Stadtentwicklung

Nach zehn Jahren: So läuft die Konversion in Mannheim

Bei der Konversion in Mannheim wurden viele Visionen umgesetzt. Ein Symposium zieht nach zehn Jahren eine Zwischenbilanz. Diskutiert wurde über das fast autofreie Konzept auf Franklin

Von 
Valerie Gerards
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So sah es auf Franklin noch vor fast genau drei Jahren aus. © Bernhard Zinke

Mannheim. Welche Meilensteine hat es bei der Konversion der amerikanischen Militärgelände in Mannheim gegeben? Und welche Ziele und Herausforderungen hat es in den vergangenen zehn Jahren gegeben, in denen in den überplanten Stadtvierteln Turley, Taylor, Franklin und Spinelli insgesamt 350 Hektar neuer Lebensraum entstanden ist? Darüber diskutierten zahlreiche Verantwortliche und Planungsexperten am Mittwochabend bei einem zweitägigen Stadtentwicklungssymposium in der Festhalle Baumhain im Luisenpark.

Beklemmung habe Oberbürgermeister Peter Kurz eigenen Angaben zufolge damals empfunden, als der Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Mannheim angekündigt worden ist. „Was machen wir jetzt mit dem ganzen Platz? 12 000 Soldaten. Mit ihren Familien verlassen 25 000 Menschen die Stadt. Was geht da an Kaufkraft, Arbeitsplätzen und Infrastruktur verloren?“, habe er sich damals gefragt.

Die Sorge des Oberbürgermeisters ging 2008 so weit, dass er mit dem stellvertretenden Verteidigungsstaatssekretär im US-amerikanischen Pentagon darüber gesprochen hat, ob der Abzug der US Army in der Region verlangsamt werden könne.

Eine gesellschaftliche Vision

Kurz erinnerte daran, dass der Abzug dann radikal durchgezogen worden sei. Die Stadt habe darauf mit Steuerungsfähigkeit reagiert: „Sprich: Kaufen! Sonst wäre auf den Konversionsflächen etwas ganz anderes passiert.“ Der Erfolg der Mannheimer Konversion sei vor allem darauf zurückzuführen, eine entscheidende Fragestellung zu ändern: Nicht wie man diese riesige Fläche füllen kann, sondern welchen Nutzen die Stadt aus den Arealen ziehen könne.

Wenn ich eine Vision habe, dass da draußen Klein-Mannheim entsteht, dann muss ich die Leute fragen, was sie bewegen könnte, dorthin zu ziehen.
Peter Kurz OB in Mannheim

„Wenn ich eine Vision habe, dass da draußen Klein-Mannheim entsteht, dann muss ich die Leute fragen, was sie bewegen könnte, dorthin zu ziehen“, sagte Kurz. Selbstverständlich habe es dabei auch Kompromisse gegeben; etwa im Wohngebiet Sullivan auf Franklin, wo jeder Interessent erstmal bauen durfte.

Jetzt würde nachträglich verdichtet, die gesellschaftliche Vision sei dort ein bisschen abgeschliffen. „Ich würde mir wünschen, dass Gemeinderäte heute hier wären - vorhin war eine von 48 da. Woher sollen sonst Visionen und Inspiration für die Abstimmungen kommen?“, kritisierte das bald scheidende Stadtoberhaupt.

Ärger um autofreies Verkehrskonzept auf Franklin

Mehrfach war die kontrovers geführte Diskussion über das Mobilitätskonzept auf Franklin ein Thema bei dem Stadtentwicklungssymposium. Viele Menschen seien gerade wegen des fast autofreien Verkehrskonzepts dorthin gezogen. Aber die Verkaufsabteilungen der Investoren hätten den Käufern oft Parkplätze vor dem Haus versprochen, meinte Kurz.

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Deshalb gebe es nun Brüche innerhalb der Bewohner. Klaus-Jürgen Ammer, Konversionsbeauftragter der Stadt Mannheim, betonte, dass man nach Franklin gut über das Verkehrskonzept auf Spinelli nachdenken müsse. Stefanie Bremer, die eine Professur für Verkehrsplanung und Mobilitätsentwicklung an der Universität Kassel innehat, kritisierte, dass es an einem Standort im suburbanen Raum zunächst eine Antriebswende gebraucht hätte, bevor eine Verkehrswende umgesetzt werde.

Grüne Konversion in Mannheim in Teilen gelungen

Auch wenn eine Bilanz laut Kurz erst in 20 oder 30 Jahren gezogen werden könne, so fiel das Zwischenfazit beim Symposium recht positiv aus. Gerhard Hauber vom Studio Ramboll Dreiseitl verdeutlichte, dass es auf Turley, Taylor, Franklin und Spinelli vor der Konversion 45 Prozent versiegelte Fläche gegeben hätte. Jetzt seien es nur noch sechs. „Die grüne Konversion ist in Mannheim in großen Teilen gelungen“, sagte der Landschaftsarchitekt.

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Architektin Kerstin Schultz von Liquid Architekten präsentierte anhand von Fotos ihre Erkenntnisse, die sie bei einem Spaziergang durch Franklin gewonnen hatte: In den gemeinschaftlichen Wohnquartieren gehen die kleinen Freisitze der Bewohner in einen großzügigen, grünen, öffentlichen Raum über. In den Wohnquartieren mit Eigenheim hingegen, in denen man eigentlich Großzügigkeit erwarten würde, gebe es beengende Zäune, Grundstücke mit Rollrasen und viele Autos vor der Tür.

Was nach der Konversion kommt

Die Konversion, die in Mannheim nicht erst 2008 mit dem Abzug der US Army, sondern eigentlich vor 150 Jahren mit dem Schleifen der Festung nach 1789 begann, sei keineswegs abgeschlossen. Dies verdeutlichte Hanno Ehrbeck, Leiter des Fachbereichs Geoinformation und Stadtplanung der Stadt Mannheim.

Die langfristige Prognose gehe zwar von einem langsameren Bevölkerungswachstum in den 2030er-Jahren aus: „Allerdings haben wir auch die Erfahrung gemacht, wie schnell solche Prognosen durch externe Faktoren überholt werden können.“ Wenn es gelinge, Menschen und Unternehmen für Mannheim zu begeistern, werde weiterhin neuer Wohn- und Arbeitsraum benötigt.

Ehrbeck zählte viele neue Perspektiven für die Entwicklung der Stadt auf: Reicht Neckarau nach dem Ende der Kohleverstromung irgendwann bis zum heutigen Großkraftwerk? Sind die riesigen ebenerdigen Parkplätze am Technoseum und an vielen anderen Stellen der Stadt in der Zukunft noch gewollt? Werden die Spaghettiknoten - die Überfahrtsbauwerke der großen Rheinbrücken - eines Tages verschwinden? Vieles, was heute unrealistisch und visionär erscheint, könnte in der Zukunft Realität werden.

Freie Autorin

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