Christian Specht

Mannheims neuer Oberbürgermeister: So verlief der erste Tag

Seit Freitag ist Christian Specht Mannheims neuer Rathauschef. Am ersten Tag seiner Amtszeit hat sich der CDU-Politiker gleich die "dicksten Brocken" vorgenommen. Wir haben ihn begleitet

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„Das größte und teuerste Bauprojekt in der Stadt“: Neu-OB Christian Specht (r.) spricht mit (v.l.) Marco Spies, Tilmann Pröllochs und Marcus Augsburger über die Sanierung des Nationaltheaters. © Thomas Tröster

Die Nacht vor dem ersten Arbeitstag als neuer Oberbürgermeister war ziemlich kurz, erzählt Christian Specht. Nach der offiziellen Amtsübergabe auf der Feuerwache war er gegen 1.30 Uhr im Bett. Um 6 Uhr klingelte der Wecker. Mit welchem Gefühl ist er aufgewacht? „Ach Gott“, sagt Specht. Und fügt hinzu: „Mit freudiger Erwartung.“ War es anders als sonst? „Ehrlicherweise: nein.“ Okay, vielleicht abgesehen von den geschätzten 100 Glückwünschen, die ihn via Smartphone erreicht haben. Die erste Amtshandlung: Post erledigen. Dann beginnt der Reigen der Antrittsbesuche, zu deren öffentlichen Teilen er uns mitnimmt.

8.30 Uhr, Lindbergh

In das Restaurant am Flughafen hat Specht die obere Führungsebene der Stadtverwaltung geladen, also die Leiter der Fachbereiche und der Eigenbetriebe. Bei Kaffee, Saft, Brötchen, Wurst- und Käseplatten gibt der neue Chef der rund 8700 städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - leger in dunklen Jeans, weißem Hemd und blauem Jackett - die Richtung vor. Seine Botschaft: „Ich freue mich über offene, auch kritische Rückmeldungen.“ Seine Frage: „Wie gelingt es uns, bei der Ausdifferenziertheit der Verwaltung und Komplexität der Themen schneller und effektiver zu werden?“

Zuhören, lernen, nachfragen, verstehen - das ist das Motto des Tages.

Nach knapp zwei Stunden plätschert die Veranstaltung aus. Im Stehen werden noch ein paar Führungskräfte ihre Anliegen los. Der Neue zückt manchmal einen Zettel aus der Innentasche seines Sakkos und notiert sich etwas. Der Rest wird in der schwarzen Kladde festgehalten, die sein persönlicher Referent David Linse den ganzen Tag über dabei hat. Er ist es auch, der den OB nun loseisen muss: der Terminplan.

10.46 Uhr, Nationaltheater

„Wir mussten noch die Reifen wechseln“, ruft Specht lachend Marcus Augsburger zu und zeigt auf die Sicherheitsschuhe, die er für den Baustellenrundgang mitgebracht hat. Die Stimmung ist gut, das Tempo hoch. Der technische Betriebsleiter der Sanierung wartet am Bauzaun und begrüßt seinen neuen Chef.

„Es war mir wichtig, mir am ersten Tag von den ganz großen politischen Baustellen einen Eindruck zu verschaffen“, erklärt der die Terminauswahl für diesen Tag. „Also von den Themen, die ich auch im Wahlkampf genannt habe, weil es große Herausforderungen sind.“ Die rund 250 Millionen Euro teure Sanierung des NTM gehört ohne Zweifel dazu.

Wie soll es mal aussehen? OB Specht über den Plänen fürs NTM. © Thomas Tröster

Und so steht Specht nun im Baustellen-Container vor dem großen Tisch mit den Plänen und hört den Ausführungen zu. Kampfmittelbeseitigung, Grundwasser, Baustellenmanagement, Kosten- und Zeitplan: Es gibt viel zu besprechen. Mehr als eine Stunde lang stellt der „Finanzer“, wie er sich selbst immer wieder nennt, zum „größten und teuersten Bauprojekt in der Stadt“ detaillierte Fragen und hinterlässt auch hier eine Botschaft: „Wir müssen Freude entfachen, dass die Leute sagen: Das ist wichtig.“

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Seinen Wunsch verdeutlicht er mit einer Anekdote: In seinem Elternhaus lag früher immer ein Backstein im Wohnzimmerschrank. Jahrelang habe er nicht verstanden, warum. Bis seine Eltern erzählten, dass solche Steine zur Finanzierung des Baus des Theaters für 50 Mark verkauft wurden - und sie sich einen zur Hochzeit gewünscht hatten. „Das muss der Anspruch sein.“

12.15 Uhr, Klinikum

„Vorsicht, der Boden ist glatt“, ruft Specht seinem fünfköpfigen Tross zu, als dieser mit nassen Sohlen den hellblauen Linoleumboden von Haus sechs betritt. Besser könnte die Symbolik kaum sein, denn auch beim geplanten Verbund des Klinikums mit der Heidelberger Universitätsmedizin besteht Rutschgefahr. Schon nach seinem Wahlsieg hat Specht dieses Thema zum wichtigsten der nächsten Jahre erklärt - und von dessen Gelingen mehr oder weniger die Finanzierung anderer Großprojekte abhängig gemacht.

Im Klinikum mit Meike Weis und den Geschäftsführern. © Stadt/Holdenried

Darum geht es nun vorbei an den hohen, keramikgetäfelten Säulen des Altbaus zur Besprechung mit den beiden Geschäftsführern und dem Betriebsratsvorsitzenden. 30 Minuten sind geplant, 57 werden es. Warum, kann man sich denken. Die Besichtigung des neuen Computer-Tomografen im Notfallzentrum für Kinder und Jugendliche, das zurzeit umgebaut wird, gerät fast zur Nebensache. Doch dem neuen UMM-Aufsichtsratsvorsitzenden sind der persönliche Eindruck und die Gespräche am Rande wichtig: „Wir kämpfen in Stuttgart darum, und dann ist es besser, es selbst gesehen zu haben.“

14.04 Uhr, Eltern-Kind-Zentrum

Quasi ein Heimspiel auf dem Luzenberg. „Der ist mir als Waldhöfer wichtig“, sagt Specht und trifft den ersten Bekannten schon vor dem Kinderhaus, in dem 155 Mädchen und Jungen von null bis 14 Jahren betreut werden. Drinnen ist die Begrüßung mindestens ebenso herzlich. „Schön, dass Sie Ihren ersten Tag nutzen, um uns zu besuchen“, sagt Leiterin Andrea Jensen. „Das ist ein Zeichen, dass Sie wirklich an unserer Arbeit und an den Arbeitsbedingungen interessiert sind.“

Der OB lässt sich die Konzepte erklären, mit denen er bisher noch nicht so viel zu tun hatte, und ist sich nicht zu fein, um auch einfache Verständnisfragen zu stellen. Zuhören, lernen, nachfragen, verstehen - das ist das Motto des Tages. Der Wirbel um seine notwendig gewordene Wahl zum bestellten Oberbürgermeister spielt keine Rolle mehr.

„Du bist der Oberbürgermeister“, ruft ihm die sechsjährige Johanna entgegen, die gerade aus Perlen eine Kette bastelt. „Ich habe ihn auf den Plakaten gesehen.“ Specht plaudert mit den Kindern, stimmt für einen Jungen ein Geburtstagslied an und kommt offenbar gut an. Zumindest ruft Johanna, ehe Specht um 16.11 Uhr Richtung Rathaus fährt, um sein neues Büro zu beziehen und im engsten Kreis die nächsten Wochen zu besprechen: „Ich mag den neuen Bürgermeister jetzt jeden Tag sehen. Der muss immer pünktlich um 8 Uhr im Kindergarten sein.“

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