Medien - Stadt, Schulamt und Kultusministerium besorgt über zu leichten Zugang für Jugendliche zu umstrittener Serie „Squid Game“

Netflix-Serie "Squid Game": Das raten Mannheims Behörden

Von 
Sebastian Koch
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Die Aufseher stören die Spielplatz-Idylle: Wenige Minuten später werden in der „Squid Game“-Szene die Verlierer eines Kinderspiels getötet. © netflix

Mannheim. Die Rutsche wirkt monströs, das Klettergerüst gewaltig und die Symbole an der Wand sind sogar ein wenig kitschig. Ja, auf diesem Spielplatz wäre man als Kind auch gerne gewesen, denkt sich der Zuschauer noch. Kurze Zeit später zieht sich eine lange Blutspur über die grüne Rutsche. Der Mann, der kopfüber herunterrutscht, hat das Spiel verloren. Er ist „disqualifiziert“. Tot – hingerichtet mit einem Kopfschuss. Das bekannte Muster in der Serie „Squid Game“, die zwar den an Abrufen gemessen erfolgreichsten Start auf Netflix aller Zeiten hingelegt hat, die aber wegen ihrer zur Schau gestellten Gewalt auch mindestens so umstritten wie erfolgreich ist.

Worum geht es in der Serie „Squid Game“?

Die Serie erzählt von verschuldeten Erwachsenen, die in traditionellen Kinderspielen um ein hohes Preisgeld gegeneinander antreten. Erst nach Beginn des ersten Spiels stellt sich für die Teilnehmer heraus, dass die Verlierer sofort getötet werden. Die Serie übt Kritik am Kapitalismus und fragt, ob Geld mehr bedeutet als Freundschaft. „,Squid Game’ ist eine Serie, die eine makabere Vision einer südkoreanischen Gesellschaft in Zukunft zeichnet“, teilt die psychologische Beratungsstelle der Stadt mit.

Wie reagieren Zuschauerinnen und Zuschauer auf die Serie?

Meldungen, nach denen Kinder und Jugendliche Spiele der Serie nachahmen und Verlierer bedrohen und schlagen, traten in Belgien und Großbritannien, dann vereinzelnd in Deutschland auf. Zwar ist auch dem Staatlichen Schulamt Mannheim das „Phänomen bekannt“. Aber: In Mannheim habe es noch keine derartigen Fälle gegeben, teilen Stadt und Schulamt auf Anfragen jeweils mit. Das gelte für das gesamte Land, bestätigt das baden-württembergische Kultusministerium.

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Was raten Behörden Eltern im Umgang mit der Serie?

Stadt, Schulamt und Kultusministerium weisen auf Anfragen übereinstimmend auf den Jugendschutz hin. „Die Serie hat eine Altersfreigabe ab 16 Jahren. Eltern haben die Möglichkeit, den Netflix-Account dementsprechend zu regulieren“, heißt es vom Ministerium. Auch die Stadt empfiehlt, einen Jugendschutzcode einzurichten. „Eltern sollten darauf achten, dass der Zugang zur Serie in der Familie reglementiert ist, so wie dies auch für andere gewaltvolle Medien gilt.“ Das Schulamt verweist, neben der Medienbildung in Schulen, darauf, dass es wichtig ist, „dass Eltern ihrer Verantwortung gerecht werden, auf den Medienkonsum der Kinder achten und das Gesehene besprechen“. Von „heftigen Reaktionen der Eltern, Verboten und rigiden Strafen“ für Jugendliche rät die Beratungsstelle der Stadt indes ab. Sie würden etwa den „Reiz des Verbotenen“ wecken. „Hilfreicher kann es sein, Interesse zu zeigen, oder auch gemeinsam mit den Jugendlichen eine Folge anzuschauen und so miteinander ins Gespräch zu kommen.“ Ulrike Scheurich, Abteilungsleiterin der städtischen Fachberatung Pädagogik im Fachbereich Kindertagesstätten, rät: „Junge Kinder sollten Medieninhalten nicht unbegleitet ausgesetzt werden.“ Erwachsene könnten etwa durch das Beantworten von Fragen und das Erklären der Inhalte beim Einordnen helfen.

Vorfälle in Bayern und bei Hamburg

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete am Mittwoch davon, dass in einer Kita in Pinneberg bei Hamburg „Kinder und jüngere Schulkinder“ die Netflix-Serie „Squid Game“ nachgespielt hätten.

Einem Zeitungsbericht zufolge, auf den die dpa verweist, waren Erzieherinnen auf den Vorfall aufmerksam geworden, als sich die Kinder am Ende eines Spiels gesagt hätten: „Ich töte dich.“

Auch in Bayern beschäftigt die Serie die Schulen. Nach Angaben des dortigen Landeskriminalamts waren an mindestens drei Grund- und Mittelschulen „Visitenkarten“ aufgetaucht, die als Einladung zum „Squid Game“ gelten, berichtet die dpa.

Es seien demnach aber keine Fälle von Körperverletzungen oder Gewalttaten im Zusammenhang mit dem Spiel an bayerischen Schulen bekannt. 

Wie gefährlich ist die Serie für Kinder und Jugendliche?

Der „umfangreiche Konsum gewaltvoller Medien“ könne zur Abstumpfung führen, teilt die Beratungsstelle mit. „Über diese Entdramatisierung von Gewalt wird Mitgefühl als hemmender Mechanismus für eigene Gewaltanwendung geschwächt, oder es sinkt die Bereitschaft, Opfern von Gewaltanwendung beizustehen.“ In Bezug auf die Serie „Squid Game“ heißt es: „Die Serie sollte keinesfalls unter der Altersgrenze von 16 Jahren gesehen werden, und auch darüber ist es nicht empfehlenswert.“ Die Altersgrenzen seien meistens schon „sehr lasch“ gesetzt, sagt Scheurich. „Die Inhalte sind dann für noch jüngere Kinder nicht in Ordnung, schädlich, schockierend und gefährlich.“

Ab wann unterscheiden Kinder zwischen Fiktion und Realität?

Ob Szenen aus „Squid Game“ oder aus anderen Inhalten: „Für Kinderaugen ist zunächst alles echt“, erklärt Scheurich. Aus diesem Grund seien gewaltdarstellende Szenen im jungen Alter „ein No-Go“. Die Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität „ist erst ab dem mittleren bis späten Grundschulalter möglich“, erklärt Martina-Theresa Sauer, städtische Fachreferentin für das Bundesprogramm Sprach-Kita.

Stellt es für Kinder einen Unterschied dar, ob Gewalt bewegt in Filmen und Serien oder beschrieben in Büchern gezeichnet wird?

Ja, sagt Scheurich. Wenn Kinder Szenen beschrieben bekämen, spiele sich das Geschehen im Rahmen ihrer Vorstellungskraft ab. „Wenn Kinder bildliche Darstellungen sehen, die nicht kindgerecht sind, sind Inhalte zu sehen, die sie sich noch nicht vorstellen können.“ Das müsse nicht „per se schlecht sein“, erklärt Scheurich, die auf Lerneffekte verweist. „Das Kind braucht aber einen Erwachsenen, der das Gesehene erklärt und mit dem verbindet, was das Kind schon kennt.“

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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