Mannheim. Der Blick in eine Mannheimer Innenstadt-Kita zeigt, wie angespannt die Situation ist. Weil Stellen nicht besetzt werden können, fehlt hier seit längerer Zeit ein Viertel des Personals.
„Bis vor Kurzem ist eigentlich alles ausgefallen“, berichtet eine Erzieherin, die namentlich nicht genannt werden möchte. Die Vorschularbeit habe ebenso gelitten wie die Beschäftigung mit Auszubildenden. Es fehle auch die Zeit für die gezielte Förderung von Kindern.
Bundesweite Aktionen der Gewerkschaft Verdi
Die Erzieherin nimmt Teil an einer Protestaktion der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „SOS Kita – Es donnert in den Kitas“: Unter diesem Motto ruft Verdi seit ein paar Wochen bundesweit zu Aktionen auf, um auf die desolate Lage in den Kitas hinzuweisen und Veränderungen zu fordern. Aktuell hatte Verdi einen Stand auf dem Marktplatz aufgebaut – und die örtlichen Bundestagsabgeordneten eingeladen. Gekommen waren Isabel Cademartori (SPD) und Gökay Akbulut (Linke).
Die Situationsbeschreibung der Erzieherin ist keine Ausnahme, wie Anfragen bei Stadt, Katholischer und Evangelischer Kirche ergeben. In den 53 städtischen Kitas und Krippen „fehlen im laufenden Betrieb 50 Vollzeitkapazitäten“, so Sprecherin Stefanie Zuehlsdorff-Hottel.
Viele offene Stellen bei Kitas der Kirche in Mannheim
54 offene Stellen nennt die Abteilungsleiterin für die 39 evangelischen Kitas, Sabine Zehenter. Und die Geschäftsführung der Katholischen Gesamtkirchengemeinde (GKG) verzeichnet 24 offene Stellen – bei 39 Kitas.
„Fachliche Ansprüche, die jede Erzieherin an sich hat und denen sie gerne nachkommen will, lassen sich nicht mehr realisieren“, betont Verdi-Vertrauensfrau Sabine Leber-Hoischen bei der Protestaktion in Mannheim: Die Betroffenen „versuchen nur noch, dass alle, Kinder und Fachkräfte, den Tag heil überleben“.
Krankheitsfälle verschärfen Lage in Kitas
Um einen halbwegs geregelten Betrieb stemmen zu können, greifen immer mehr Einrichtungen zu längeren oder dauerhaften Einschränkungen der Öffnungszeiten. So auch in der Kita der eingangs erwähnten Erzieherin, wo die Kinder statt der ursprünglich 9,5 nur noch 7 Stunden am Tag betreut werden. „Dadurch bekommen wir jetzt die reguläre Gruppenbesetzung hin“, berichtet sie – zumindest bis wieder einmal vermehrt Krankheitsfälle auftreten.
Gruppen in Mannheim tageweise geschlossen
Fachkräftemangel und Langzeiterkrankungen hätten „in einigen Einrichtungen dazu geführt, dass vor allem im Ganztagsbereich Betreuungszeiten reduziert werden mussten“, so die GKG. Dennoch konnten „zusätzliche krankheitsbedingte Ausfälle nicht immer abgefangen werden“.
Kitas habe man zwar keine schließen müssen, teilt Stefanie Zuehlsdorff-Hottel mit. Aber „in insgesamt 27 Einrichtungen musste im Oktober zeitweise das Angebot eingeschränkt werden. Das bedeutet, dass entweder in einzelnen Gruppen die Öffnungszeiten zeitlich reduziert oder Gruppen tageweise geschlossen wurden. In sieben Einrichtungen kommt es zu anhaltenden Einschränkungen der Öffnungszeit.“
Eltern müssen oft spontan bei Betreuung improvisieren
In der Vergangenheit habe man Kürzungen von Betreuungszeiten den Eltern oft sehr kurzfristig ankündigen müssen, bedauert Sabine Zehenter. Deshalb habe man in Absprache mit dem Elternbeirat der evangelischen Kitas „vereinbart, seit September in Kitas mit Personalmangel eine Planungssicherheit immer für zwei Monate zu bieten“. So könnten die Eltern sich besser auf verkürzte Zeiten einstellen.
„Derzeit haben wir in 17 unserer 39 Kitas die Öffnungszeiten reduziert“, berichtet Zehenter. Ganze Gruppen oder Kitas habe man nicht schließen müssen: „Es betrifft die Randzeiten – die Kinder werden später gebracht und/oder früher abgeholt. Je nach Situation werden die Betreuungszeiten dort um täglich eine bis zu 2,8 Stunden reduziert.“
Die Beschäftigten sind am Limit, die Situation in den Kitas ist derzeit kaum aushaltbar
Für Sabine Leber-Hoischen ist klar: „Die Beschäftigten sind am Limit, die Situation in den Kitas ist derzeit kaum aushaltbar“. Und: Die Fachkräftelücke werde größer, „die Spirale geht weiter nach unten“. Dagegen lasse sich durchaus etwas tun, betont die stellvertretende Verdi-Landesleiterin Hanna Binder. Mit Cademartori und Akbulut weiß sie sich einig, wenn sie Bund und Land auffordert, mehr Geld zur Verfügung zu stellen.
Die bisherige Unterfinanzierung habe zur Personalknappheit geführt. Dadurch werde die Situation für viele Beschäftigte „so belastend, dass die Kolleginnen und Kollegen entweder das Berufsfeld ganz verlassen, arbeitsunfähig werden oder in Teilzeit gehen“ – mit der Folge, dass der Mangel sich noch einmal deutlich verschärfe.
Hinzu kommt: Wegen fehlender Kita-Plätze treibt die Stadt den Ausbau voran. Doch auch für die zusätzlichen Einrichtungen wird Personal gebraucht – für Sabine Leber-Hoischen ein „Teufelskreis“. Sie fordert, sich „auf die Stabilisierung des Kita-Systems zu konzentrieren“ – was vielen Eltern, die bisher leer ausgegangen sind, wenig helfen würde.
Kita-Vater richtet Petition an OB
Stand 1. April gelten in Mannheim 313 Krippen- und 584 Kita-Kinder als unversorgt. Markus Frank ist zwar – im Moment – nicht betroffen, sein zweijähriger Sohn wird von einer Tagesmutter betreut. Aber er weiß – wie so viele andere – nicht, ob er einen Kita-Platz bekommt. Deshalb hat er vor ein paar Monaten eine Online-Petition und eine Unterschriften-Aktion gestartet.
Seine Forderungen – und damit die Hunderter von Eltern – gingen am Donnerstagabend raus, an Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat und an OB Christian Specht. Frank setzt sich unter anderem dafür ein, Kinderpolitik „zur Chefsache“ zu machen, Gelder „für Prestigeprojekte“ umzuschichten und das Kita-Meldesystem MeKi zu reformieren.
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