Mannheim. Das Kind von Hannes Köppel muss am Wochenende nicht mehr in ein anderes Zimmer umziehen, damit es schlafen kann. Es kann wieder im eigenen Zimmer bleiben, das im F-Quadrat nach vorne zur Marktstraße rausgeht. „Seit dem Verkehrsversuch ist es viel ruhiger geworden, auch am Wochenende“, sagt Köppel, stellvertretender Vorsitzender des Bürgervereins Innenstadt West.
Der Verein existiert seit rund acht Jahren und setzt sich für die Belange der Anwohnerinnen und Anwohner ein. Und eines der Belange ist der Autoverkehr. Nach Meinung des Vereins habe sich dieser in den Quadraten A bis K, wo die meisten Mitglieder wohnen, seit dem Verkehrsversuch teils drastisch reduziert.
Jutta Schroth beispielsweise wohnt in C 7 neben der Friedrich-List-Schule, sie ist Vorsitzende des Bürgervereins. „Das Leben in der Innenstadt ist stressfreier geworden“, sagt sie. Seit der Unterbrechung für den Durchgangsverkehr in der Fressgasse und Kunststraße seien viel weniger Autos unterwegs. „Vor dem Verkehrsversuch haben die Autos vor allem gestanden, weil es einfach zu voll auf den Straßen war.“
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Die Wohnung von Sabina Bopp liegt in einem Gebäude in D 3 an der Kunststraße. Am Wochenende das Fenster zu öffnen oder auf dem Balkon zu sitzen, war wegen des Verkehrslärms nicht möglich. „Früher hat sich der Verkehr in der Kunststraße bis zum Toulonplatz zurückgestaut, speziell am Samstag, aber auch an normalen Wochentagen“, sagt Bopp. Das sei jetzt nicht mehr der Fall.
Sie fahre auch wieder viel lieber mit dem Fahrrad durch die Stadt. „Man fühlt sich jetzt nicht mehr wie ein Exot“, bestätigt Köppel. Tatsächlich legen die Zahlen zum Radverkehr, die die Stadt parallel zum Verkehrsversuch erhoben hat, nahe, dass mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind. Zumindest in der Fressgasse hat es eine deutliche Zunahme von rund 800 Radlern im Juli 2021 auf 1850 im Juli dieses Jahres gegeben.
Wie die drei Mitglieder des Bürgervereins betonen, nehmen sie die Sorgen der Geschäftsinhaberinnen und Geschäftsinhaber ernst. Aber: „Hier wird argumentativ viel vermischt.“ So würden Umsatzrückgänge im Handel oft mit dem Verkehrsversuch in Verbindung gebracht. Dabei sei die City schon vorher aufgrund verstopfter Straßen schwer zu erreichen gewesen. „Wenn ich aus der Tiefgarage in D 3, wo mein Auto steht, gefahren bin, stand ich erst einmal im Stau“, bestätigt Bopp.
Der Bürgerverein zeigt sich überzeugt, dass von einer autoärmeren Innenstadt beide Seiten profitierten: der Einzelhandel und die Anwohnerinnen und Anwohner. „Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt ist definitiv gestiegen“, sagt Köppel. So hätten über die wärmeren Monate viele Leute die neu entstandenen Freiflächen zwischen E 1 und F 1 beziehungsweise P 1 und Q 1 zum Treffen und Verweilen genutzt. Er habe mit seinem Kind und Freunden dort zum Beispiel Basketball gespielt. „Das wäre früher undenkbar gewesen.“
Überhaupt mache der Klimawandel ein Umdenken notwendig. „Mannheim ist eine der heißesten Städte Deutschlands, in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird das dramatisch“, sagt Schroth. Schon im vergangenen Sommer sei die City an besonders heißen Tagen wie ausgestorben gewesen. „Der Autoverkehr ist die Stellschraube, an der wir drehen können“, betont Schroth. So könnten Flächen, wo jetzt noch Autos fahren und parken, für Grünflächen genutzt werden, um der Überhitzung entgegenwirken und das Klima zu verbessern.
Dass es aktuell zu wenig Parkmöglichkeiten in der Innenstadt gebe, weist der Bürgerverein zurück. Besucher, die beispielsweise aus Ludwigshafen oder der Pfalz zum Einkaufen nach Mannheim kommen, könnten ihr Auto im Parkhaus an den Reiß-Engelhorn-Museen abstellen, in D 3 sowie in den Parkhäusern zwischen C 1 und C 2. „Doch entweder wissen die Leute das nicht, oder sie wollen wie gewohnt parken, und das heißt: direkt in der Kunststraße vor den Geschäften“, sagt Bopp. Ein besseres Parkleitsystem könne hier eine Hilfe sein, doch das sei erst in zwei Jahren betriebsbereit. „Es müssen aber auch alte Gewohnheiten aufgebrochen werden.“
Zudem würde sich der Bürgerverein mehr Kontrollen von Verkehrsverstößen wünschen. „Im Rahmen des Verkehrsversuchs wurden neue Lieferzonen eingerichtet, die sind aber nie frei, weil dort ständig jemand widerrechtlich sein Fahrzeug parkt“, weiß Köppel.
Ein Parkleitsystem, das Autofahrern schon auf dem Ring anzeigt, ob es überhaupt noch freie Plätze in einem Parkhaus in den Quadraten gibt, sowie mehr Kontrollen, um Verkehrsverstöße zu ahnden - das wünscht sich auch Daniel Barchet vom Bürger- und Gewerbeverein Östliche Innenstadt.
Die Einschätzung, dass der Autoverkehr seit dem Verkehrsversuch abgenommen habe, die teilt er allerdings nicht. „Die Verkehre haben sich nur verlagert“, betont Barchet. Unter anderem in die Erbprinzenstraße sowie weitere Straßen, die von dort Richtung Ring führten. „Ob der Abfluss aus der Erbprinzenstraße wieder besser funktioniert, wenn ab Montag die Kurpfalzbrücke nach Abschluss der Gleisbauarbeiten frei ist, da bin ich vorsichtig optimistisch“, so Barchet. Weniger optimistisch ist er hinsichtlich der Autoposer-Szene: „Da hat sich nichts geändert, die fahren kreuz und quer und haben Spaß, neue Wege zu suchen.“
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