Podcast "Ein Platz an der Sonne"

"MM"-Podcast: Was die Straßenumbenennung in Mannheim bedeutet

Vier Straßen im Stadtteil Rheinau-Süd werden umbenannt, um sich von der kolonialen Vergangenheit zu distanzieren. In der letzten Folge des Podcasts "Ein Platz an der Sonne" diskutieren Experten das Thema

Von 
Viktoria Reich
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Die Gustav-Nachtigal-Straße wird zur Marco-Polo-Straße. © Konstantin Groß

Mannheim. Lange haben die Mannheimer auf diesen Tag gewartet: Nun soll das Kapitel der Kolonialgeschichte im Stadtteil Rheinau-Süd endlich abgeschlossen werden. Denn der Gemeinderat beschließt, die Namen von vier Straßen, die nach historisch belasteten Persönlichkeiten benannt sind, zu ändern. Die Straßen trugen bisher die Namen von Gustav Nachtigal, Adolf Lüderitz, Theodor Leutwein und Sven Hedin - allesamt Figuren, die mit Kolonialismus, Rassismus und Nationalsozialismus in Verbindung stehen.

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Bereits im März hatten die Bürgerinnen und Bürger Mannheims die Möglichkeit, über die neuen Straßennamen abzustimmen. Rund 3.400 Menschen nahmen daran teil und wählten folgende Umbenennungen: Aus der Gustav-Nachtigal-Straße wird die Marco-Polo-Straße, die Leutweinstraße wird zur Ida-Pfeiffer-Straße, die Lüderitzstraße wird zur Neumayerstraße und der Sven-Hedin-Weg wird in Isabell-Eberhardt-Straße umbenannt.

Nach langer Debatte beschließt der Gemeinderat die Umbenennung von vier Straßen im Stadtteil Rheinau-Süd

Die Entscheidung zur Umbenennung war ein langwieriger Prozess. Bereits im Jahr 2020 stellte die Grünen Fraktion im Gemeinderat den Antrag, doch erst 2022 wurde dieser offiziell beschlossen - ganz im Sinne der Mannheimer Vereinbarung für Vielfalt, auf die auch Altbürgermeister Peter Kurz im Rahmen der Umbenennung hinweist. „Mit diesem Leitbild der Toleranz und Pluralität ist es tatsächlich nur schwer vereinbar, historische Persönlichkeiten, die für Rassismus, Gewalt, Annexion und Kolonialismus stehen, weiterhin zu ehren“, so die Experten, die im Jahr 2021 ein Gutachten zur Grundlage der Umbenennung verfassten.

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Straßennamen Rheinau-Süd: Marco Polo statt Gustav Nachtigal

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Konstantin Groß
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Auch die Anti-Rassismus Trainerin Nicole Amoussou sieht in der Umbenennung einen notwendigen Schritt. „Wir sollten uns gemeinsam von dieser grausamen Vergangenheit distanzieren“, fordert sie. „Denn wir alle haben dieses Erbe - ob wir nun Schwarz oder Weiß sind.“

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Allerdings ist die Auswahl der neuen Namen nicht unumstritten. Gertrud Rettenmaier vom AK Kolonialgeschichte, die sich seit Jahren für die Umbenennung einsetzt, plädierte für Personen, die nicht aus der überlegenen Perspektive weißer Menschen auf die Welt blicken. Die Umbenennungen, so Rettenmaier, repräsentieren erneut eine eurozentrische Sichtweise, anstatt die Vielfalt und die Kämpfe marginalisierter Gruppen anzuerkennen.

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Entscheidung stößt auf gemischte Reaktionen

Über den Prozess sprechen die beiden Mannheimerinnen in der letzten Folge des Podcast ein Platz an der Sonne. Außerdem geht es darum, wie die Namen überhaupt ins Mannheimer Stadtbild gelangt sind, denn die Geschichte der BASF-Siedlung in Rheinau beginnt mit dem Deutschen Faschismus. Die ursprünglichen Straßennamen ehrten Personen, die das Gedankengut der NSDAP bereits Jahre zuvor in die Welt trugen.

Die Folgen von „Ein Platz an der Sonne“

Folge 1 „Leerstelle“ ab 20. Juni 2024: Philomène ist in Kamerun geboren und aufgewachsen. Mittlerweile arbeitet sie in Mannheim. Trotz einer glücklichen Kindheit überschattet etwas ihre Familiengeschichte. Es hat mit der Kolonialzeit zu tun: Da gibt es eine Leerstelle, die die Deutschen hinterlassen haben – und die sich nicht schließen lässt.

Folge 2 „Ein Haus voll Afrika“ ab 27. Juni 2024: In den 1920ern gibt es in der Mannheimer Oststadt eine Industriellen-Villa. Bis unters Dach stapeln sich Felle, Holzmasken, Stoßzähne, Gewehre und Speere. Woher kommen all diese Dinge – und was hat das Unternehmen Luschka und Wagenmann damit zu tun?

Folge 3 „Alles nur geklaut“ ab 4. Juli 2024: Im Februar 1897 überfallen britische Soldaten Benin City und plündern den Königspalast. Die Benin-Bronzen verkaufen sie in ganz Europa – und so finden sie auch ihren Weg nach Mannheim. Die Reiss-Engelhorn-Museen stehen heute vor einem ethischen und moralischen Dilemma. Wie damit umgehen?

Folge 4 „Die Siedler von Rheinau-Süd“ ab 11. Juli 2024: Im Mannheimer Stadtteil Rheinau-Süd gab es jahrelang Streit über vier Straßennamen: die Gustav-Nachtigal-Straße, die Leutweinstraße, die Lüderitzstraße und den Sven-Hedin-Weg. Warum haben sich die Siedler so lange gegen die Umbenennung gesträubt?

Die heutige Umbenennung ist ein bedeutender Schritt in Richtung einer gerechteren und inklusiveren Gesellschaft, doch die Kontroverse zeigt, dass der Weg zu echter Vielfalt und Pluralität noch weit ist. Und am Ende müssen wir als Gesellschaft entscheiden, wie viel Veränderung wir aushalten können und wie viel Verantwortung wir übernehmen wollen, um eine Gesellschaft zu formen, die nicht von einem rassistischen Blick geprägt ist.

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