Gemeinderat

Nach Kurz' Entscheidung sind Etatreden im Gemeinderat nur noch Nebensache

Der Verzicht des Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz auf eine erneute Kandidatur ist am Tag danach auch großes Thema im Gemeinderat, obwohl eigentlich anderes auf der Tagesordnung steht

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Steffen Mack
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Oberbürgermeister Peter Kurz (r.) will nicht mehr kandidieren, Kämmerer Christian Specht lässt weiter offen, ob nun er das vielleicht möchte. © Thomas Tröster

Mannheim. Das letzte Mal - das wird Peter Kurz im nächsten Dreivierteljahr noch häufig erleben. Doch an diesem Donnerstag ist es zugleich eine Premiere: die erste Gemeinderatssitzung am Tag, nachdem der SPD-Oberbürgermeister für viele überraschend den Verzicht auf eine erneute Kandidatur erklärt hat. Deswegen muss zwar nicht gleich die Mannheimer Stadtgeschichte neu geschrieben werden. Aber ein sehr interessantes neues Kapitel dürfte sich nun gleichwohl auftun.

Zu Sitzungsbeginn äußert Kurz die Erwartung, oder vielleicht auch nur die Hoffnung, dass auch in den kommenden Monaten in der Lokalpolitik weiter Sachthemen dominieren. An diesem Tag tun sie es, jedenfalls am Rednerpult. Was der Oberbürgermeister dann als Erstes letztmals hört, sind die Etatreden der Fraktionsvorsitzenden. Die sind natürlich großteils ganz hervorragend. Doch es steht nicht unbedingt zu erwarten, dass der scheidende Amtsinhaber danach bittere Abschiedstränen in sein Kissen weinen muss.

Unklare Lage bei den Grünen

Aber interessant sind nunmehr eben nicht nur die politischen Aussagen, sondern auch - mit stark steigender Tendenz - die Protagonisten. Zumal bei zwei der drei größten Fraktionen völlig offen ist, wenn sie am 18. Juni 2023 ins Rennen schicken.

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Eine davon sind die Grünen. Deren Etatrede hält Nina Wellenreuther. Ihr Name wird einem bei der Frage nach einer möglichen OB-Kandidatin eher nicht genannt. Das spricht aber nicht gegen die 26-Jährige, sondern liegt daran, dass sie erst im Frühjahr etwas überraschend zur zweiten Fraktionsvorsitzenden neben Stefanie Heß gewählt wurde. Diesen Posten hatte Melis Sekmen nach ihrer Wahl in den Bundestag geräumt. Um ihn wieder zu besetzen, brauchten die Grünen mehrere Monate und eine Kampfabstimmung (zwischen Wellenreuther und Gerhard Fontagnier). Ob die jetzt anstehende Kandidatinnen-Kür reibungslos und schnell geht, muss sich zeigen. Auf wen es hinauslaufen könnte, ist jedenfalls noch müßig zu spekulieren.

Ganz anders sieht es bei jenem Mann aus, der nach Wellenreuther ans Mikrofon tritt: Dass Thorsten Riehle für die SPD kandidieren wird, gilt im Wortsinne als bereits ausgemacht. Aber seine Partei will erst ihre Gremien informieren, bevor sie ihre Entscheidung öffentlich macht. Wer daher von Riehle am Donnerstag eine Bewerbungsrede als Stadtoberhaupt erwartet hätte, würde enttäuscht. Man muss es auch nicht überbewerten, dass der 52-Jährige beim Thema Sauberkeit deutliche Kritik an der Stadtverwaltung äußert. Das kannte man von der SPD-Fraktion früher zwar nicht so. Aber seit Riehle vor zwei Jahren den Vorsitz übernommen hat, gab es bereits die eine oder andere Konfrontation. Es wäre keine Überraschung, wenn Riehle nicht nur mit einer „Alles bleibt so prima wie bisher“-Devise in den Wahlkampf ginge.

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Völlig abwegig wäre das natürlich für Claudius Kranz, der Nächste am Rednerpult. Vor einigen Wochen hatte der CDU-Fraktionschef Kurz vorgeworfen, der Sozialdemokrat hinterlasse lauter Probleme, die dann ein neues, christdemokratisches Stadtoberhaupt lösen müsse. Das wurde da und dort als etwas nassforsch empfunden. Zumal für den bisherigen Kurs der Stadtspitze ja auch Kranz’ Parteifreund Christian Specht steht. Der Erste Bürgermeister würde vielen als mit Abstand aussichtsreichster CDU-Aspirant gelten. Doch ob der 56-Jährige - der stets erklärt hatte, nicht gegen Kurz antreten zu wollen - nach dessen Verzicht zur Kandidatur bereit ist, bleibt offen. Auch im Gemeinderat lässt er sich nichts anmerken. Als Specht vor Sitzungsbeginn im Plenum jemand auf seine möglichen Ambitionen angesprochen hat, ist er schnell weitergegangen.

Harmonisches Spitzenduo

Dass Kämmerer und Oberbürgermeister nebeneinander harmonisch wie immer wirken, muss nichts bedeuten. Auch gelegentliche Blicke auf die anderen Dezernenten, diesmal alle in einer Nebenrolle, liefern keine neuen Erkenntnisse. Dass etwa Diana Pretzell (Grüne) und Ralf Eisenhauer (SPD) an deutlich kleineren Tischen am Rande sitzen, ist nur so, weil ans Podium aus Abstandsgründen lediglich vier Bürgermeister passen. Dort sitzt neben Kurz und Specht am Donnerstag zunächst nur der Grüne Dirk Grunert. Dass der Stuhl von Michael Grötsch leer bleibt, hat allerdings eine profane Ursache: Der CDU-Bürgermeister kommt etwas zu spät.

Auch Gespräche mit einzelnen Mitgliedern des Gemeinderats am Rande der Sitzung bringen keinen neuen Nachrichtenstoff (jedenfalls noch nicht). Interessant ist aber, dass der eine oder andere Kurz‘ Verzicht gar nicht so überraschend findet: So habe der 60-Jährige zuletzt in mancher Sitzung ziemlich genervt gewirkt. Das ist jetzt nicht mehr zu beobachten. Auch beim Interview mit dem „MM“ über seine Gründe war der Eindruck, dass den Oberbürgermeister seine Entscheidung - so schwer sie ihm gefallen sein dürfte - nun auch spürbar erleichtert. Er wirkt mit sich im Reinen. Vielleicht sagt er sich einfach auch immer wieder selbst: Es ist das letzte Mal.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

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