Frankenthal. Wegen doppelten Mordes und versuchten Mordes muss sich seit Freitagmorgen ein 26 Jahre alter Somalier vor dem Frankenthaler Landgericht verantworten. Liban M. soll im Oktober 2022 zwei Menschen in Oggersheim getötet und einen weiteren schwer verletzt haben. Die brutalen Details trägt Staatsanwältin Esther Bechert in der Anklage vor.
So soll Liban M. am 18. Oktober 2022 in der Philipp-Scheidemann-Straße in Oggersheim mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser auf den zufällig die Straße entlanglaufenden Jonas Sprengart eingestochen haben. Der 20-Jährige habe den Angriff nicht kommen sehen und sei arg- und wehrlos gewesen.
Sascha Kraft, Arbeitskollege des Opfers, habe versucht, den Angreifer, der laut Anklage immer weiter auf Kopf und Oberkörper des 20-Jährigen einstach, von diesem wegzuziehen. Der Angeklagte habe sodann in Tötungsabsicht mit dem Messer in die rechte Halsseite des 35 Jahre alten Helfers gestochen. Dieser ergriff die Flucht, brach aber nach rund 30 Metern auf der Straße zusammen. Er sei noch am selben Tag in einem Mannheimer Krankenhaus durch Verbluten gestorben.
Schüsse in Rossmann-Filiale
Der Angeklagte habe nun seinen Angriff auf den am Boden liegenden Jonas Sprengart fortgesetzt, erneut auf ihn eingestochen und schließlich seinen rechten Arm angehoben und den Unterarm abgetrennt. Diesen soll er dann auf den Balkon seiner Ex-Partnerin geworfen haben, um sich an ihr für die kürzlich erfolgte Trennung zu rächen.
Der 26-Jährige habe aus Wut und Eifersucht gehandelt, da die Ex-Partnerin einen neuen Lebenspartner gehabt haben solL Ihm soll jedoch klar gewesen sein, dass keines der beiden Opfer die Frau gekannt habe. Jonas Sprengart habe der Somalier in „zutiefst verachtenswerter Weise“ missbraucht, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen, so Bechert.
Da der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen sowie heimtückisch vorging, ist er wegen doppelten Mordes und versuchten Mordes angeklagt.
Liban M. sei anschließend in eine Rossmann-Filiale in der Comeniusstraße gegangen, wo er einen 27-Jährigen an der Kasse ansprach. Das Messer habe er hinter dem Arm verborgen. Unvermittelt habe er dann auch diesem Mann angegriffen und einen Stich im Brustraum zugefügt.
“Zu diesem Zeitpunkt betraten die ersten Polizeibeamten den Markt“, so die Staatsanwältin. Das Opfer habe sich schwer verletzt aus dem Laden schleppen können. Es schwebte in akuter Lebensgefahr und musste notoperiert werden. Die Polizei schoss den Angreifer nieder, ehe er weiteren Schaden anrichten konnte, so Bechert.
Da der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen sowie heimtückisch vorging, ist er wegen doppelten Mordes und versuchten Mordes angeklagt.
Angeklagter äußert sich zu seiner Person
Am Vormittag äußerte sich Liban M. zu seiner Person: Der 26-Jährige - ob das sein tatsächliches Alter ist, ist fraglich - wurde im Norden Somalias geboren. 2013 entschloss er sich, sein Heimatland zu verlassen, um Arbeit zu finden. Über den Sudan, Libyen und das Mittelmeer kam er nach Malta, wo er einen Asylantrag stellte. Er reiste weiter nach Schweden, Dänemark, war kurz in Deutschland, wurde jedoch überall abgewiesen, sodass er am Ende wieder zurück nach Malta musste.
Im November 2015 nahm er einen neuen Anlauf und flog nach Frankfurt. In Koblenz lebte er einen Monat in einer Flüchtlingsunterkunft, ehe er Neustadt an der Weinstraße zugewiesen wurde.
Bei der Ausländerbehörde hatte er berichtet, dass er in seinem Heimatland von der Al Shabaab, einer militanten islamistischen Bewegung in Somalia, verletzt worden sei. Seine Begleiter seien vor seinen Augen getötet worden. Vor Gericht räumt der Angeklagte am Freitag jedoch ein, dass die Geschichte komplett erfunden war, um seine Chancen auf Asyl zu erhöhen. Freunde hätten ihm dazu geraten.
In Deutschland sei er "nie richtig angekommen", berichtet der Mann. Im Frühjahr 2022 habe er versucht, auszureisen, sei jedoch nur bis Frankreich gekommen.
Liban M. äußert sich erstmals zur Tat
Überraschend äußert sich der Angeklagte am ersten Prozesstag auch erstmals zu den Vorwürfen. Bei den Ermittlungsbehörden hatte er bislang geschwiegen. Der Mann beschrieb, wie er am 18. Oktober vor dem Haus seiner Ex-Partnerin unterwegs war, obwohl er sich dem Haus gemäß Polizeiverfügung nicht mehr nähern durfte. Und wie wütend er gewesen sei, weil ein Nachbar in den Tagen zuvor "seiner Frau" und deren Kindern Gewalt angedroht habe, auch sexuelle Gewalt. Nach ihm habe er Ausschau gehalten, um zu kämpfen. Deshalb habe er ein Messer dabei gehabt.
Vor dem Haus sei er auf zwei Männer getroffen - den Handwerker Jonas Sprengart und seinen Kollegen Sascha. "Dann ist halt passiert, was passiert ist".
Immer wieder fragte Richterin Mirtha Hütt nach, nach den Stichen, dem Kampf, danach, ob er gedacht habe, bei Jonas habe es sich um den Nachbarn gehandelt. Der Angeklagte antwortet. An viele Details der "kriegerischen Auseinandersetzung" kann er sich nicht erinnern. Doch beim ersten Mann - Jonas - habe er im Kopf gehabt, es sei der Nachbar, der seine Familie bedroht habe.
Auch ging es am ersten Prozesstag um die Frage danach, ob der Angeklagte, gezielt deutsche Männer angegriffen hat, um sie zu töten und zu verletzen. "Haben Sie ihn umgebracht, weil er Deutscher war?", fragte einer der Nebenklägerverter. Hier schweifte M. immer wieder ab, wich aus. Blieb vor Gericht eine klare Antwort schuldig.
Großer Medienauflauf zum Prozessauftakt
Zum Prozessauftakt herrscht in Frankenthal ein großer Medienrummel. Zahlreiche Kameramänner und Fotografen sind kurz vor 9 Uhr im Sitzungssaal 20 des Landgerichts anwesend, schießen Fotos und machen Aufnahmen.
Die Reihe der Nebenkläger ist lang. Für den getöteten Sascha Kraft sind dessen Eltern, sein Bruder, seine Schwester und seine Ehefrau gekommen. Kurt Sprengart, Vater des getöteten Jonas, sitzt dem Angeklagten mit seinem jüngeren Sohn Noel gegenüber. Mutter Maja Sprengart hat sich gegen eine Teilnahme am Prozess entschieden.
Am Morgen steht aber auch sie mit ihrem Ehemann vor TV-Kameras und beantwortet Fragen. „Auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten“, sagt Kurt Sprengart vor dem Prozess. Er erwarte sich von dem Verfahren Antworten, warum sein 20 Jahre alter Sohn und sein Freund Sascha Kraft sterben mussten.
Was die Freunde des Getöteten sagen
Auch Freunde von Jonas sind zum Prozess gekommen. Der 17-Jährige Jessie kannte den Getöteten, seit er klein war. „Ich habe ihn jeden Tag gesehen“, sagt der Nachbar der Familie. „Wir haben immer telefoniert, auch nachts. Manchmal warte ich immer noch darauf, dass er anruft“, sagt der Jugendliche.
Ein 20-Jähriger, der anonym bleiben will, ging mit Jonas zur Schule. „Er war ein gechillter Typ. Er hat uns immer zum Lachen gebracht“, sagen die beiden. Sie wollen sich so oft wie möglich frei nehmen, um der Hauptverhandlung beizuwohnen. Ihre Emotionen können sie nur schwer zügeln. Für den Angeklagten würden sich nichts als Hass empfinden.
Noch vor der formalen Eröffnung des Hauptverfahrens hatte die Vorsitzende Richterin Mirtha Hütt einige Worte an die Anwesenden im Sitzungssaal gerichtet und zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. Es gehe um eine Tat, die unfassbar viel Leid und Schmerz ausgelöst habe, noch befeuert durch die aktuelle politische Diskussion. "Dafür habe ich großes Verständnis", sagte sie. Dennoch müsse im Gerichtssaal eine ruhige und respektvolle Atmosphäre herrschen, damit eine objektive Beweisaufnahme möglich sei. "Zwischenrufe jeglicher Art kann und werde ich nicht akzeptieren", betonte Hütt. Auch wenn die Bilder und Geschichten, die in die Hauptverhandlung eingeführt werden, "zuweilen nur schwer zu etragen" sein werden, wie sie ankündigte. (mit agp)
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