Oststadt

Mannheimer VGH: Seit 65 Jahren Streitigkeiten unter der Lupe

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim steht seit 65 Jahren im Dienst der Allgemeinheit. Zum Jubiläum gibt es eine Dauerausstellung und Führungen für jedermann

Von 
Ute Bechtel-Wissenbach
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Am Mannheimer Verwaltungsgerichtshof gibt es anlässlich des 65-jährigen Bestehens unter anderem eine Ausstellung. Hier steht Bibliothekarin Yvonne Weisbrodt vor der Tafel mit Gideon Weizel, dem ersten VGH-Präsidenten. © Ute Bechtel-Wissenbach

Mannheim. Groß und still und trotz prominenter Lage am Ende der Augustaanlage liegt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim ein bisschen abgeschieden in der Stadt. Nicht immer im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, ist das oberste Verwaltungsgericht in Baden-Württemberg jedoch enorm wichtig für eine funktionierende Demokratie. 42 Richter und 44 Mitarbeiter kümmern sich hier um Streitigkeiten, die sich zwischen Bürger und Staat ergeben. Seit 2023 ist Professor Malte Graßhof Leiter des VGH.

Das Verwaltungsgericht wird in der Regel als zweite Instanz dann angerufen, wenn die Bürger oder auch Behörden mit der Entscheidung eines der vier Verwaltungsgerichte nicht einverstanden sind. Diese haben ihren Sitz in Freiburg, Karlsruhe, Sigmaringen und Stuttgart. Die Richter werden erst aktiv, wenn Rechtsmittel – also Beschwerde oder Berufung – eingelegt wurden gegen deren Entscheidung. Mannheimer Bürger müssen sich zuerst an das Verwaltungsgericht in Karlsruhe wenden.

VGH Mannheim: Die zweite Instanz

Zu den üblichen Fällen des VGH in zweiter Instanz gehört es, wenn eine Familie bauen will und die Kommune ihr das Baurecht versagt, wenn ein Schüler der Schule verwiesen werden soll oder wenn eine Demonstration von der Stadt verboten wird – wie in Mannheim zuletzt bei den ersten Protesten der Gruppe Free Palestine.

Dazu kommt eine Vielzahl von Fällen in ganz unterschiedlichen Bereichen, vom Abgabenrecht der Kommunen über das Gewerbe- und Gaststättenrecht sowie das Migrationsrecht bis zum Umwelt- und Wohngeldrecht.

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Der VGH kann allerdings auch als erste Instanz tätig sein. Das gilt vor allem für sogenannte Normenkontrollverfahren. Hier geht es um die Überprüfung von Rechtssätzen mit höherrangigem Recht. Das betrifft dann etwa Bebauungspläne, Kraftwerke, Anlagen für Windenergie, Flugplätze, Bahnstrecken oder Autobahnen sowie andere Planungsverfahren für Großvorhaben, wie beispielsweise bei Stuttgart 21 zur Neuordnung des Eisenbahnknotens.

Aktuell rückt der VGH in Mannheim wieder einmal in den Vordergrund beim Thema Dammsanierung im Waldpark. Der VGH hat jüngst über die Klage der Stadt Rheinstetten und einer Bürgerinitiative geurteilt. Auch dort ist man nicht mit einer großflächigen Abholzung des Dammgeländes einverstanden, sondern favorisiert – wie viele in Mannheim – eine Hochwasserschutzwand, eine sogenannte Spundwand. Der VGH stellt im Rheinstetter Verfahren fest, dass jenes Bauvorhaben unter Mängeln leide und rechtswidrig sei. Es seien umweltverträglichere, weniger flächenintensive Alternativen nicht geprüft worden.

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Das gibt, wie berichtet, den Baumschützern in Mannheim Hoffnung, dass man die vom Regierungspräsidium Karlsruhe vorgesehene Abholzung vermeiden kann. In der Tat prüft die Behörde derzeit, ob für Mannheim nicht doch eine Alternative infrage kommt.

Die Materie am Verwaltungsgerichtshof ist komplex, und um hier für alle Nicht-Juristen mehr Licht ins Dunkel zu bringen, haben Richterin Ina Bauer und Bibliothekarin Yvonne Weisbrodt schon vor einigen Jahren eine kleine Dauerausstellung konzipiert. Im Rahmen von Führungen erläutern sie die Arbeitsweise des Gerichts sowie aktuelle Fälle und historische Hintergründe.

Seit 1959 in Mannheim

Immerhin ist Baden vor rund 160 Jahren das erste Land im Deutschen Reich gewesen, das die Verwaltungsgerichtsbarkeit – damals mit Sitz in Karlsruhe – einführt. Die erste, öffentlich verhandelte Klage dort drehte sich 1865 um einen Arbeiter, dem die Bürgerrechte und damit die Heiratserlaubnis versagt wurden. Das Gericht entschied für den Heiratswilligen. Im Nationalsozialismus war der VGH zwar nicht abgeschafft, seine Tätigkeit lag allerdings nahezu brach.

In Mannheim ist der Verwaltungsgerichtshof seit 1959 ansässig, zuerst im Schloss, ab 1970 dann am heutigen Sitz in der Schubertstraße. Der im Stil der Neuen Sachlichkeit der 20er Jahre entworfene Gebäudekomplex mit zwei Seitenflügeln und großem Hauptportal ist mit roten Klinkern verkleidet und entstand 1952. Damals diente er als Verwaltungssitz der Firma Weyhenmeyer Kohlenkontor. Als erste Verwaltungsrichterin trat 1949 Elena Lange ihren Dienst an, heute ist etwa ein Drittel der Richter weiblich. Wissenswert ist auch die Tatsache, dass es am VGH einen Wochenenddienst gibt. Hier entscheiden Richter bei Eilanträgen.

Immer dienstags geöffnet

Die Ausstellung im VGH wendet sich an Studenten und Schüler, aber auch an alle Bürger, die sich für Geschichte und Verfahren der Rechtsprechung interessieren. Sie ist jeden ersten Dienstag im Monat, außer an Feiertagen, von 13.30 bis 15.30 Uhr geöffnet. Gruppen melden sich am besten vorher telefonisch unter der Rufnummer 0621/292 42 18 an, Einzelbesucher melden sich direkt an der Pforte am Haupteingang in der Schubertstraße 11.

Wer sich weiter für die Arbeit des Verwaltungsgerichtshofs interessiert, kann online Informationen zu Aufgaben und Verfahren erhalten sowie eine Terminvorschau zu Verhandlungen einsehen und wichtige Entscheidungen nachlesen.

Freie Autorin

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