Mannheim. Das liebe Geld sorgt wie oft im Leben auch in der Kommunalpolitik manchmal für heftigen Streit. In der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses des Mannheimer Gemeinderats allerdings waren sich die Politikerinnen und Politiker weitgehend einig - obwohl es um die Höhe einer Steuer ging.
Außer der AfD stimmten alle Fraktionen für die von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen neuen Hebesätze bei der Grundsteuer. Kommende Woche muss zwar der Gemeinderat noch zustimmen - aber das ist nur noch Formsache. So kann jetzt im Prinzip jeder Grundstückseigentümer ausrechnen, wie hoch ab kommendem Jahr die jährliche Grundsteuer für seine Fläche ist.
Grundsteuer: Am Anfang stand ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Weil das Bundesverfassungsgericht die bisherige Berechnung der Grundsteuer in Deutschland für verfassungswidrig erklärt hatte, mussten die Bundesländer sie komplett neu regeln. Das neue Berechnungsverfahren ist überall in Baden-Württemberg dasselbe. Die Kommunen können lediglich die sogenannten Hebesätze eigenständig festlegen. Das hat die Mannheimer Kommunalpolitik jetzt getan. Bei der wichtigen Grundsteuer B - sie gilt für gewerbliche und private Grundstücke - liegt der neue Hebesatz bei 365 Prozent. Bisher waren es 487. Bei der Grundsteuer A für landwirtschaftliche Flächen beträgt der neue Hebesatz 300 Prozent (bisher 416).
Die niedrigeren Hebesätze bedeuten aber nicht, dass die Steuer zwangsläufig sinkt (wir berichteten). Im Gegenteil: Weil das Berechnungsmodell ein anderes ist, wird sie für manche sinken, für viele aber auch drastisch steigen. Größe der Fläche und Bodenrichtwert fallen bei der neuen Berechnung stärker ins Gewicht, der Wert der Immobilie spielt keine Rolle. Auch bewirkt das neue Modell, dass das Steueraufkommen von privaten Grundstücken steigt, das von Gewerbeflächen dagegen deutlich sinkt.
Mannheim nimmt 75 Millionen Euro durch Grundsteuer ein
Oberbürgermeister Christian Specht und Finanzdezernent Volker Proffen (beide CDU) hatten immer wieder betont, die neue Berechnung habe zur Folge, dass manche mehr und andere weniger zahlen müssten. Die Kommune könne lediglich zusagen, „aufkommensneutral“ zu bleiben. Heißt: Auch nach der Reform werde insgesamt nicht mehr Geld durch die Grundsteuer eingenommen als davor, nämlich 75 Millionen Euro pro Jahr.
Ausgehend von diesen Einnahmen hat die Verwaltung die neuen Hebesätze berechnet. Falls sich herausstellen sollte, dass man mehr - oder eben auch weniger - einnehme, müsse man sie nochmals anpassen, so Proffen.
Der Großteil der Hauseigentümer dürfte vom Finanzamt bereits einen neuen sogenannten Grundsteuermessbescheid bekommen haben. Wer ihn hat, kann seine Grundsteuer mit dem jetzt vorgelegten Hebesatz direkt ausrechnen. Einfach den dort angegeben Steuermessbetrag (in Euro) mit dem Hebesatz (bei 365 Prozent also mit dem Wert 3,65) multiplizieren - das ergibt die jährliche Grundsteuer.
Manche Eigentümer in Mannheim „werden ins Trudeln kommen“
In der Debatte im Ausschuss wurde deutlich: Allen Fraktionen ist es besonders wichtig, dass die Stadt unterm Strich nicht mehr Grundsteuer einnimmt als bisher. Bauchgrummeln macht den Kommunalpolitikern allerdings, dass viele einzelne Eigentümer stärker belastet würden, auch wenn die Kommune hierfür nichts könne.
Claudius Kranz (CDU) hätte sich deshalb gewünscht, dass Bund und Land den Kommunen mehr Differenzierungsmöglichkeiten bei den Hebesätzen geben und damit mehr Spielraum bei der Besteuerung. Er denke vor allem an die Eigentümer „großer Grundstücke mit einem kleinen Häuschen drauf in Stadtteilen wie Blumenau oder Casterfeld“, sagte Kranz. „Die werden jetzt überproportional belastet.“ Christopher Probst (Mannheimer Liste) fürchtet, dass hier vor allem viele Ältere mit niedriger Rente betroffen sein könnten. „Die werden ins Trudeln kommen.“ Die Stadt müsse sich überlegen, wie sie bei solchen „Härtefällen“ helfen könne.
Reinhold Götz (SPD) wollte von der Stadtspitze wissen, bei welcher konkreten Abweichung von der Aufkommensneutralität der Hebesatz nochmals verändert und wie schnell das dann umgesetzt werde. Proffen antwortete, für ihn wäre eine Abweichung von zwei Millionen Euro unter oder über den genannten 75 Millionen noch hinnehmbar. Erst bei größeren Abweichungen würde er eine Änderung der Hebesätze vornehmen wollen.
„Aber das muss der Gemeinderat entscheiden.“ Änderungen könne man allerdings frühestens nach einem Jahr vornehmen. Bei Härtefällen will der Kämmerer auf die Möglichkeiten hinweisen, „die es heute schon gibt“ - zum Beispiel die Stundung von Zahlungen. „Wir werden auf jeden Fall eine Hotline einrichten, wo wir solche Dinge erklären.“
Mannheims Oberbürgermeister Specht klärt AfD-Fraktion auf
Die AfD lehnte als einzige Fraktion die vorgeschlagenen Hebesätze ab. „Wir sind generell gegen die Erhebung der Grundsteuer und wollen sie abschaffen“, sagte Jörg Finkler. „Die Steuer bestraft Leute mit Eigenheim.“ Der Oberbürgermeister sah sich daraufhin zu eine paar grundlegenden Äußerungen genötigt.
Erstens liege es nicht im Zuständigkeitsbereich der Kommune, die Grundsteuer abzuschaffen. Zweitens, so Specht, müsse die AfD dann auch sagen, wo die wegfallenden 75 Millionen herkommen sollen. Und drittens sei die Grundsteuer nicht irgendeine Steuer, um Geld in die Kasse zu bringen. Schließlich investiere die Kommune in viele Bereiche - und schaffe eine Infrastruktur, die die hier liegenden Grundstücke wertvoller mache.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheim und die neue Grundsteuer: Ärgerlich, aber richtig