Mannheim. Palettenweise Essen übrig in Hamburg, am nächsten Tag in Mannheim auf dem Tisch: Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat auch mit der hiesigen Tafel ein Projekt entwickelt, das Tonnen von Lebensmitteln rettet. Deutschlandweit.
Die Grundidee wurde bereits 2018 geboren. „Der damalige Tafel-Chef Hubert Mitsch und ich saßen da in einem Workshop und haben auf Papier aufgemalt, wie ein Display für die Fahrer aussehen könnte“, erzählt Sonja Wawszczak, Sozialpädagogische Leiterin des DRK. „Jetzt ist es real geworden. Und es ist nun viel nötiger als damals.“
Tafel in Mannheim reagiert auf Krise
Denn die Tafeln stecken in der Krise. Supermärkte kaufen immer weniger ein, weil die Verbraucher zurückhaltend sind. Es bleibt weniger für die Tafeln - und somit für Menschen in Mannheim. „Und wenn dann ein Stein fällt, zieht er schnell Kreise“, sagt Wawszczak zum Erfolg des Projekts. Denn neben den Pioniertafeln wie der in Mannheim machen bundesweit nun immer mehr Tafeln mit, bisher rund 70.
„Am Anfang hatten wir auch Sorge: Klappt das, wird das angenommen?“, sagt Wawszczak. „Aber wurde es nach kurzer Eingewöhnungsphase. Und wie.“ Das Programm sei sehr intentional zu bedienen - und das sei sehr wichtig, „denn die Leute, die bei uns in den Tafeln arbeiten, sind sehr divers“, sagt sie.
Infos zur „eco-Plattform“ und Spendenmöglichkeit
- Die sogenannte eco-Plattform wird bereits von mehr als 70 Tafeln genutzt. Laut Tafel Mannheim ist sie aus dem Tafelalltag „nicht mehr wegzudenken“.
- Mehr Informationen hier: www.tafel.de
- Spendenkonto hiesige Tafeln: DRK-Kreisverband Mannheim e.V., Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE82370205000005367800, BIC: BFSWDE33XXX
- Spende- und Unterstützungsmöglichkeiten für die Tafel gibt es auch im Netz unter www.bit.ly/42I9ZxB
„Es gibt etwa Sprachbarrieren, oder manche Menschen, die Spenden abholen, sind eher wenig technikaffin.“ Doch mit der neuen Bedienoberfläche klappe das. „Wir haben gesehen, es macht unglaublich Sinn, uns Praktiker in die App-Entwicklung einzubeziehen“, sagt Wawszczak. „Das sollte es auch in viel mehr Lebensbereichen geben“, findet sie.
Und aus der Praxis kommt jede Menge Input. Neu ist zum Beispiel die Funktion „Marktplatz“, erklärt sie. „Das ist quasi Ebay-Kleinanzeigen für die Tafeln. Wenn in Hamburg jemand 24 Paletten von etwas übrig hat, sie nicht mehr los kriegt und zufällig ein Fahrer über Kassel nach Mannheim fährt, hier gerade daran ein großer Bedarf ist, dann profitieren die Kunden.“ Es ist Ware, die sonst vernichtet worden wäre: „Eine echte Win-win Situation“, sagt sie.
Problem mit Lieferung aus Großlager umgangen
Früher hätte dann eine Liste abtelefoniert werden müssen. „Das hat natürlich wegen der knappen Zeit niemand gemacht“, sagt Wawszczak. „Auch in Mannheim ist es so, dass es auf der Seite der Spendenden sehr gut angenommen wird“, sagt sie. „Und es passt zum sozialen und nachhaltigen Gedanken der Tafel: digital statt auf Papier. Tabletbildschirm statt massig ,gelbe Zettel’, die sonst nötig waren.“
Bei der Problematik geht es eigentlich um Angebot und Nachfrage. Einige Tafeln können den Bedarf der Kunden nicht decken. „Während verfügbare Spenden in anderen Ausgabestellen den Konsumbedarf übersteigen“, erklärt Thilo Klein, Ökonom im ZEW-Forschungsbereich „Marktdesign“ und Professor an der Hochschule Pforzheim.
Grund dafür ist, dass jede Ausgabestelle eigene Spenden sammelt. Und - unabhängig von der gesammelten Menge - jeweils 25 Prozent des Bedarfs aus einem Zentral-Großlager bekommt. Zur Lösung des Problems entwickelten die Wissenschaftler als Verbundpartner die „eco-Plattform“, die alle Spendenströme in Echtzeit zur Verfügung stellt.
Plattform der Mannheimer Tafel: Algorithmus berechnet Mengen
Die Bedarfsermittlung einer Ausgabestelle erfolgt über einen Verteil-Algorithmus, der auf möglichst gleichmäßige Verteilung der Spenden eines Tages auf die Kunden abzielt. Hierzu wird die in der Optimierung berechnete Spendenmenge mit dem Status quo verglichen. Und anschließend so an die einzelnen Ausgabestellen verteilt, dass allen Kunden ein möglichst ähnlicher Anteil an denTagesspenden angeboten werden kann.
Die Grundidee, an der Klein und sein Team forschen, kommt aus den USA. Für das Projekt hier konnten derweil alle großen Handelsketten in Deutschland gewonnen werden, die bereits seit vielen Jahren eng mit den örtlichen Tafeln zusammenarbeiten und Lebensmittel spenden, teilt die Tafel mit: Aldi Nord und Süd, Edeka, Lidl, Penny und Rewe. Registrierung und Nutzung der eco-Plattform sind kostenfrei, so die Tafel.
Tafel in Mannheim gefragt: Ex-Geschäftsinhaber stehen an
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine erlebt die Tafel einen regelrechten Run: 40 Prozent der Tafeln verzeichnen 2022 rund 50 Prozent mehr Kunden, jede Fünfte sogar bis zu 100 Prozent. Darunter sind immer mehr Kunden aus dem Mittelstand, die durch Corona ihren Job verloren haben, in Kurzarbeit sind oder ihre Selbstständigkeit aufgeben mussten, heißt es vom Verein Tafel Deutschland.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium förderte die Pilotierung des Projekts. Zudem ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Projektträger. Programmiert hat alles die Software-Entwicklungsfirma inspired consulting . Die Kanzlei Hogan Lovells berät zum Datenschutz.
In Deutschland werden jährlich 237 000 Tonnen Lebensmittel durch die Tafel eingesammelt. Die sollen nun „gezielter an den Mann und die Frau gebracht werden“, so Forscher Thilo Klein. Denn jede Palette, die übrig bleibt, ist eine zuviel.
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