Mannheim/Berlin. Agnes Polewka ist eine lebenslustige Frau mit viel Humor. Manchmal muss man deshalb aufpassen, dass der Small-Talk mit ihr nicht ausartet. Klar, als Gerichtsreporterin, die sich auch für kulturelle und ethische Themen interessiert, und als Mutter gehen ihr spannende und lustige Gespräche nie aus. Dazu kommt, dass Agnes Polewka gerne und viel lacht. Dass sie sich, neben den vielen Gerichtsverhandlungen in der Region, in den vergangenen Monaten auch mit dem wenig lustigen und lebensbejahenden Thema Tod beschäftigt hat, mag deshalb überraschen. Auf den ersten Blick.
Ihr gehe es wie den meisten, sagt Polewka am Donnerstag. „Auch mir ist der Tod unangenehm“, gesteht die Redakteurin. „Tatsächlich macht der Tod unser Leben aber auch so wertvoll und hält uns dazu an, ein gutes Leben zu führen.“ Da ist sie wieder - die positive Sicht auch auf schwierige Dinge und Themen, die für eine Gerichtsreporterin noch alltäglicher sind als für manch andere.
Am Mittwoch hat die „MM“-Redakteurin für ihren Nachrufe-Podcast „WeiterLeben“ in der Kategorie „Bestes lokales Digitalprojekt“ den Theodor-Wolff-Preis erhalten. Der gilt als die renommierteste Auszeichnung der Medienbranche. „Dieser Abend gehört zu den großen Momenten meines Berufslebens“, sagte Polewka nach der Auszeichnung in Berlin. Und auch am Tag danach spricht sie noch von einer „großen Ehre“, die ihr zuteil geworden ist. „Der Preis erfüllt mich mit großer Freude und motiviert mich sehr.“
„Mehr als ein Nachruf, eher ein nachgetragenes Porträt“
Die Anspannung war groß und wurde größer, je näher der Abend rückte - nicht nur bei Polewka, auch bei Kolleginnen und Kollegen. Vor einem halben Jahr hat die Jury des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger die Redakteurin nominiert. Ob sie ausgezeichnet werden würde, war aber nicht klar. Neben „WeiterLeben“ waren zwei Projekte der „Augsburger Allgemeinen“ nominiert, die sich mit der Wasserversorgung und dem Wahlkampf in Bayern beschäftigten.
In „WeiterLeben“ sucht Polewka Erinnerungen an Persönlichkeiten der Region. Sie unterhält sich mit Angehörigen und Weggefährten über Lebenswerk und Charakterzüge der Verstorbenen. Es ist ihr wichtig, neben den Höhen auch die Tiefen im Leben der Menschen aufzuarbeiten. Auf diese Weise ist sie in der ersten Staffel dem „Mann der Nacht“, Tom Esselborn, genauso nähergekommen wie dem langjährigen Stadionsprecher der Adler, Udo Scholz, „Jahrhundertzeugin“ Zilli Schmidt, Winzer Tobias Mußler und Musiker Norbert Schwefel.
„WeiterLeben“ entwickle Lokaljournalismus in guter Weise weiter, begründete die Jury. Die Folgen seien „mehr als ein Nachruf, eher ein nachgetragenes Porträt“. Auch hob sie die positive und eben nicht trauervolle Tonalität der Folgen hervor.
Auf der Bühne erzählt Polewka von einem schweren Verkehrsunfall vor mehreren Jahren. „Der hat mir meine eigene Sterblichkeit vor Augen geführt.“ Als sie nach Monaten wieder habe laufen können, habe sie in vielen alltäglichen Augenblicken die Schönheit und Kostbarkeit des Lebens entdeckt. „Dieses Nachdenken über das Leben und den Tod ist mir geblieben, und wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, wann diese Gedanken in ein journalistisches Format fließen würden“, sagte sie.
„Der Tod und die Liebe sind die großen Themen unseres Lebens“, sagt Polewka am Donnerstag. Das habe sich auch während der Arbeit an „WeiterLeben“ bewahrheitet. Die fünf Episoden der ersten Staffel sind auf gängigen Plattformen abrufbar. Die zweite Staffel soll in diesem Jahr erscheinen. „Schon jetzt ein großes Dankeschön an die Kolleginnen und Kollegen, die mir die Freiräume einräumen, an diesem Projekt weiter zu arbeiten“, sagt Polewka, die sich darüber freut, dass auch Mischa Krumpe wieder mit an Bord ist.
Die Podcasts des „Mannheimer Morgen“
- Mensch Mannheim: Alle zwei Wochen samstags sprechen die Lokalchefs Florian Karlein und Timo Schmidhuber mit einem Gast über drei Themen, die die Stadtgesellschaft bewegen.
- Mannheim kompakt: Werktäglich um 16 Uhr das Nachrichten-Update frisch aus der Redaktion.
- Buwe Gebabbel: Thorsten Hof und Alexander Müller sprechen jeden zweiten Mittwoch über alles, was den SV Waldhof bewegt.
- Adler-Check: Christian Rotter und Philipp Koehl diskutieren die aktuelle Lage bei den Adlern Mannheim – in der Saison alle zwei Wochen freitags.
- Fred Fuchs fragt nach: Der Kinder-Podcast in Kooperation mit Radio Regenbogen. Jeden ersten Freitag im Monat.
- Verbrechen im Quadrat: Wahre Kriminalfälle aus der Region. Neue Staffel in Planung.
- WeiterLeben: Agnes Polewka porträtiert Verstorbene, die etwas in der Region bewegt haben – einfühlsam und ausdrucksstark. Nominiert für den Theodor-Wolff-Preis.
- Migrationsstadt Mannheim: Was haben Menschen mit Migrationserfahrung in Mannheim erlebt? Joschka Moravek erzählt ihre Geschichten.
- Ppppodcast: Sebastian Koch stottert. Mal schwächer, häufig stärker, immer hörbar. Was bedeutet das für Alltag und Beruf? Ausgezeichnet mit dem Axel-Springer-Preis.
- Alle Podcasts finden Sie hier.
Der Tontechniker produziert fast alle Podcasts des „Mannheimer Morgen“ und hat für „WeiterLeben“ auch die Musik komponiert. „Die größte Herausforderung war es, die Geschichten und Emotionen der Menschen mit der richtigen Balance aus Respekt und Authentizität auch in der Produktion und den verschiedenen musikalischen Themen zu fassen“, sagt er am Donnerstag. „Jede Episode sollte berühren und würdevoll Erinnerungen bewahren, aber auch Freude am Leben und Hoffnung verkörpern.“
Ein Format, dass den Tod aufarbeitet und das Leben feiert
„MM“-Chefredakteur Karsten Kammholz und Florian Kranefuß, Geschäftsführer der HAAS Mediengruppe, der der „Mannheimer Morgen“ angehört, haben Polewka zur Preisverleihung nach Berlin begleitet. Der Redakteurin sei etwas ganz Besonderes gelungen. „Ein Nachrufe-Format, das mit großem Einfühlungsvermögen den Tod eines geliebten Menschen aufarbeitet, die Angehörigen würdigt und das Leben feiert“, erklärt Kammholz.
„Wir sind dankbar und stolz, mit Agnes Polewka nach 1974 und 1987 beim ,MM’ wieder eine Theodor-Wolff-Preisträgerin in unseren Reihen haben zu dürfen“, freut sich Kranefuß. „Damit beflügelt sie unsere Strategie, mit Kreativität und Qualitätsjournalismus zum digitalen Medienunternehmen zu werden.“
Nach der Verleihung ist der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Rundfunkkommission, Alexander Schweitzer (SPD), als einer der ersten Gratulanten bei Polewka - unter Pfälzern wird natürlich im Dialekt gesprochen. Und man kann sicher davon ausgehen, dass auch in diesem Small-Talk viel gelacht worden ist. Denn wie die Liebe und der Tod gehört eben auch das Lachen zum Leben dazu - für Agnes Polewka sowieso. Und an diesem Abend allemal.
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