Christian Berg kennt viele Ideen, um die Welt zu retten. Seit Jahrzehnten beobachtet der Physiker, der auch Theologie und Philosophie studiert hat, die weltweiten Strategien, um den Klimawandel zu stoppen. An diesem – für einen Mai viel zu heißen – Sonntag steht er am Rednerpult im klimatisierten Mozartsaal im Rosengarten. Er ist Gastredner beim Frühjahrsempfang, sozusagen der Stargast. Der Mann, der aufzeigen soll, dass Mannheim mit seinem Ziel, bis 2030 klimaneutral werden zu wollen, nicht auf dem Holzweg ist.
Christian Berg
- Christian Berg setzt sich auf vielfältigen Ebenen für Nachhaltigkeit ein: in der Wirtschaft, in der Lehre an Universitäten, in Zivilgesellschaft beim Club of Rome, einer Organisation für Nachhaltigkeit in der Zukunft.
- Er hat Physik, Theologie und Philosophie studiert.
- Heute lebt er in Kiel, ist als Nachhaltigkeitscoach unterwegs und lehrt an verschiedenen Universitäten in Deutschland.
- Er war unter anderem auch bei der SAP als Nachhaltigkeitsmanager angestellt. abo
Berg kennt die Region, war mal Nachhaltigkeitsmanager bei SAP, lebt nun aber in Kiel. „Ist Nachhaltigkeit utopisch?“ Diese Frage stellt er den Bürgerinnen und Bürgern. Und er gibt eine deutliche Antwort: „Ein entschiedenes Nein!“ Berg glaubt, „die Zeit für Nachhaltigkeit ist gekommen“. Man sei an einem „gesellschaftlichen Kipppunkt“ angekommen, sagt er, an dem nicht mehr nur geredet werde, sondern Umsetzung erfolge. „Unternehmen verpflichten sich zu ambitionierten Klimazielen“, zählt Berg auf: „Investoren ziehen sich aus fossilen Energien zurück“, Gerichte würden in ihren Urteilen dem Handlungsdruck Rechnung tragen, außerdem seien Technologien für den Wandel vorhanden. „Bald wird Solarstrom günstiger sein als der aus bestehenden Kohlekraftwerken“, so der Experte.
Hätte das nicht schneller gehen können? Berg kennt die Zweifel – und das Problem: „Wir haben gedacht, dass durch die Einsicht schon die Verwandlung folgt. Erst später haben wir verstanden, was die wirtschaftlichen Folgen bedeuten.“ Berg weist auf die Zusammenhänge hin, unterstreicht die These, dass Ungleichheit im Einkommen Einfluss habe auf das gesellschaftliche Miteinander. „Je größer das Gefälle, desto größer die Probleme.“ Deshalb sei Mannheim mit den Zielen Bildungsgleichheit und Armutsbekämpfung auf dem richtigen Weg. Allein der Prozess dahin sei ein „wichtiges Zeichen“, er stärke den Zusammenhalt und das Wohlbefinden der Menschen.“ Global denken, lokal handeln, das sei die Maxime.
Zeit reif für eine autofreie City?
Es lohne sich, die großen Ziele auf die lokale Ebene herunterzubrechen, so Berg. Zum einen brauche es für den Wandel das eigene Handeln, zum anderen klare Regeln des Staates. Was Mannheim sich vorgenommen hat, sei „bemerkenswert“, findet Berg. Vielleicht utopisch? Der Fachmann schließt seine Rede fordernd, aber optimistisch: „Veränderung kann rasch gelingen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Ob die Zeit reif ist, das hängt von uns ab.“
Und? Ist die Zeit reif für einen Verkehrsversuch mitten in der City? Das fragt die Redaktion im Anschluss an die Rede. Konkret könne er dazu nichts sagen, weil er die Hintergründe der Stadtverwaltung nicht kenne, sagt Berg, aber er ahnt, woran es bei solchen Projekten hapert: „Manchmal fehlt einfach noch der große Konsens, um Dinge umzusetzen.“ Hält er die Umsetzung des 9-Euro-Tickets denn für ein kluges Nachhaltigkeitsprojekt? „Erstmal ja. Es kann beim Umdenken des Einzelnen helfen“, sagt Berg. Vor allem in Regionen wie dieser, denn: „Sie verfügen hier über einen sehr gut ausgebauten Nahverkehr“, aber auf dem Land helfe das 9-Euro-Ticket wohl wenig.
Radcheck als Besuchermagnet
Wie wichtig schon vielen Mannheimern das Rad ist, zeigt sich vor dem Rosengarten. In der Mittagshitze stehen sie Schlage, um den kostenlosen Radcheck zu nutzen. Das Rennrad von Hannes Mellinghaus hängt bereits am Diagnoseständer, und Radcheck-Experte Nico Netzer zeigt das Problem: „Die Tretkurbel ist ausgeleiert.“ Gefährlich. Mellinghaus hatte es geahnt. Deshalb war er zum Rosengarten gekommen, wollte sich beraten lassen, bevor er in den Laden geht und dort vielleicht zu viel Geld ausgibt. Netzer sagt ihm nun, was er genau braucht und vor allem, was nicht. Für Mellinghaus hat der Besuch beim Frühjahrsempfang damit schon den Zweck erfüllt. „Ich bin Student. Wenn ich weiß, wo ich Geld sparen kann, hilft mir das enorm.“
Experiment zum Umdenken
Weniger Andrang herrscht beim Parcours der Klimaschutzagentur. „Den Leuten ist es heute zu heiß“, glaubt Caroline Golly. Auf dem Maimarkt sei das Projekt ein Riesenerfolg gewesen. Auf dem Parcours können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entdecken, wie und wie viel Kohlendioxid sie einsparen können. Bildlich und praktisch demonstriert die Klimaschutzagentur effiziente Möglichkeiten im Alltag, wie zum Beispiel die, im Winter die Zimmertemperatur einfach mal ein Grad niedriger einzustellen. „Würden Sie alle unsere Ideen umsetzen, würden Sie 2,3 Tonnen Kohlendioxid einsparen“, verrät Caroline Golly.
Nachhaltigkeit spielt auch an vielen Ständen im Rosengarten eine Rolle. Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung etwa wirbt mit der „Bohnen-Challenge“, einer tätowierten Bohne, aus der beim Wachsen ein tätowiertes Blatt hervorgeht. „Wir bilden Lehrer aus, dass sie mit Experimenten an die Schulen gehen. Dadurch entstehen Gärten, der Umweltschutz wird vorangetrieben, und Nachhaltigkeit setzt sich in den Köpfen der Schüler fest.“ Es scheint: Die Zeit ist reif. Zumindest in Mannheim.
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