Mannheim. Nachdem Melis Sekmen einen Beitrag des „ZDF Magazin Royale“ kritisiert hat, hat der Sender seine Kritik erneuert. Die Bundestagsabgeordnete hätte eine finanzierte Reise nach Boston nicht transparent gemacht, wirft der Sender ihr vor. Sekmen wehrt sich dagegen erneut. Indes äußern sich auch die anderen Mannheimer Bundestagsabgeordneten zu ihren Reisen.
Worum ging es in dem Beitrag von Jan Böhmermann ursprünglich?
Der Moderator hatte am 20. Oktober Reisen der Abgeordneten aufgegriffen. Er kritisiert, dass sie sich Reisen auch von Lobbyorganisationen oder Stiftungen finanzieren ließen - und dies nicht immer transparent darlegten. In diesem Zusammenhang geht Böhermann auf eine Reise Sekmens im Sommer nach Boston ein, deren Kosten die Bosch-Stiftung bezahlt hat.
Er kritisiert, dass die Politikerin während dieser Reise ein Bild einer Veranstaltung an der Universität gepostet hat, die mehr als einen Monat zurücklag und suggeriert, sie habe so die Reise verschleiern wollen. Von der Reise selbst fände sich nichts auf Sekmens Kanälen.
Wie reagierte Sekmen auf die Kritik?
Anfang vergangener Woche erklärte Sekmen dieser Redaktion, dass die Reise im Rahmen eines Weiterbildungsprogramms der Stiftung erfolgt sei, an dem sie teilnimmt. Sie habe sich in Boston in einem Seminar in Managementskills, Demokratieverständnis, Umgang mit Populismus und politischer Gestaltung eines Landes fortgebildet. Die Kostenübernahme von 8879,84 Euro habe sie auf ihrem Bundestagsprofil öffentlich gemacht und auf dem beruflichen Netzwerk LinkedIn das Zertifikat für das Seminar angegeben. Dass sie während der Reise ein Bild einer Veranstaltung gepostet hat, erklärt sie mit redaktionellen Gründen. Der ZDF-Redaktion warf Sekmen vor, über die Hintergründe der Reise Bescheid gewusst zu haben und den Beitrag „völlig undifferenziert“ und „aus dem Zusammenhang gerissen“ dargestellt zu haben.
Wie reagiert nun das ZDF auf Sekmens Kritik?
Das ZDF erneuert seine Kritik. Die ziele gar nicht auf die Teilnahme an der Reise an sich ab, „sondern darauf, dass sie diese Reise nicht wie andere Reiseteilnehmende vollständig transparent gemacht hat“. Auch die Kritik am Foto hält das ZDF aufrecht. Zudem sei der Hinweis im Bundestagsprofil allgemein gehalten - „Grund und Zusammenhang der Zuwendung werden nicht erläutert“.
In einer ersten Recherche im September habe die Redaktion Sekmen in einer Mail - die an alle Abgeordneten ging - einen Fragenkatalog zu Dienstreisen gestellt, „und hierbei explizit auch nach Reisen auf Kosten von Stiftungen gefragt“. Konkret hieß es: „Wie viele Dienstreisen haben Sie in der laufenden Legislaturperiode als Mitglied des Deutschen Bundestages unternommen? Ich würde Sie darum bitten, jeweils den Zweck der Reise, den Zeitraum, das geografische Ziel und die Gesamtkosten aufzuschlüsseln.“ In Unterpunkt e) wird gefragt: „Welche dieser Dienstreisen hat eine andere Institution, etwa eine Organisation, eine Stiftung oder ein Unternehmen bezahlt? Bitte geben Sie die Institution an.“ Sekmen hat die Reise nicht angegeben. Zudem habe sie am 13. Oktober „weitere Fragen“ erhalten, „die unbeantwortet blieben“.
Was entgegnet die Bundestagsabgeordnete?
Sekmen erklärt, die Reise sei „gemäß den Regeln des Deutschen Bundestags veröffentlicht“ worden. Zum Zeitpunkt der Recherche seien alle Informationen, die veröffentlicht werden mussten, öffentlich gewesen. „In der ersten Mail des Mediums ging es um Reisen, die in der Regel vom Steuerzahler bezahlt werden - worunter die Reise mit der Robert Bosch Stiftung nicht fällt.“ Sie habe sich „bewusst“ für den Post der Veranstaltung entschieden und dabei auch ein Foto verwendet, das das Datum des Vortrags zeige. „Das ist kein Ergebnis einer findigen Recherche, denn ich habe mich bewusst entschieden, dieses Bild zu posten, um zu zeigen, wann dieser Vortrag stattgefunden hat“, kritisiert sie. „Das ZDF suggeriert, es hätte etwas herausgefunden. Das ist nicht der Fall.“ In den Tagen vor dem Beitrag habe sie sich mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschäftigt, das der Bundestag am 23. Juni verabschiedet hat. Das Bild postete Sekmen am 28. Juni. Die Frage, weshalb sie auf die Mail am 13. Oktober nicht geantwortet hat, lässt Sekmen unbeantwortet. Menschen sei es wichtig, dass Politik die wirtschaftspolitischen Herausforderungen, „denen ich mich mit voller Kraft widme“, löse. „Die Frage, wann ich welchen Post auf Instagram mache,“ dürfte „für die meisten zweitrangig sein“.
Wie antworteten die anderen Mannheimer Abgeordneten?
Isabel Cademartori (SPD) und Konrad Stockmeier (FDP) erklären, die Anfrage nicht beantwortet zu haben. Sie kritisieren die Darstellungsformen, denen sich das Magazin bediene, das auch satirisch arbeitet. „Solche Sendungen arbeiten typischerweise mit verkürzten Informationen, die oft aus dem Kontext genommen werden und nicht vollständigen Sachverhalt widerspiegeln“, teilt Cademartoris Büro mit. Ähnlich argumentiert Stockmeier. Gökay Akbulut (Linke) hat geantwortet.
Welche Reisen haben die Abgeordneten unternommen?
Akbulut war bei der UN-Frauenrechtskonferenz in New York, was vom Familienausschuss finanziert wurde, und hat an einer Delegationsreise nach Armenien und Georgien teilgenommen, die vom Bundestag finanziert wurde. Cademartori erklärt dem „Mannheimer Morgen“, an einer von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung bezahlten Reise nach Kalifornien teilgenommen zu haben, die im Rahmen des transatlantischen Dialogprogramms stattgefunden hat. Zudem sei sie mit Budget des Bundestags insgesamt zwei Tage in Brüssel gewesen, um an Sitzungen des Europäischen Parlaments teilzunehmen. In Brasilien habe sie sich als Leiterin des SPD-Gesprächskreises Lateinamerika mit der neuen Regierung ausgetauscht. Die Flüge bezahlte der Bundestag, Unterkunft und Verpflegung die Ebert-Stiftung. Stockmeier erklärt, als Mitglied des EU-Ausschusses zu Beginn der schwedischen Ratspräsidentschaft mit einer Delegation zu Gesprächen in Stockholm gewesen zu sein. Als Mitglied der Arbeitsgruppe Europa der FDP-Fraktion war er zudem zu Gesprächen mit anderen liberalen Politikern aus Europa in Brüssel. Die Kosten seien teils vom Bundestag, teils von der FDP-Fraktion übernommen worden. Die Fraktionen werden über Steuergelder finanziert.
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