfüllen, also CO2 speichern wie die alten Bäume, dauert es mindestens 15 Jahre.

Roda Verheyen, mit der Sie gemeinsam die Initiative Waldpark vertreten, hat sich mit ihrer Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht einen Namen gemacht. Die Bundesregierung musste beim Klimaschutz nachbessern. Warum haben Sie das Mandat eines letztlich kleinen Vereins in Mannheim angenommen?

Horenburg: Weil es uns am Herzen liegt, im Sinne des Natur- und Klimaschutzes dafür zu kämpfen, dass Wälder und andere Schutzgebiete erhalten bleiben.

Freie Autorin

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