Grünen-Vorstoß abgeblitzt

Mannheimer Verkehrsversuch wird vorerst nicht ausgeweitet

Die Mannheimer Grünen wollen die gesamte Freßgasse, Kunst- und Erbprinzenstraße noch in diesem und im nächsten Jahr autofrei machen. Was die anderen Fraktionen und der Handel dazu sagen

Von 
Steffen Mack
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Nach den Vorstellungen der Grünen sollen Autos aus der Freßgasse noch in diesem Jahr komplett verschwinden. Andere Fraktionen wollen darüber jetzt nicht diskutieren. © Thomas Tröster

Mannheim. Es geht Schlag auf Schlag. Am Montag brachte eine Passantenbefragung das für Kritiker des Verkehrsversuchs überraschende Ergebnis, dass die Attraktivität der Mannheimer Innenstadt zugenommen hat. Am Dienstag legten die Grünen ein Konzept für eine deutliche Ausweitung der Auto-Sperren vor. Und am Mittwoch zeigte sich auf „MM“-Anfrage, dass die Realisierungschancen aktuell minimal sind. Keine weitere Fraktion im Gemeinderat will sich dem Vorstoß anschließen. Und von Wirtschaft wie Handel kommt Kritik.

Den Grünen als größter Fraktion geht es indes nach den Worten ihres Stadtrats Gerhard Fontagnier - zusammen mit seinen Kollegen Raymond Fojkar und Markus Sprengler bei dem Konzept federführend - vor allem darum, jetzt mal ihre Vorstellungen für das weitere Vorgehen in den Quadraten zu präsentieren.

Neue Zufahrten für Parkhäuser

So sollten die Auto-Sperren in diesem und im nächsten Jahr nach und nach ausgedehnt werden, sagt Fontagnier. Als Erstes schwebe ihm die komplette Freßgasse vor. Folgen sollten die Kunst- und die Erbprinzenstraße sowie das Stück zwischen G 1 und G 2 am Marktplatz. Dann müssten auch einige Ein- und Ausfahrten von Parkhäusern verlegt werden, diese wollten die Grünen - zumindest kurz- und mittelfristig - alle erhalten, so der Stadtrat.

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Während in der Pressemitteilung der Fraktion von „Fußgängerzonen“ in den genannten Bereichen die Rede ist, stellt Fontagnier nun klar, dass es um verkehrsberuhigte Bereiche geht, also auch Fahrradfahrer zugelassen sein sollen. Und natürlich werde man das alles möglichst einvernehmlich mit Anwohnern und anderen Betroffenen angehen. Es nähmen auch immer mehr Händler und Gastronomen die gesteigerte Attraktivität der Innenstadt als großen Gewinn wahr.

Dies als Erfolg des Verkehrsversuchs zu preisen, sei eine tendenziöse Interpretation, werfen Swen Rubel und Hendrik Hoffmann vom Einzelhandelsverband den Grünen auf Anfrage vor. Dass die Shopping-Metropole als so attraktiv wie nie zuvor bewertet werde, „liegt zuerst daran, dass der Handel trotz schwerer Rahmenbedingungen seine Hausaufgaben gemacht hat“. Gleichwohl kämen wegen der schlechteren Erreichbarkeit immer weniger Kunden von außerhalb nach Mannheim.

In dieses Horn stößt auch IHK-Präsident Manfred Schnabel. „Unsere Kaufkraftanalyse zeigt, dass bereits jetzt rund ein Drittel der Einzelhandelsumsätze in der Innenstadt weggebrochen sind.“ Selbst in der Passantenbefragung, auf die sich nun die Grünen stützten, werde die Erreichbarkeit unterdurchschnittlich und kritisch bewertet. Die Menschen, die deswegen mittlerweile aus Mannheim wegblieben, würden mit der Erhebung nicht erfasst.

Auf diesen Schwachpunkt der Umfrage weisen auch einige im Gemeinderat hin, so SPD-Fraktionschef Thorsten Riehle. Sie blieben bei ihrer Haltung: „Wir werden die Auswertung des Verkehrsversuchs abwarten und dann daraus Schlüsse ziehen.“ Zudem könne eine Steigerung der Aufenthaltsqualität auch mit einer besseren Ausstattung freigewordener Flächen erreicht werden. Da fehle es an Aktionen und Angeboten. Dringlich seien zügigere Zufahrten in Parkhäuser und eine Entlastung der Erbprinzenstraße.

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Auch die Fraktionschefs von CDU, LI.PAR.Tie und FDP, Claudius Kranz, Dennis Ulas und Birgit Reinemund, wollen vor der Debatte um eine Ausweitung des Verkehrsversuchs erst die Auswertung sehen. Und dann gemeinsam mit allen Beteiligten entscheiden. Kranz äußert zwar Zweifel an mit Blumenkübeln vollgestellten Parklets („Es gibt niemanden, der die gut findet“). Späteren Gesprächen über mehr verkehrsberuhigte Zonen werde er sich aber nicht verschließen. Das sagt auch Reinemund. Beide möchten indes die Staus auf dem Ring stärker in den Blick nehmen. Die FDP-Fraktionschefin wirft den Grünen vor, einfach nur Autos ausschließen zu wollen, sei der „altbekannte Reflex“.

Kritik auch an vielen Baustellen

Ulas erklärt, der Verkehrsversuch habe trotz unerwünschter Nebenwirkungen (Stau in der Erbprinzenstraße oder gefährliche Wendemanöver) der Attraktivität der Innenstadt nicht geschadet. Doch müsse die auch per Pkw erreichbar bleiben. „Uns ist wichtig, dass in Kunststraße und Freßgasse ausreichend Parkplätze für Menschen mit Behindertenausweis zur Verfügung stehen.“

Die Mannheimer Liste kritisiert, dass die schlechtere Erreichbarkeit viele Autofahrer aus dem Umland abschrecke. Stadtrat Holger Schmid verweist da auch auf „die vielen kurzfristigen und scheinbar unkoordinierten Baustellen sowie tägliche Staus rund um die City“.

Die AfD lehnt den Vorstoß der Grünen unter Verweis auf den gebeutelten Einzelhandel ab. „Der Plan, den Durchgangsverkehr aus den Quadraten herauszunehmen, ist grundsätzlich begrüßenswert“, meint Fraktionsgeschäftsführer Rüdiger Ernst. Aber nicht, solange das Hochstraßenproblem in Ludwigshafen ungelöst sei und es so viele Baustellen in Mannheim gebe.

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen