Heidelberg. Bei gutem Wetter sieht man die vier Türme des Speyer Doms am Horizont emporragen. Im Süden schaut der Rauenberg vor dem Kraichgau heraus. Und mancher hat ganz oben auf der Plattform in 55 Metern Höhe sogar schon das Straßburger Münster gesehen. Der Lieblingsblick des Heidelberger Baubürgermeisters Jürgen Odszuck geht indessen in Richtung Osten. Da ist deutlich die Alte Brücke und das Heidelberger Schloss zu erkennen. Es sind traumhafte Blicke, die sich dem Betrachter oben auf der Plattform des Wärme- und Zukunftsspeichers beim Prachtwetter eröffnen. Und sie sollen in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr nur den Bauarbeitern vorbehalten sein. Im kommenden Jahr will Michael Teigeler, Geschäftsführer der Stadtwerke Heidelberg – endlich – das Restaurant inklusive Eventlocation eröffnen. „An Ostern, das ist mein Ziel“, sagt er beim Ortstermin an dem stahlblauen Turm, der sich im Energiepark der Stadtwerke erhebt.
Eigentlich hätte die Plattform oberhalb des 20.000 Kubikmeter fassenden Heißwasserspeichers längst fertig sein sollen. Aber die Stadtwerke haben sich mit Problemen während des Baus herumplagen müssen, die in der Planungsphase noch gar nicht bekannt waren. Schließlich sind die Energieversorger die einzigen in ganz Deutschland, die eine Eventgastronomie auf eine solche gigantische „Thermoskanne“ draufpacken. Und sie werden – angesichts der vielen Herausforderungen – vermutlich auch die Einzigen bleiben, die ein solches Projekt stemmen. „Das wird es so ein zweites Mal nicht geben“, sagt Teigeler schmunzelnd.
Der Aufzugturm wird zur ganz großen Herausforderung
Die Stadtwerke sind mit dem Ausbau gleich in mehrere Krisen hineingelaufen: Corona, der Ukraine-Krieg mit dem anschließenden Rohstoffmangel: Alle haben sich auf den Energiespeicher-Aufbau ausgewirkt. Als die Bauzinsen am Boden waren, warteten die Stadtwerke ein Jahr lang auf ein ganz normales Notstromdieselaggregat für den Aufzug.
Energiepark in Pfaffengrund
Wer ab dem kommenden Jahr vom Wärmespeicher in Heidelberg-Pfaffengrund herabblickt, schaut auf ein Gelände, auf dem die Energiewende greif- und sichtbar wird.
Auf den Dächern der Gebäude und Parkplatz-Überdachungen sieht man Solar-Panels aller Generationen seit 20 Jahren .
Seit Ende 2023 betreiben die Stadtwerke hier drei riesige Wärmepumpen mit einer Leistung von insgesamt 4,5 Megawatt in Verbindung mit einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage. Die Anlage kann 10.000 Haushalte mit Strom und 1600 Haushalte mit Wärme versorgen.
Ein Holzheizkraftwerk und ein Biomethankraftwerk sind ebenfalls vorhanden.
Der Zaun um das Außenlager der Stadtwerke ist auf 90 Meter mit 141 Solarmodulen bestückt, davor lockt eine Blühwiese Insekten aller Art ins Gewerbegebiet.
Direkt unter der Plattform des Zukunftsspeichers brodeln 20.000 Kubikmeter heißes Wasser , die als Pufferspeicher die Region mit Fernwärme versorgen, produziert aus überschüssiger erneuerbarer Energie. bjz
Auch der Turm für die zwei Personenaufzüge stellte eine Herausforderung dar. Damit Menschen gerettet werden können, falls der Aufzug irgendwo unterwegs steckenbleibt, musste eigens für die Höhenrettung der Feuerwehr 21 Stockwerke in den Installationsschacht eingebaut werden. „Das hat vorher keiner auf dem Schirm gehabt“, sagt Teigeler.
Für die Treppe wird eigens ein Antirutsch-System entwickelt
Mit der rundum laufenden Treppe mit ihren 286 Stufen sind die Brandschützer dagegen richtig glücklich: Wer hier nach unten flieht, muss nie die Richtung ändern. Das sei richtig gut. Aber auch beim Belag der Stahltreppen gab’s Probleme. Weil das Material aus Gründen der langen Haltbarkeit verzinkt wurde, litt die Rutschfestigkeit. Um diese wieder herzustellen, entwickelte die renommierte Firma 3M eigens ein Produkt für die Wärmespeichertreppe: „Safety Walk“ heißt der selbstklebende Antirutschbelag, der auch noch den Brandschutzbestimmungen entspricht.
Nicht gerade hilfreich war auch, dass zwei Firmen während der Bauarbeiten Insolvenz anmelden mussten. Und eine zweite Außentreppe, die ursprünglich als eine Art Doppel-Helix den Wärmespeicher umkreisen sollte, sei irgendwann „dem Realismus“ zum Opfer gefallen, sagt der Stadtwerke-Chef.
Um den Wärmespeicher herum spannt sich mittlerweile ein Stahlnetz. Es ist von den höchst namhaften Ingenieuren Schlaich Bergermann Partner aus Stuttgart konstruiert. Das Büro zeichnet unter anderem auch für das Zeltdach des Olympiastadions in München verantwortlich. Getestet wird indessen noch mit den Metallplättchen, die tausendfach in das Stahlnetz hineinmontiert werden und dem Turm ein variables Aussehen verleihen sollen. Gerade wird das Schwingverhalten von zehn Metallplatten gemessen. Die einen sind leicht um 15 Grad gebogen, die anderen glatt. Am Ende werden es nicht mehr ganz 11.000 Stück sein, die die Fassade bilden, sondern nur noch eine Anzahl im vierstelligen Bereich. In der optischen Wirkung tut das aber keinen Abbruch, ist Teigeler überzeugt.
Caterer GVO übernimmt die Gastronomie auf dem Energiespeicher
Im Grunde fehlt dann nur noch das Unternehmen, das den Innenausbau der Gastronomie-Plattform stemmt. Die Ausschreibung steht noch aus. Allerdings kann diese Arbeit ohnehin erst starten, wenn der Aufzug funktioniert. Das werde im September der Fall sein, verspricht der Elektriker am Rande der Abnahme des Trafohauses.
Der Betreiber der Gastronomie ist längst verpflichtet. Das wird der Caterer GVO übernehmen. Das Unternehmen betreibt mittlerweile auch gegenüber ein Restaurant im alten Lagerhaus des ehemaligen Bahnbetriebswerks und gestaltet auch Events in der alten Mannheimer Schildkrötfabrik. Zu den Kunden zählen seit 25 Jahren unter anderem Audi, die BASF und John Deere.
Im Gastronomiebereich wird Platz für 45 Gäste sein. Es empfehle sich also auf jeden Fall, Tische zu reservieren, sagt Teigeler. Im Eventbereich ist Platz für 150 Menschen. Und oben auf der Plattform soll es einen Bar-Bereich geben, inklusive traumhafter Aussicht.
Bei allen großen und kleinen Problemen ist Teigeler aber auch stolz auf das Werk: „Ich bin froh, dass wir das gebaut haben. Es wäre schade, wenn es den Wärmespeicher in dieser Form nicht gäbe. Er ist ein absolutes Unikat“, sagt er und ergänzt etwas später: „Am Ende ist das hier echte Ingenieurs-Kunst“ – für mehr als 20 Millionen Euro.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-heidelbergs-waermespeicher-wird-zur-spektakulaeren-eventlocation-_arid,2318477.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html