Neugeborene

Nach einem Jahr Pause: Mannheim hat wieder eine Babyklappe

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Neugeborene können in Mannheim in der Babyklappe anonym abgegeben werden. Seit kurzem gibt es auch die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt. © dpa

Mannheim. Als die St. Hedwigsklinik vor gut einem Jahr für immer ihre Pforten schloss, bedeutete das auch das Ende des Babykorbes: In dem gewärmten Bettchen hinter einer öffentlich zugänglichen Klappe sind zwischen November 2002 und Dezember 2020 elf Neugeborene abgelegt worden. Das Diako hat sich entschlossen, dieses Angebot für verzweifelte Mütter weiterzuführen. Das Krankenhaus im Süden der Stadt hält seit kurzem nicht nur am rückwärtigen Teil der Entbindungsklinik einen Babykorb vor, es ermöglicht auch eine sogenannte vertrauliche Geburt.

Zwei Jahre bevor die Hedwigsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am zentralen, aber abgeschirmten Standort in A 2, 5 einen Babykorb eröffnete, ist in Hamburg die deutschlandweit erste Babyklappe überhaupt eingerichtet worden - initiiert vom Verein SterniPark und vor dem Hintergrund, dass in der Hafengroßstadt innerhalb eines Jahres fünf Neugeborene an abgelegenen Stellen, darunter Müllcontainer, ausgesetzt worden waren und drei der Säuglinge starben.

Der neue Babykorb am Diako mit Blickschutz. © Diako

Wärmebettchen, die per Glocke mit einer rund um die Uhr besetzten Wochenstation verbunden sind, gibt es zwar erst seit gut zwei Jahrzehnten, gleichwohl richtete bereits im Jahr 1198 ein Hospital in Rom, das Santo Spirito, so etwas wie eine Babyklappe ein - allerdings als Drehlade. Und die wurde schon bald von kirchlichen Findelhäusern übernommen und später in Deutschland kopiert. Debatten über anonyme Abgabeorte für Säuglinge gab es schon vor Jahrhunderten: Einerseits sollte Kindsmord verhütet werden. Andererseits wollte man aber auch verhindern, dass kranke Säuglinge - wie häufig geschehen - heimlich abgegeben werden.

Mutter öffnet die Klappe drei Mal

Auch heute streiten Ärzte, Psychologen, Politiker, Juristen und Kirchenvertreter über Auffangbettchen als Hilfsangebot: Während die einen den Schutz des Lebens hervorheben, bemängeln andere das Kappen von Wurzeln. Der Deutsche Ethikrat hat 2009 in einer Stellungnahme erklärt, dass zur Identität eines Menschen das Wissen um die eigene Herkunft gehört - ein Recht, das bei einer anonymen Kindesabgabe unberücksichtigt bleibt.

Was eine Frau umtreibt und schließlich bewegt, ihr Neugeborenes wegzugeben, bleibt meist im Dunklen. Dass solch ein Schritt schwerfällt, davon kündet ein Junge, der dem Hedwigs-Babykorb anvertraut wurde. Wie die Innenkamera offenbarte, hat die Mutter drei Mal die Türklappe geöffnet: Zunächst um den gesunden Säugling in das Bettchen zu legen. Etwas später zur Vergewisserung, dass ihr Söhnchen entdeckt und in Obhut genommen worden ist. Schließlich öffnete die Mutter ein weiteres Mal die Klappe, um einen Brief mit einer Botschaft an ihr Kind dem Klinikseelsorger zu hinterlassen.

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Während sich Babyklappen juristisch in einer Grauzone bewegen, ist die vom Gesetzgeber im Jahr 2014 ermöglichte vertrauliche Geburt rechtlich abgesichert. Das Konzept: Frauen können ihr Kind unter einem Pseudonym sicher zur Welt bringen. Vor der Geburt und auf Wunsch auch danach werden sie von einer Beraterin begleitet, die der Schweigepflicht unterliegt. Nur sie erfährt die Identität der Mutter, um einen Herkunftsnachweis für das Kind anzulegen. Dieses verschlossen aufbewahrte Dokument dürfen anonym geborene Heranwachsende ab dem 16. Geburtstag einsehen. Bis zum Abschluss des jeweiligen Adoptionsverfahrens, das üblicherweise ein Jahr dauert, kann sich eine Frau doch noch für ihr abgegebenes Kind entscheiden - wenn sich beispielsweise die persönliche Situation gewandelt hat. Allerdings muss sie dafür ihre Identität preisgegeben. Außerdem prüft das Familiengericht das Kindeswohl.

Zwei Fälle im ersten Jahr

Eine mit Beratung vorbereitete vertrauliche Geburt hat es in den letzten Jahren weder am Diako noch in der St. Hedwigsklinik gegeben. Allerdings brachten mehrere Frauen in den Kreißsälen gegenüber vom Schloss anonym ihr Baby zur Welt - manchmal von einem Klinikseelsorger betreut, der zu einem Brief an das zur Adoption freigegebene Kind motivierte. Seit Schließung der Hedwigsklinik sind im Diako zwei anonyme Geburten als Notfälle erfolgt, wie Krankenhaus-Pressesprecherin Nina Luschnat mitteilt: „Die Mütter haben auf eigenen Wunsch nach wenigen Stunden die Klinik wieder verlassen.“ Versorgt mit Info-Material über Beratungsstellen.

Freie Autorin

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