Diskussionsrunde

Massive Kritik in Mannheim an Bezahlkarte für Asylbewerber

„Hoffentlich besteht in Mannheim die Möglichkeit, sie zu verhindern.“ Das sagt Dennis Ulas von der Mannheimer Linkspartei zur geplanten Bezahlkarte für Geflüchtete, die Geldauszahlungen ablösen soll. Auch andere äußern Kritik

Von 
Sylvia Osthues
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In Brandenburg gibt es die Bezahlkarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber bereits seit einigen Monaten. In Mannheim gibt es Kritik daran. © Patrick Pleul/dpa

Asylbewerberinnen und Asylbewerber sollen künftig kein Bargeld mehr ausgezahlt bekommen, sondern ihren Lebensunterhalt in Deutschland mit einer Bezahlkarte bestreiten. An diesem Modell wurde beim Speed-Dating vom Bündnis Sicherer Hafen Mannheim deutliche Kritik laut. 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnte Jochen Winter, Flüchtlingsseelsorger der Katholischen Kirche, bei der Veranstaltung zur Asyldebatte unter dem Motto „Refugees welcome“ - auf Deutsch: Geflüchtete willkommen - mit Kommunalpolitikern in der Abendakademie begrüßen.

Ausgangspunkt der Diskussionsrunden, wobei die Teilnehmenden im 15-Minuten-Takt von Tisch zu Tisch wechselten, waren die Antworten der Fraktionen auf Fragen des Bündnisses vor der Kommunalwahl, sogenannte Wahlprüfsteine. Dabei kristallisierten sich schnell zwei Themen heraus: Gewaltprävention für vulnerable Gruppen und eben die Bezahlkarte statt Geld für Asylbewerber.

Im Vorfeld gibt es Irritationen um Antworten der Mannheimer Liste

Vor den Gemeinderatswahlen im Juni hatte das Bündnis den Fraktionen sechs Fragen zum Umgang mit geflüchteten Menschen in der Stadt geschickt. Antworten sind damals von SPD, CDU, den Grünen, der LiParTie, der FDP und der Mannheimer Liste eingegangen, wie Winter deutlich machte. Im Vorfeld der Veranstaltungen gab es allerdings Irritationen um die Antworten der ML. Nachdem das Bündnis angegeben hatte, von der Mannheimer Liste damals keine Antworten erhalten zu haben, bewies die ML das Gegenteil, das Bündnis entschuldigte sich für den Fehler öffentlich. „Die ML fehlt, weil wir leider deren Antwort übersehen haben, doch sie liegt zur Ansicht im Saal aus“, sagte Winter.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer debattieren beim Speed-Dating vom Bündnis Sicherer Hafen mit CDU-Stadträtin Sengül Engelhorn (2. v.l.). © Sylvia Osthues

Ein Vertreter der Fraktion konnte kurzfristig jedoch nicht mehr in der Abendakademie mitdiskutieren. „Die FDP möchte an der Veranstaltung nicht teilnehmen“, so Winter. Der AfD hatte das Bündnis Sicherer Hafen die Fragen gar nicht erst geschickt. Und so standen die Stadträtinnen Nazan Kapan (SPD) und Sengül Engelhorn (CDU) sowie Daniel Bockmeyer (Grüne) und Dennis Ulas (LTK/Linkspartei) zu Gesprächen bereit.

Dennis Ulas betonte, er lehne die vom Bundestag beschlossene Bezahlkarte ab. Der Linken-Stadtrat bedauerte zudem, dass es in Mannheim noch immer kein Gewaltpräventionskonzept gibt. Sengül Engelhorns Antwort, die Bezahlkarte sei beschlossen worden, um „Missbrauch vorzubeugen“, sorgte für Protest. „Dadurch gibt es zwei Klassen von Menschen. Eine kann über ihr Geld frei verfügen und die andere nicht, das ist menschenunwürdig“, meinte ein Teilnehmer.

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Auch SPD-Stadträtin Kapan sprach sich gegen die Bezahlkarte aus. Sie werde sich der von Linken und Grünen geplanten Allianz dagegen anschließen. Zum geforderten Gewaltschutzprojekt erklärte sie, sie kenne die Situation der vulnerabeln Gruppen als Leiterin des Frauenhauses und aus ihrem Kontakt mit der queeren Community. Sie bat die Teilnehmenden, ihr Missstände zu melden. „Nur dann, „wenn sie wie eine EC-Karte funktioniert und man damit soviel Bargeld abheben kann, wie man möchte“, sei er für die Bezahlkarte, sagte Grünen-Stadtrat Bockmeyer. Zum Thema Gewaltschutzprojekt müsse er sich als neuer Stadtrat noch kundig machen.

Was nehmen die Politiker mit in ihre Fraktionen?

Bevor es in die erste Diskussionsrunde ging, hatte Sarah Zastrau vom Nationaltheater, deren Partner vor zwei Jahren aus dem Iran nach Mannheim geflohen war und sie beide heute - wie sie schildert - täglich Angst vor einer Abschiebung hätten, ein Gedicht von Warsar Shire vorgelesen, die aus Afrika kommt und heute in London wohnt: „Zuhause“ machte deutlich, dass niemand freiwillig seine Heimat verlässt und sich ohne Not auf einem Boot in eine unsichere Zukunft begibt.

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Auf die Frage von Moderator Winter, was die Kommunalpolitiker mit in ihre Fraktionen nehmen werden, erklärte Engelhorn: „Die emotional diskutierte Bezahlkarte und dass ein Gewaltschutzprojekt gefordert wird.“ Hauptthema für Ulas ist die Bezahlkarte: „Hoffentlich besteht in Mannheim die Möglichkeit, sie zu verhindern.“ Zum Thema Gewaltschutzprojekt für vulnerabel Gruppen meinte er: „Mannheim sollte auch für diese ein sicherer Hafen sein.“ „Gerade zum Schutz vulnerabler Gruppen ist Austausch ganz wichtig“, ergänzte SPD-Stadträtin Kapan. Grünen Politiker Bockmeyer erklärte: „Vor allem fehle ein Integrationsprojekt in Mannheim, als Grundlage zum Umgang mit geflüchteten Menschen.“

Khalil Khalil vom Migrationsbeirat der Stadt Mannheim zieht ein Fazit: „Die Veranstaltung war ganz interessant, vor allem der direkte Austausch mit den Vertretern der Fraktionen.“

Freie Autorin

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