Soziales - Ungewollte Geburten bringen Frauen und Säuglinge oft in Not / Seit 19 Jahren helfen Babyklappen in Baden-Württemberg

Ausweg für verzweifelte Mütter

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Anika von Greve-Dierfeld
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Blick auf die Babyklappe Karlsruhe. Sie wurde im Juli 2001 eröffnet. © dpa

Karlsruhe. Etwas versteckt, aber mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar liegt sie in einem ruhigen Wohngebiet im Karlsruher Stadtteil Neureut: Die erste Babyklappe im Südwesten ist schon fast 19 Jahre alt und befindet sich in einer Nische in einer unscheinbaren Hauswand. Gut ein Jahr nach der bundesweit ersten Einrichtung einer Babyklappe in Hamburg, die am 8. April 20 Jahre alt wird, ging sie an den Start.

Bisher wurden in den acht Einrichtungen dieser Art, die es im Südwesten inzwischen gibt, über 90 Babys abgegeben. Ob sich darunter auch tote Babys befunden haben, darüber ist laut Sozialministerium nichts bekannt. In Karlsruhe allerdings gab es 2008 einen solchen Fall, berichtet Sozialpädagogin Ursula Kunz vom Diakonischen Werk Karlsruhe – ihres Wissens nach war es der einzige im Südwesten. Die Mutter des toten Kindes hatte sich nie gemeldet. Auch die Todesursache des Babys konnte nicht geklärt werden.

Genau 25 Babys wurden am Karlsruher Standort bisher abgelegt. Wenn der Alarm ausgelöst wird, kümmern sich eine Handvoll Ehrenamtliche darum, dass das Baby umgehend aus dem gewärmten Bettchen geholt und in die Kinderklinik gebracht wird. Bei vier der Babys meldeten sich die Eltern oder Großeltern. Die anderen wurden adoptiert oder kamen in Pflegefamilien.

Generell sei es so, dass sich bei höchstens einem Drittel der Babys die Mutter meldet und das Kind zurückhaben möchte beziehungsweise zurückbekommt. Meist sind es tatsächlich Neugeborene, die abgelegt werden. Absolute Ausnahme: Einmal wurde ein neun Monate altes Kleinkind in die Babyklappe in Karlsruhe gelegt, erzählt Kunz. Zuschüsse vom Land gibt es für Babyklappen nach Auskunft des Sozialministeriums nicht. Sie finanzieren sich über Spenden, private Gönner, kirchliche Stiftungen oder andere Träger.

Hohe Dunkelziffer befürchtet

Die Kosten seien nicht hoch, sagt Carola Strauß, Leiterin des Weraheims in Stuttgart, das ebenfalls eine Babyklappe betreibt. 40 Neugeborene wurden dort seit 2002 abgelegt. Aus Sicht von Strauß gibt es im bevölkerungsreichen Bundesland viel zu wenig Babyklappen. „Die Entfernung zwischen den Standorten ist groß; die Gefahr entdeckt zu werden, für Mütter auf dem Weg dahin hoch“, sagt sie.

Neben den Babyklappen haben Mütter auch die Möglichkeit, in einem Krankenhaus anonym zu gebären, also ohne zu einer Beratung verpflichtet zu sei und vor allem auch ohne dass sie ihre Personalien preisgeben müssen. Vorteil: Sie und das Kind werden medizinisch betreut. Nachteil für das Kind: Es wird später keine Informationen über seine Mutter bekommen können. Zahlen dazu gibt es laut Sozialministerium nicht immer mehr Beachtung findet laut Kunz die vertrauliche Geburt. Vorteil: Mutter und Kind werden medizinisch betreut. Die Mutter hinterlegt zudem ihre Personalien. Ausschließlich das Kind hat das Recht, diese Informationen über die Mutter später zu bekommen. Im Jahr 2018 machten zehn Mütter von der Möglichkeit der vertraulichen Geburt Gebrauch.

Ein kompletter Ersatz für die Babyklappe sind vertrauliche Geburten aber nicht, meint Strauß. Denn manche Frauen schrecke es, dass das Kind später Kontakt aufnehmen könnte und sie wollen unbedingt anonym bleiben. Die Dunkelziffer für getötete Neugeborene schätzt Strauß als hoch ein. „Und sie könnte ohne die Möglichkeiten der Babyklappen noch höher liegen.“ lsw

Acht Anlaufstellen im Südwesten

In Baden-Württemberg gibt es acht Babyklappen. In den Klappen befindet sich ein Wärmebettchen.

  • Die älteste Babyklappe in Karlsruhe-Neureut eröffnetet 2001. Dort wurden bisher 25 Kinder hingebracht.
  • Die Stuttgarter Babyklappe im Weraheim (Diakonie) ging im April 2002 an den Start. Bis heute wurden dort 40 Kinder abgegeben.
  • Die Helios-Klinik in Pforzheim hat seit 2002 eine Babyklappe. Hier wurden sieben Kinder abgegeben.
  • Ebenfalls seit Dezember 2002 gibt es in Mannheim eine Babyklappe. Sie befindet sich in der St. Hedwigklinik: Früheren Angaben zufolge wurden dort sechs Kinder abgelegt. Aktuelle Zahlen gab es zunächst nicht.
  • Das St. Elisabethenkrankenhaus in Lörrach verfügt seit Mai 2008 über eine Babyklappe. Sechs Babys wurden hier abgegeben.
  • In der Babyklappe im Franziskusheim in Villingen-Schwenningen wurden in den zehn Jahren ihres Bestehens vier Kinder abgegeben.
  • In Singen gibt es eine Babyklappe an der DRK-Rettungswache. Sie wurde im April 2010 eröffnet. Sieben Babys wurden dort abgelegt.
  • In Friedrichshafen befindet sich die jüngste Babyklappe. Seit 2012 wurden drei Babys versorgt. lsw

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