Mannheim. Im Juni wird ein Kleinkind von einem herabfallenden Ast im Luisenpark getroffen. Es kommt mit leichten Blessuren davon. Doch der Schreck bei der Familie sitzt tief und lässt ihnen keine Ruhe. Vor allem, weil nur eine Woche später ein schreckliches Unglück passiert: Ein Vater wird auf einem Spielplatz vor den Augen seiner Frau und Kinder von einem herabfallenden Ast erschlagen. Sie fragen sich, ob im Luisenpark weitere Äste herunterfallen und ein anderes Kind möglicherweise tödlich verletzen könnten.
Das ist passiert: Das Ehepaar Marke ist mit ihrem zweijährigen Enkelsohn wie jeden Freitagnachmittag im Luisenpark. Wegen der Hitze besuchen sie den Wasserspielplatz am Fernmeldeturm. Gegen 17.30 Uhr befindet sich das Kleinkind allein in dem Wasserbecken mit der Handpumpe neben der großen Platane. Der Großvater sitzt etwa 20 Meter entfernt auf einem Stuhl, während die Großmutter neben dem Becken steht und auf den Kleinen aufpasst. „Plötzlich hörten wir über dem Becken ein lautes Knacken und dann fiel aus ein etwa drei Meter langer Ast direkt in das Becken, auf unseren Enkel“, erinnert sich Roland Marke. Die Bruchstelle des Astes trifft das Kind am Kopf und drückt ihn, der im Becken sitzt, unter Wasser.
Kopfprellung und Abschürfungen an Rücken, Schulter und Beinen
Die Großmutter reagiert geistesgegenwärtig, springt ins Becken und holt den Kleinen unter dem Ast hervor. Er schreit vor Schreck und wohl auch vor Schmerzen, da sich sehr schnell eine Beule am Hinterkopf bildet. Die herbeigerufenen Rettungssanitäter kommen schnell, untersuchen das Kind und fahren mit ihm in die Kinderklinik im Uniklinikum. Die behandelnde Ärztin stellen eine Kopfprellung und Abschürfungen an Rücken, Schulter und Beinen fest.
„Ich vermute, dass der höher gelegene Brunnen, die Fallrichtung des Astes etwas veränderte und unser Enkel nicht direkt auf den kleinen Schädel getroffen worden ist. Nicht auszudenken, wie das dann ausgegangen wäre“, berichtet Marke weiter. Der Schrecken sitzt bei allen tief. Die Großmutter habe hemmungslos geweint, ein enger Freund der Familie geht der Sache selbst nach. Er sieht in größerer Höhe noch mehr trockenes Astmaterial und kritisiert, dass der Bereich um den Baum nicht abgesperrt worden ist. Er befürchtet, dass der Baum vom Massaria-Pilz befallen ist und andere Menschen verletzten wird.
Platane laut Luisenpark nicht von Pilz befallen
Auf Anfrage des „MM“ erklärt Geschäftsführer Michael Schnellbach, die Verkehrssicherungspflicht im Luisenpark und diesen Fall überaus ernst zu nehmen. Bei dem betroffenen Baum handelt es sich demnach um eine Platane, die letztmalig Ende September 2024 als gesund und schadensfrei begutachtet wurde. Unmittelbar nach dem Vorfall wurde der Baum, insbesondere die Bruchstelle begutachtet, beurteilt und dokumentiert. „Es konnten keine erkennbare Schädigung und kein Anhaltspunkt für eine weitere Gefährdung festgestellt werden. Insbesondere ist die Platane nicht von dem sogenannten Massaria-Erreger, ein Pilz, der seit Anfang der 2000er in Süddeutschland nachgewiesen und verbreitet ist, befallen. Dieser führt bei Platanen zu schneller Totholzbildung an den Ästen, die dann entsprechend abfallen, was im vorliegenden Fall nachweislich nicht zutrifft“, versichert Schnellbach.
Ein speziell geschultes Team kümmert sich um die rund 2.100 Bäume im Luisenpark. Drei Baumpfleger begutachten die Bäume, die teilweise erst vor wenigen Jahren gepflanzt wurden, teilweise auch schon über 100 Jahre alt sind, regelmäßig und entfernen im Bedarfsfall Äste oder notfalls auch ganze Bäume.
In den Mannheimer Stadtparks wird jeder einzelne Baum laut Schnellbach intensiv, gründlich und mit allen notwendigen Mitteln angeschaut und beurteilt. Diese Berichte sind Bestandteil eines Baumkatasters, das die Lebensgeschichte sowie alle Ereignisse jedes Baumes widerspiegelt. „Gerade aufgrund des großen Publikumsverkehrs und weil wir uns der Verantwortung für unsere Besucher, ob groß, ob klein, sehr bewusst sind, gehen wir weit über unsere gesetzlichen Kontrollpflichten im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht hinaus“, erklärt der Luisenpark-Chef weiter.
Grünastbrüche sind ein schon länger bekanntes Phänomen
So werden die Bäume nicht im vorgegebenen Zwölf-Monatsrhythmus, sondern im Abstand von nur neun Monaten beurteilt. Der Grund: Auf diese Weise werden die Bäume jedes Mal während einer anderen Jahreszeit und somit bei unterschiedlichen Vitalständen begutachtet. In Bereichen um Spiel- und Sportgeräte sowie an den Wasserspielplätzen sind die Kontrollintervalle sogar deutlich kürzer: Hier erfolgen Zwischenkontrollen spätestens alle drei Monate.
Wie engmaschig die Kontrollen auch sind: Es ist kaum vorhersehbar, an welchem Baum ein grüner, also belaubter Ast brechen und herabfallen könnte. Grünastbrüche sind ein schon länger bekanntes Phänomen. Die betroffenen Bäume sind weder alt noch krank. Sie stellen ein unvorhersehbares Risiko für die Verkehrssicherheit dar, da im Rahmen einer Baumkontrolle von außen keine Symptome oder Warnsignale erkennbar sind.
Aktuell lässt sich dieses Phänomen weder zufriedenstellend erklären noch vorhersagen. „Das Thema Grünastbruch im Zusammenhang mit den klimatologischen Veränderungen stellt nicht nur uns, sondern alle Fachleute landauf, landab, vor große Herausforderungen und ist wissenschaftlich noch nicht abschließend erforscht“, sagt Schnellbach.
Im Juni starb zudem ein Vater auf einem Spielplatz in Heidelberg, als er von einem herabstürzenden Ast getroffen wurde. Rund zwei Monate später stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, nachdem Gutachter den Astbruch als unvorhersehbaren Unfall eingestuft hatte.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Grünastbrüche - ein fatales Phänomen