Mannheim. Sie ist das Aushängeschild der Mannheimer Wärmewende: die Flusswärmepumpe, die dem Rhein in Neckarau klimaneutral Wärme entzieht und ins Fernwärmenetz einspeist. Doch ihre Leistung reicht nicht, um Mannheims Wohnzimmer dauerhaft zu heizen. Darum soll sie demnächst Unterstützung bekommen – von einer Gas-Anlage. Der Überblick.
Was genau plant die MVV in Mannheim?
Sie will auf dem Gelände des Grosskraftwerks Mannheim (GKM) einen sogenannten Fernwärmenachheizer bauen lassen. Der Antrag soll im Herbst eingereicht und nächstes Jahr mit dem Bau begonnen werden. Die Inbetriebnahme ist für Herbst 2028 geplant.
Was soll das sein, ein Fernwärmenachheizer?
Vereinfacht gesagt eine Anlage, die das heiße Wasser – das zu den rund 165.000 ans Fernwärmenetz angeschlossenen Haushalten in Mannheim und der Rhein-Neckar-Region fließt, um dort Heizkörper und Trinkwasser zu erwärmen – noch etwas heißer macht.
Wie funktioniert der Fernwärmenachheizer?
So ähnlich wie in einem riesigen Dampfkochtopf: Durch das Verbrennen von Gas wird heißer Wasserdampf erzeugt. Dieser wird verwendet, um das heiße Wasser in den Fernwärmeleitungen stärker zu erhitzen.
Warum braucht Mannheim einen Fernwärmernachheizer?
Aus zwei Gründen: Nach Angaben der MVV kann die am GKM installierte Flusswärmepumpe bis zu knapp 100 Grad heißes Wasser erzeugen. Auch der in der Nähe befindliche Fernwärmespeicher – eine Art große Thermoskanne – kann bis zu knapp 100 Grad heißes Wasser liefern. An vielen Tagen im Jahr reiche das, um die Fernwärmekunden zu versorgen. Aber nicht an allen. Manchmal, erklärt Marcus Adlon, Geschäftsführer der MVV-Tochtergesellschaft Grüne Wärme, würden im Netz bis zu knapp 130 Grad benötigt. Diese könnten mittelfristig nur mit Hilfe des Nachheizers erreicht werden.
Warum werden so hohe Temperaturen benötigt?
Das hängt mit dem Netz und den angeschlossenen Gebäuden zusammen: Verkürzt kann man festhalten, dass es in Mannheim noch relativ viele alte, schlecht gedämmt Häuser mit alten Heizkörpern gibt, die man mit geringeren Temperaturen nicht warm genug bekommt. Langfristig will die MVV zwar diese sogenannte Vorlauftemperatur senken. „Das kriegen wir aber bis 2030 nicht hin, da hierfür auch externe Faktoren, wie beispielsweise Sanierungen im Gebäudebestand, eine große Rolle spielen“, erklärt Adlon. „Das ist eher ein Ziel für die 2040er Jahre.“
Wie oft werden mehr als 100 Grad benötigt?
Je nach Bedarf schwankt Adlon zufolge die Temperatur im Fernwärmenetz zwischen 83 Grad im Sommer und knapp 130 Grad an kalten Wintertagen. „Je nachdem, wie kalt der Winter ist, werden in 1500 bis 2500 Betriebsstunden Temperaturen über 100 Grad benötigt“, sagt Adlon. Umgerechnet bedeutet dies, dass der Nachheizer an 17 bis 29 Prozent der Zeit eines Jahres laufen wird.
Wie wird der Temperaturunterschied in Mannheim aktuell überbrückt?
Derzeit übernimmt das GKM diese Aufgabe: Dort stehen sogenannte Hilfsdampferzeuger zur Verfügung. Diese sorgen bei Bedarf für die notwendigen bis zu 130 Grad im Fernwärmenetz. Diese Lösung funktioniert jedoch nur noch wenige Jahre lang.
Warum kann das GKM nicht auch in Zukunft diese Lücke füllen?
Aus drei Gründen: Erstens will die MVV ab 2030 nur noch Fernwärme erzeugen, die als klimaneutral eingestuft wird. Zweitens wird das GKM – Stand jetzt – aufgrund des politisch beschlossenen Kohleausstieg wohl 2033 stillgelegt. Und drittens reichen die Kapazitäten seiner Hilfsdampferzeuger demnächst nicht mehr aus.
Warum reicht die GKM-Infrastruktur mittelfristig nicht?
Weil die MVV künftig wesentlich mehr Wärme aus dem Rhein gewinnen möchte. Aktuell steuert die erste Flusswärmepumpe 20 Megawatt (MW) bei. Ende 2028/Anfang 2029 soll jedoch noch eine zweite mit 150 MW dazukommen und knapp ein Jahr später eine dritte mit rund 100 MW. Nach Angaben der MVV würde dies die vorhandenen Kapazitäten des GKM übersteigen. Darum brauche es den neuen Nachheizer, der eine Leistung von bis 160 MW haben soll. Zum Vergleich: Block 9, der neueste des GKM, schafft rund 500 MW thermisch.
Wie wird der Fernwärmenachheizer in Mannheim befeuert?
Zunächst mit Erdgas, also einem fossilen Brennstoff. Ab 2030, wenn die Fernwärme „grün“ sein soll, wird es laut MVV dann durch Biomethan ersetzt. „Dies geschieht bilanziell“, erklärt Adlon. Das heißt, es wird nicht in Mannheim verbrannt oder eine neue, eigene Anlage dafür in Mannheim gebaut, sondern es wird auf der Grundlage von Herkunftsnachweisen mit andernorts verbrannten Mengen verrechnet – was Umweltschützer sehr kritisch sehen. Langfristig soll der Nachheizer auf Wasserstoff umgestellt werden, was beim Bau berücksichtigt wird. Einen konkreten Zeitpunkt dafür gibt es noch nicht, weil Preis und Verfügbarkeit des Wasserstoffs aktuell noch kaum vorhersehbar sind. Adlon persönlich rechnet damit, dass dies „in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre geschieht“.
Was kostet der Bau der neuen Anlage in Mannheim?
Konkrete Angaben dazu macht die MVV nicht. Sie spricht lediglich von einem „mittlerer zweistelligen Millionenbetrag“.
Wie bewerten Umwelt- und Klimaschützer das Projekt?
Eine abschließende Bewertung liegt bislang noch nicht öffentlich vor. Die im Mannheimer Umweltforum vereinten 18 Verbände blicken jedoch überwiegend skeptisch auf das Vorhaben und haben eine ganze Reihe an Fragen dazu. Insbesondere fordern sie, dass die jährlichen Betriebsstunden der Anlage begrenzt werden.
Wie steht die MVV zu einer Begrenzung der jährlichen Betriebsstunden?
„Das wollen wir nicht, weil es die Flexibilität behindern würde“, sagt Grüne-Wärme-Chef Adlon. „Es kommen immer wieder Sondersituationen vor, in denen vielleicht mal eine Anlage in einem Jahr länger ausfällt.“ Dann wolle man flexibel reagieren können. Er argumentiert stattdessen anders: „Die Arbeitskosten der Anlage sind relativ teuer. Deshalb ist es in unserem eigenen Interesse, dass wir sie so wenig wie möglich einsetzen.“
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