Am 21. Oktober 2022 ist eine Frau gestorben, die in Mannheim wahrscheinlich nur wenige Menschen spontan auf der Straße erkannt hätten, obwohl selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um sie wusste: Zilli Schmidt. Nach ihrem Tod schrieb der Bundespräsident: „Mit Zilli Schmidt verliert unser Land eine beeindruckende, selbstbewusste und mutige Frau, die unerschütterlich gegen Hass, Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit gekämpft hat.“

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Wir widmen uns in der vierten Folge von „WeiterLeben“, dem Nachrufe-Podcast des „Mannheimer Morgen“, der Jahrhundertzeugin Zilli Schmidt, die mit über 90 Jahren begann, darüber zu sprechen, wie sie als Sinteza den Holocaust überlebte. Da wohnte sie schon viele Jahre in Mannheim, auf der Schönau.
Zilli Schmidts Jugend - und ihre Zeit in Konzentrationslagern
Doch zunächst tauchen wir in dieser Podcast-Episode in eine Zeit in Zilli Schmidts Leben ein, die ganz leicht war. Wir hören Zilli Schmidts Stimme, die uns erzählt, wie sie mit ihrer Familie in einem sechs Meter langen Wohnwagen lebte und wie die Familie im Sommer umherzog. Der Vater von Zilli Schmidt - die damals noch Reichmann hieß - betrieb ein Wanderkino.
In den Wirtshäusern auf dem Land zeigte der Sinto Stummfilme wie „Dick und Doof“ und bildete in den Sommermonaten Rücklagen für die kalte Jahreszeit, in der die Familie an einem Ort überwinterte. Dann spielte der Vater Sitar in Wirtshäusern. Die Mitglieder der Familie Reichmann und ihre Freunde aus der Sinti-Gemeinschaft liebten es, Musik zu machen und Musik zu hören. Diese Leidenschaft sollte sich Zilli Schmidt bis zu ihrem Tod bewahren.
Dort kann man den Podcast hören
Wir zeichnen die Jugend von Zilli Schmidt nach, in der sie Mutter wurde, während sie selbst fast noch ein Kind war, und bewegen uns in dieser Episode dann in einer Zeit, in der alles ganz schwer wurde. Zilli Schmidt wurde inhaftiert und kam über mehrere Stationen ins Konzentrationslager nach Auschwitz-Birkenau. Sie hat uns einen detaillierten Bericht über ihre Zeit im sogenannten Zigeunerlager hinterlassen. Auch über den Moment, in dem sie zum letzten Mal ihre vierjährige Tochter Gretel sah, die im KZ ermordet wurde.
Und dann sprechen wir in dieser „WeiterLeben“-Folge über die Jahrzehnte nach Auschwitz. Wie gelang es Zilli Schmidt, nach all dem Leid - viel zu viel für ein einzelnes Leben - weiterzumachen? Vielleicht sogar, glücklich zu sein? Und manchmal auch, zu vergessen, während sie mit ihrem Mann Toni durchs Leben ging? Im Kulturhaus RomnoKher in Mannheim, das vom Landesverband der Sinti und Roma betrieben wird, hat sich ihr langjähriger Freund Romeo Franz an sie erinnert, an die vielen Gespräche mit ihr. Franz sitzt für die Grünen im Europäischen Parlament und er machte viele Jahre Musik mit Zilli Schmidts Neffen. Nach dessen Tod erwuchs eine Freundschaft zwischen ihm und der Holocaust-Überlebenden.
Er beschreibt, wie er Zilli Schmidt erlebte, berichtet von ihren Versuchen, neuen Lebensmut zu schöpfen, ihr Trauma irgendwie zu verdrängen. Fast ihr gesamtes Leben schwieg sie. Sie sprach kaum über das, was sie während des Holocausts erlebt hatte, auch nicht mit ihrem Mann Toni, mit dem sie - wie früher - viel unterwegs war und dann mehr und mehr sesshaft wurde, in Mannheim, auf der Schönau.
Zilli Schmidt kämpft um Wiedergutmachung
Dennoch kämpfte sie viele Jahre um Wiedergutmachung, um die Anerkennung des Unrechts, das ihr widerfahren war. Auch darüber sprechen wir in der Folge - und natürlich auch über die Gründe, warum Zilli Schmidt wenige Jahre vor ihrem Tod ihr Schweigen brach und was das für ihr Leben bedeutete. Und: für ihr Sterben, ihre letzten Lebensmonate.
Die Folgen von WeiterLeben
Folge 1 - Tom Esselborn: Fünf Jahrzehnte lang gehörte Tom Esselborn zu den schillerndsten Figuren des Mannheimer Nachtlebens und darüber hinaus. Aber: Er polarisierte auch stark.
Folge 2 - Tobias Mussler: Winzer Tobias Mussler hat einen besonderen Ort in der Pfalz geschaffen und ein großes Vermächtnis hinterlassen.
Folge 3 - Udo Scholz: Udo Scholz war die Stimme der Adler und manche sagen auch: Der Stadionsprecher war die Seele des Eishockey-Clubs.
Folge 4 - Zilli Schmidt: Mit über neunzig begann Sinteza Zilli Schmidt über den Holocaust zu sprechen und den Tod ihrer Tochter in Auschwitz.
Folge 5 - Norbert Schwefel: Underground-Musiker Norbert Schwefel gehörte in den 80ern zu den ganz Großen der Mannheimer Musikszene.
Wir freuen uns, wenn Sie in die Geschichte von Zilli Schmidt hineinhören, die ab sofort verfügbar ist. Immer sonntags gibt es eine neue Folge von „WeiterLeben“. Die neuen Episoden finden Sie auf mannheimer-morgen.de/weiterleben. Dort und über alle gängigen Portale können Sie den Podcast herunterladen, abonnieren und weiterempfehlen.
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