Am Tag danach

Messerattacke in Mannheim: Eindrücke vom Marktplatz am Tag danach

Von 
Sebastian Koch
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Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht ist auf den Marktplatz gekommen und unterhält sich mit Bürgerinnen und Bürgern. Augenzeigen berichten ihm von der Messerattacke am Freitag. © Sebastian Koch

Mannheim. Die Atmosphäre auf dem Mannheimer Marktplatz am Vormittag nach dem Angriff lässt sich wohl am besten als "merkwürdig" beschreiben. Es herrscht reges Treiben. Wie geplant findet der Wochenmarkt auf dem Platz statt, auf dem am Tag zuvor die Polizei noch einen Tatort abgesperrt hatte. Von diesem ist zwischen all den Ständen und Menschen kaum mehr etwas zu sehen. Nur am Gitter des Brunnens erinnern niedergelegte Blumen, Kerzen und Plakate an das, was sich hier etwa 24 Stunden zuvor abgespielt hat.

Und dann sind da noch mehrere Kamerateams. Immer wieder beobachtet man, wie Menschen in diese Kameras oder in Mikros sprechen. Der Angriff mit einem Messer auf einen islamkritischen Stand hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Entsprechend hoch ist das Medieninteresse auch am Tag danach.

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Bei der Attacke, die Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) am Samstagabend als "feige, niederträchtige, brutale Terrortat" bezeichnete, musste die Polizei den Angreifer mit einem Schuss stoppen. Zuvor hatte dieser auch auf einen Beamten eingestochen und ihn schwerst verletzt. Am Sonntagnachmittag schwebt der Polizist laut einem Sprecher des Landeskriminalamts noch immer in "höchster Lebensgefahr" und liegt im künstlichen Koma. Der Täter soll indes operiert worden, aber noch nicht vernehmungsfähig sein, hieß es am Morgen.

Messerattacke in Mannheim: Blumen und Kerzen auf dem Marktplatz

Zurück zum Marktplatz: Am Brunnen in der Mitte des Platzes legen Besucherinnen und Besucher Kerzen und Blumen nieder. "Gegen den Terror" und "Wann hört der Hass endlich auf?" steht auf zwei Plakaten, die hinter den Kerzen und Blumen stehen. Ein Mann fragt den Redakteur, was passiert sei. Er ist entsetzt. "Unglaublich." Von dem "Drama", wie er sagt, habe er bislang nichts mitbekommen.

Später kommen zu den Plakaten weitere hinzu. "Wer Polizisten angreift, greift uns alle an" und "Polizisten beschützen - Islamisten töten" steht dort geschrieben. Zwei Frauen legen weitere Blumensträuße nieder. Sie haben Tränen in den Augen. "Der Polizist wollte doch nur beschützen", sagt die eine zur anderen. 

Der Mannheimer Marktplatz am Tag danach: Mit Blumen und Kerzen wird an die Opfer der Messerattacke von Freitag gedacht. © Sebastian Koch

Eine Frau erklärt dem Reporter, in Mannheim müsse man wegen der heterogenen Bevölkerungsstruktur mit solchen Vorfällen immer rechnen. Auch Linken-Politikerin Isabell Belser ist auf dem Marktplatz. Sie zeigt sich schockiert von dem "furchtbaren und unnötigen" Angriff. "Bei allen Beteiligten, die das erleben und mit ansehen mussten, sitzt der Schock wahrscheinlich tief." 

Eine andere Frau äußert Unverständnis und macht die "linksgrün versiffte" Politik für die Tat mit-verantwortlich. Oberbürgermeister Specht wolle sie bei Gelegenheit die Meinung sagen. In Mannheim, sagt  sie, fühle sie sich schon lange nicht mehr sicher. Es gebe hier viel zu viele von denen, kritisiert sie und meint damit den Angreifer.

Ein Händler, der seinen Stand in Nähe des Brunnens hat, erzählt, dass er sich zwar gefragt hätte, ob heute wirklich ein normaler Betrieb möglich sei. Angst oder ein mulmiges Gefühl aber habe er nicht. "Sowas kann ja eigentlich überall passieren, wo politisch demonstriert wird", sagt er.

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Gegenüber vom Marktplatz macht indes die CDU Wahlkampf. Die SPD hatte am Freitag erklärt, ihren angesichts der Ereignisse auszusetzen. Darüber sei auch in der CDU diskutiert worden, erklärt Catherina Field. Schließlich habe man sich aber doch dazu entschieden, heute Vormittag präsent zu sein. "Wir müssen den Stand durchführen, um dem etwas entgegenzusetzen, was hier passiert ist. Wir wollen dem Hass auf Mannheims Straßen die Stirn bieten", sagt die Bezirksbeirätin, die für den Gemeinderat kandidiert. "Das war ein Angriff auf die Demokratie, die Meinungsfreiheit und die Redefreiheit."

In fast allen Gesprächen mit Interessierten sei der Vorfall aber Thema. "Die Menschen sehen in der allgemeinen Sicherheitspolitik der Stadt ein Problem", sagt Field. Dabei stellt doch die CDU sowohl den Dezernenten für Sicherheit und Ordnung als auch den Oberbürgermeister. "Ich kann ja nur das wiedergeben, was mir die Menschen sagen", antwortet Field. Die Situation, in der der neue Dezernent Volker Proffen ins Amt gestartet ist, sei nunmal schwierig. Das hänge auch mit der weltpolitischen Lage zusammen. "In Mannheim wird derzeit viel Hass auf Demonstrationen geschürt", kritisiert Field.

Augenzeuge berichtet Oberbürgermeister Christian Specht von der Messerattacke

Am Mittag kommt Oberbürgermeister Christian Specht auf den Marktplatz, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Zahlreiche sprechen ihn an. "Wir sind alle wie gelähmt", sagt eine Frau. Mittlerweile regnet es. Ein Händler freut sich, dass der Markt trotz der Messerattacke hat stattfinden können, sagt er dem Oberbürgermeister.

Ein weiterer Mann spricht Specht an. "Es ging alles ganz, ganz schnell", berichtet der Augenzeuge dem Oberbürgermeister seine Erlebnisse. "Der Knall, die Panik, es war ganz schnell." Als Moslem "verabscheue er die Tat", versichert er. "Das ist keine Art, Konflikte zu lösen."

Das Gespräch, das die beiden führen, ist herzlich. Und dennoch politisch. "Für unseren Marktplatz - da die Kirche, dort die Synagoge, da hinten die Moschee - ist das fürchterlich", sagt der Mann. Er wünscht sich, dass am Marktplatz weniger politische Demonstrationen stattfänden, die die Gesellschaft polarisierten. "Wir leben hier doch eigentlich alle friedlich zusammen." Deshalb wäre es gut, wenn der Marktplatz eine demonstrationsfreie Zone wäre, wünscht er sich. "Leider ist das nicht so einfach", antwortet Specht.

Er habe "Verängstigung" und "Verunsicherung" in  Gesprächen gespürt, sagt Specht dieser Redaktion. Gleichzeitig hätten ihm viele gesagt, dass es richtig war, den Markt stattfinden zu lassen. "Wir dürfen das Feld nicht anderen überlassen, sondern müssen präsent sein."

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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