Hintergrund

Mit diesem Plan will Mannheim 2030 klimaneutral sein

Erst Streit, dann große Zustimmung: Wie die Stadtverwaltung Mannheims Klimaschutz-Aktionsplan gerettet hat - und warum er wahrscheinlich trotzdem scheitert

Von 
Martin Geiger
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Der Ausbau der Fernwärme und die Umstellung der Erzeugung von Kohle auf andere Energielieferanten ist einer der Punkte, die im Klimaschutzaktionsplan aufgeführt werden. © Thomas Tröster

Mannheim. Rund eineinhalb Jahre ist gesammelt, gerechnet und diskutiert worden, um den Klimaschutzaktionsplan (KSAP) zu erstellen. In den Ausschüssen hatte es noch Streit um ihn gegeben. Doch bei der Gemeinderatssitzung am Donnerstag war die Mehrheit groß: Grüne, SPD, CDU, Li.Par.Tie und FDP stimmten zu. AfD und Freie Wähler – ML lehnten ab.

Wie sieht der Kompromiss aus, der nun gefunden worden ist?

In der neuen Beschlussvorlage der Stadtverwaltung wird diese einerseits damit beauftragt, die Umsetzung des Plans vorzubereiten. Andererseits ist eindeutig festgehalten, dass der Gemeinderat bei jeder einzelnen Maßnahme das letzte Wort hat. Die zentralen Sätze lauten: „Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung mit der Vorbereitung der Umsetzung der Maßnahmen unter Priorisierung der TOP-Maßnahmen nach Effizienz und Effektivität. Die Umsetzungen stehen unter dem Beschluss- und Finanzierungsvorbehalt des Gemeinderates.“

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Warum musste überhaupt ein Kompromissvorschlag her?

Der ursprünglich vom Umweltdezernat vorgelegte Entwurf hatte vergangene Woche im Ausschuss für Umwelt und Technik zum Streit geführt: Da es in der Vorlage hieß, der Gemeinderat nimmt den Klimaschutzaktionsplan „zustimmend zur Kenntnis“, wollten drei Fraktionen explizit geklärt haben, dass das Gremium jeder einzelnen daraus abgeleiteten Maßnahme noch zustimmen muss. Schließlich gibt es für diese noch keine Kostenkalkulation. Da dies neben der CDU und FDP/MfM auch die SPD gefordert hatte, drohte die Abstimmung zu scheitern. Darauf sagte Umweltbürgermeisterin Diana Pretzell (Grüne) zu, die Vorlage zu überarbeiten.

Wofür gibt es den Klimaschutzaktionsplan überhaupt?

Er soll den Weg aufzeigen, wie Mannheim bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden könnte. Dazu listet er 81 Maßnahmen aus acht Handlungsfeldern auf. Der Plan ist in den vergangenen eineinhalb Jahren vom Umweltdezernat und den Experten des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie unter Einbeziehung zahlreicher gesellschaftlicher Akteure erarbeitet worden.

Um welche Maßnahmen handelt es sich dabei?

Diese sind so vielfältig, dass sie sich nicht alle aufzählen lassen. Geplant sind beispielsweise der schnellere und stärkere Ausbau von Photovoltaikanlagen, die Dekarbonisierung der Fernwärme, die Reduzierung des Autoverkehrs, aber auch Gebäudebegrünungen, die Entsiegelung von Flächen oder eine Handwerksoffensive.

Kann Mannheim es schaffen, bis 2030 klimaneutral zu werden?

Sicher sagen kann das niemand. Die meisten Experten schätzen jedoch die Chancen als sehr gering ein. In der Gemeinderatsvorlage heißt es dazu: „Grundsätzlich ist die Umsetzung aller Maßnahmen des KSAP erforderlich zur Zielerreichung.“ Gleichzeitig heißt es dort aber auch: „Es ist jedoch nicht möglich, valide und wissenschaftlich begründet abzuschätzen, wie viele CO2-Emissionen durch eine komplette Umsetzung von allen 81 Maßnahmen des KSAP eingespart werden können, und damit darauf zu schließen, ob die Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden kann oder nicht.“

Gibt es noch weitere Hürden, die dem Ziel 2030 im Wege stehen?

Ja. Eine wesentliche ist, dass die Stadt es gar nicht alleine in der Hand hat, ob sie ihr Ziel erreicht: Grob gesagt kann sie lediglich etwa ein Drittel der CO2-Emissionen beeinflussen. Für ein weiteres Drittel sind Entscheidungen von EU, Bundes- und Landesregierung notwendig. Und das letzte Drittel müssten Privatleute und Unternehmen umsetzen.

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Welche Klimaziele haben sich andere politische Ebenen gesetzt?

Die EU will bis 2050 klimaneutral werden, Deutschland bis 2045 und Baden-Württemberg bis 2040.

Was bedeutet klimaneutral eigentlich?

Laut Bürgermeisterin Pretzell orientiert sich die Stadt bei der Definition am „Greenhouse Gas Protocol“. Demnach will sie den realen CO2-Ausstoß von heute bis 2030 um 80 Prozent reduzieren. Die übrigen 20 Prozent, die sich nicht vermeiden lassen, sollen durch senkende Maßnahmen wie beispielsweise die Aufforstung von Wäldern ausgeglichen werden. Aber auch die Einspeicherung von CO2 solle geprüft werden.

Wie wird kontrolliert, ob die Kommune ihr Ziel erreicht?

Die Stadtverwaltung will im ersten Halbjahr 2023 im Internet ein neues Angebot aufbauen und es nach und nach mit den vorliegenden Daten füllen. So sollen alle Interessierten sich laufend und grafisch entsprechend aufbereitet über den Umsetzungsstand informieren können. Zudem sind regelmäßige Berichte im Gemeinderat geplant.

Wie viel Geld steht für die Umsetzung der Maßnahmen bereit?

Im aktuellen Haushaltsentwurf für das nächste Jahr sind drei Millionen Euro für die Umsetzung des Klimaschutzaktionsplans eingeplant. Das muss aber nicht heißen, dass nicht mehr Geld zur Verfügung steht: Die Stadtverwaltung setzt stark auf Fördergelder der EU – schließlich ist Mannheim im Rahmen eines Sonderprogramms als Modellstadt in Sachen Klimaschutz ausgewählt worden.

Wie war das mit der EU-Modellstadt noch mal?

Die EU hat 100 Städte gesucht, die als eine Art Vorreiter versuchen sollen, bis 2030 klimaneutral zu werden. Mannheim hat sich beworben und neben Heidelberg und sieben weiteren deutschen Städten den Zuschlag erhalten. Nun sollen diese Kommunen besonders gefördert werden. Wie das konkret aussieht, steht noch nicht fest.

Wie geht es nach dem Gemeinderatsbeschluss nun weiter?

Das Umweltdezernat muss nun die Umsetzung vorbereiten, sprich: die Projekte konkretisieren. Laut Bürgermeisterin Pretzell sollen die ersten Vorhaben bereits im nächsten Jahr beginnen, so dass es 2023 schon messbare Einsparungen gibt.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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