Mannheim. Die Pläne zur Rheindammsanierung seinen nicht verhältnismäßig und nicht angemessen, da es eine gleich gut geeignete, aber „mildere“ Variante für die Optimierung des Hochwasserschutzes am Deich zwischen Großkraftwerk und Lindenhof gibt - so lässt sich die Einwendung der Stadt Mannheim gegen das Vorhaben zusammenfassen.
Die Sanierung des Deichs, so hatte es der von der Stadt beauftragte Gutachter Ronald Haselsteiner zusammengefasst, gehe deutlich umwelt- und naturschonender („grüner“), kostengünstiger, sicherer und schneller, als vom zuständigen Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe geplant.
Komplizierte Verfahren zur Genehmigung
Dass die Stadt Mannheim, die im Verfahren zur Dammsanierung eigentlich als Genehmigungsbehörde fungiert, auch eine eigene Stellungnahme abgeben kann, ist nicht ganz selbstverständlich und weist auf die drei verschiedenen Hüte hin, die das Rathaus bei der Rheindammsanierung aufsetzen muss. Zum einen ist die Stadt Eigentümerin eines kleinen, nur etwa 200 Meter langen Abschnitts des Damms auf dem Lindenhof. Zum anderen ist sie als Kommune, auf deren Gebiet die Bauarbeiten stattfinden sollen, „Träger der öffentlichen Belange".
Und drittens, da sich das eigentlich übergeordnete Regierungspräsidium als Bauherr nicht selbst eine Genehmigung erteilen kann, übernimmt diese Aufgabe die Stadtverwaltung - die allerdings im rechtlichen Sinne keine Genehmigung erteilen kann, sondern einen Planfeststellungsbeschluss fassen muss, wie der der dafür zuständige Amtsleiter Jürgen Hammer erläutert.
Gutachten, Planungen, Links, Termine
- Einwendungen gegen die geplante Sanierung des Rheindamms können noch bis einschließlich Donnerstag, 19. Januar, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadtverwaltung Mannheim, Technisches Rathaus, Fachbereich Klima, Natur, Umwelt, Glücksteinallee 11, 68163 Mannheim, eingereicht werden.
- Das Gutachten von Ronald Haselsteiner im Auftrag der Stadt Mannheim wurde online veröffentlicht und kann im Bürgerinformationssystem abgerufen werden.
- Links zu weiteren Verbänden, die sich vor allem gegen die Baumfällungen und damit die Zerstörung von Biotopen im Zusammenhang mit der geplanten Dammsanierung wenden: Bund für Umwelt und Naturschutz BUND, Naturschutzbund Nabu, Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof und Initiative Waldpark Mannheim.
- Ausführliche Info-Seiten über die geplante Dammsanierung stellen die Stadt Mannheim und das Regierungspräsidium Karlsruhe zur Verfügung.
- Der Ausschuss für Umwelt und Technik (AUT) des Gemeinderats befasst sich am Dienstag, 17. Januar, ab 16.30 Uhr im Ratssaal des Stadthauses N 1 in öffentlicher Sitzung mit der Rheindammsanierung. Die Sitzung kann man vor Ort oder online unter www.mannheim-videos.de verfolgen.
- Die Umweltverbände werden kurz vor Sitzungsbeginn (16.15 Uhr) ihre formalen Stellungnahmen an Bürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) übergeben. Die Übergabe findet im Foyer vor dem Ratssaal im Stadthaus N 1 statt.
Nach der vor Weihnachten erfolgten Offenlage der Pläne und dem Ablauf der Einwendungsfrist am Donnerstag wird die Stadt Mannheim alle Einwendungen „sortieren und katalogisieren“, so Hammer. Im Lauf des Jahres wird dann ein öffentlicher Erörterungstermin angesetzt, in dem alle Beteiligten - also die Stadt sowohl in ihrer Rolle als zuständige Genehmigungsbehörde als auch in der Rolle als betroffene Kommune, alle Einwender sowie das Regierungspräsidium die Planunterlagen und Einwendungen Schritt für Schritt durchgehen.
Gutachten umfassen 180 Seiten
Erst danach kann der Planfeststellungsbeschluss gefasst werden - gegen den dann beispielsweise von Seiten der Bürgerinitiativen auch der Rechtsweg beschritten werden könnte. Doch jetzt geht es zunächst um das Einwendungsschreiben der Stadt, mit dem sich die Ausschüsse für Umwelt und Technik (AUT) sowie Technische Betriebe (BATB) des Gemeinderats am Dienstag, 17. Januar, befassen werden. Darin verweist Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) auf das gut 150 seitige Gutachten Haselsteiners und eine ergänzende, 30 Textseiten umfassende Beurteilung der Kostensituation.
Der Gutachter zeigt in den beiden Untersuchungen auf, dass zum einen bis zu 90 Prozent der von Rodung bedrohten Bäume am Rheindamm erhalten werden könnten und die Ertüchtigung des über 100 Jahre alten Rheindamms in der Größenordnung von gut 30 Prozent billiger ausgeführt werden könnte. Zudem könnte die vom RP mit etwa fünf Jahren angegebene Bauzeit spürbar verkürzt werden.
Wird der Damm neu aufgebaut?
Bürgermeisterin Pretzell argumentiert in ihrer Einwendung vor allem mit dem grundgesetzlich geschützten kommunalen Selbstverwaltungsrecht und legt dar, dass die Karlsruher Pläne zur Dammsanierung dem planerischen Willen der Stadt zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zuwider laufen, zudem die Nutzung des Waldparks als Naherholungsgebiet und Bereich zum Schutz des Bodens und des Wasserhaushalts - ebenfalls wesentliche planerische Ziele der Kommune - erschweren oder gar verhindern.
Mit der seit 2016/17 entwickelten Planung zur Sanierung des Mannheimer Rheindamms - des knapp vier Kilometer langen Abschnitts zwischen der Weinbietstraße (Lindenhof) und dem Großkraftwerk (Neckarau) - will der Landesbetrieb Gewässer im RP den Rheindamm abschnittsweise praktisch abtragen und neu aufbauen. In einem Planfeststellungsverfahren liegen der Stadt Mannheim nun die insgesamt 85 Dokumente umfassenden Antragsunterlagen des Regierungspräsidiums vor.
Können Bäume gerettet werden?
Demnach müssten alle Bäume am und auf dem Damm gefällt werden, als „Regelbauweise“ ist eine baumfreie Zone von jeweils zehn Metern vor und hinter dem Deich vorgesehen, die sich auf der gesamten Strecke zu rund sieben Hektar addiert. Wie berichtet, müssten nach einer unabhängigen Zählung und Hochrechnung des Mannheimer Vereins Deutscher Klimaschutz vom vergangenen Jahr 1144 Bäume entlang des Damms gefällt werden.
Möglichkeiten nicht ausgeschöpft
In Teilabschnitten - wo für diese Regelbauweise kein Platz ist - sehen die Pläne des Regierungspräsidiums eine Spundwand im bestehenden Damm vor - und genau dies schlägt der städtische Gutachter Haselsteiner für die gesamte Länge des Deichs vor: Das RP, so schreibt er, habe die Alternativlösung bereits selbst in seiner Planung berücksichtigt. „Jedoch wurden die Möglichkeiten der Eingriffsreduzierung und -vermeidung nicht vollends ausgeschöpft.“
Mit anderen Worten: Der alte Damm könne stehenbleiben wie er ist, Haselsteiner sieht „keinen Grund, die Spundwand nicht durchgängig einzubauen“. Der Hochwasserschutz werde dadurch sogar besser als beim Neubau eines konventionellen Erddamms.
Durchgehende Spundwand billiger
Da bei einer durchgehenden Spundwand kein zusätzlicher Dammverteidigungsweg gebaut werden müsse, und zudem die Erde des Altdamms nicht ab- und deutlich weniger neues Baumaterial herangefahren werden müsse, könnten hier spürbar Zeit und Geld eingespart werden, so Haselsteiners Argumente. Für die Planungen des RP (Erddamm mit Spundwand-Abschnitten) geht er von bis zu 22,9 Millionen Euro Baukosten aus, bei der von ihm vorgeschlagenen durchgehenden Spundwand mit befestigtem Weg auf der Dammkrone geht er von knapp 15 Millionen Euro Baukosten aus.
Umweltforum „entsetzt“
Einwendungen gegen das Vorhaben kommen auch von Umwelt- und Naturschutzverbänden sowie von Bürgerinitiativen. Zusammen mit dem Mannheimer Umweltforum, das ebenfalls eine eigene, kritische Stellungnahme zur Dammsanierung ausgearbeitet hat. Wie die meisten Kritiker erkennt das Forum grundsätzlich die Sanierung an („ob“ der Maßnahme), zeigt sich aber „entsetzt über den Umfang der geplanten Eingriffe und der geringen Würdigung von Eingriffsminimierungen bei der Alternativenprüfung“.
Im Vorfeld der Ausschusssitzung am Dienstag wollen die Umweltschützer ihre Stellungnahmen an Bürgermeisterin Pretzell persönlich übergeben. Mit dabei sind die anerkannten (und damit klageberechtigten) Naturschutzverbände BUND und Nabu, außerdem die Lokale Agenda 21 Neckarau, die Initiative Waldpark Mannheim und die Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof. Sie sind alle gegen das Vorhaben in der geplanten Form und begründen dies in ihren jeweiligen Stellungnahmen ausführlich.
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