Innenstadt

Mannheimer Taxifahrer: "Verkehrsversuch ist gescheitert"

Zum 1. August hat die Mannheimer Taxizentrale die Fahrpreise angehoben. Eine Erhöhung droht laut geschäftsführendem Vorstand Jürgen Schwarz bald wieder. Zum Verkehrsversuch hat er eine klare Meinung

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Florian Karlein
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Am Hauptbahnhof ist einer von Mannheims größten Taxiständen. © Florian Karlein

Mannheim. Herr Schwarz, gesperrter Fahrlachtunnel, Großbaustellen, Verkehrsversuch - macht es momentan noch Spaß, in Mannheim Taxi zu fahren?

Jürgen Schwarz: Jein. Tatsächlich macht es Spaß, wenn man ein Faible dafür hat. Aber man muss sich dazu berufen fühlen. Klar, die Verkehrssituation ist zunehmend angespannt. Das Problem ist für uns: Es wird nie fertig, immer kommt eine neue Baustelle. Das macht uns das Leben zusätzlich schwer.

Und wie findet ein Taxifahrer den Verkehrsversuch in der Innenstadt?

Schwarz: An den Verkehrsversuch wurden wir behutsam herangeführt, es war ja klar, dass uns das immens betrifft. Für Aufträge in den Quadraten P, Q, R, S und T, die alle an den Taxistand am Wasserturm vermittelt werden, brauchen wir manchmal einfach zehn oder 15 Minuten länger, bis wir an der richtigen Adresse sind. Es kommt zu Kundenreklamationen, und wir haben Mühe, uns zu erklären.

Also aus Sicht eines Taxifahrers: Verkehrsversuch verlängern oder nicht?

Schwarz: Wir sind daran interessiert, dass die Innenstadt verkehrsberuhigt wird. Vielleicht würden wir davon zum Teil sogar profitieren. Aber wegen der Verkehrssituation müssen wir uns dagegen aussprechen. Zumal der Verkehrsversuch nicht nur in meinen Augen schon gescheitert ist. Denn zu einer Verkehrsberuhigung hat er nicht geführt. Im Gegenteil: Eher zu mehr Staus in den Quadraten.

Das merken Ihre Fahrer auch?

Schwarz: Ja, klar. Außerdem ist das ja total umweltschädlich. Fahren Sie doch mal tagsüber durch die Fressgasse - da ist den ganzen Tag Stau. Alle Autos bei laufendem Motor und laufender Klimaanlage.

Wäre es nicht attraktiv, die City komplett frei von Autos zu halten?

Schwarz: Das würde uns und auch die Bürger noch härter treffen. Denn komplett autofrei würde auch die Taxis betreffen. Dann hätten wir unter anderem das Problem, vulnerable Gruppen nicht mehr wie gewohnt zu den Ärzten in der Innenstadt befördern zu können. Und gerade am Wochenende stellen Menschen, die in der Stadt ausgehen, unsere Haupteinnahmequelle dar. Die Clubdichte in der Innenstadt und im Jungbusch ist ein großer Faktor. Die Frage ist, ob es Ausnahmen geben könnte: Anlieferer, Taxifahrer und so weiter.

Zum 1. August haben Sie die Preise für Taxifahrten um zehn Prozent erhöht. Sind nur die hohen Spritpreise schuld?

Schwarz: Weil wir zunehmend Konkurrenz - Mietwagen, Krankentransporter, Uber, Busse und Bahnen - haben, sind wir mit Tariferhöhungen immer sehr vorsichtig. Je höher die Preise, desto weniger lukrativ sind Taxis für die Bürger. Deswegen haben wir zuletzt 2015 angehoben, damals um 20 Prozent, und wir haben gemerkt, dass das Geschäft ein halbes Jahr lang erstmal in die Knie ging. Wir haben lange gerungen, um wie viel wir die Preise diesmal erhöhen können. Und schon im Dezember des vergangenen Jahres hatten wir den Antrag bei der Stadt Mannheim gestellt.

Jürgen Schwarz

  • Jürgen Schwarz ist seit dem Jahr 2001 geschäftsführender Vorstand der genossenschaftlich organisierten Taxizentrale. Davor war er Disponent und Aufsichtsrat. Michael Reitmeier ist mit ihm geschäftsführender Vorstand.
  • Begonnen hat er mit dem Taxifahren 1985. Damals war er noch Vollzeit auf Mannheim Straßen unterwegs, mittlerweile fährt er nur noch wenige Male im Monat.
  • Seit der Fusion vor fünf Jahren gehören die Rufnummern 0621/218 18 und 0621/44 40 44 nur noch zu einer Taxizentrale.
  • Genau 306 Taxi-Konzessionen hat die Stadtverwaltung derzeit vergeben. Von, laut Schwarz, rund 200 Taxi-Unternehmern in der Stadt – darunter viele Ein- und Zwei-Mann-Betriebe – seien rund 280 Mitglieder der Taxizentrale angeschlossen.

Da waren die Spritpreise noch deutlich niedriger.

Schwarz: So ist es. Gedacht waren die zehn Prozent als Inflationsausgleich - da war von einem Krieg in der Ukraine noch keine Rede. Da sind die Kraftstoffpreise also noch nicht eingepreist, wir konnten bei der Höhe der Steigerung aber auch nicht mehr eingreifen. Stattgegeben wurde dem Antrag im März zum 1. August. Früher ging nicht, weil die Eichämter nicht mehr hinterherkommen, die umprogrammierten Taxiuhren zu prüfen, weil die Preise momentan in vielen Kommunen angepasst werden. Wenn sich die Lage nicht entspannt - und davon muss man ja ausgehen -, kann es sein, dass wir im Herbst noch mal einen Antrag auf Fahrpreiserhöhung stellen müssen - zumal mit dieser Tariferhöhung weder die Erhöhung des Mindestlohns ab Oktober noch die allgemeine Teuerungsrate abgedeckt ist.

Das 9-Euro-Ticket für Busse und Bahnen erfreut sich riesiger Beliebtheit. Und gräbt Ihnen gerade das Wasser ab?

Schwarz: Das würde ich so nicht sagen. Durch das Ticket wurde der ÖPNV stark gefördert, so dass viele Nutzer tatsächlich umsteigen. Einige von ihnen entscheiden sich auf der letzten Meile jetzt aber auch für das Taxi. Von diesen Kurzstrecken profitieren wir sogar zum Teil. Mittlere Fahrstrecken werden sowieso mit der Bahn gemacht, eine Taxifahrt nach Heidelberg kostet rund 50 Euro. Allerdings hat die RNV die Taktung der Busse und Bahnen massiv verdichtet. Das macht uns vor allem nachts zu schaffen. Auch der Shuttleservice Fips ist Konkurrenz für uns. Und das alles ist staatlich oder kommunal finanziert. Da fallen wir als Taxibranche hinten runter.

Aber ist es aus gesamt-gesellschaftlicher Sicht nicht wünschenswert, wenn so viele Menschen wie möglich auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen? Dafür müssen solche Angebote eben attraktiver gemacht werden.

Schwarz: Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ist es im Hinblick auf Einsparungen von Energie und Schonung der Umwelt natürlich wünschenswert, dass möglichst viele Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen umsteigen - dazu stehen wir als Teil des ÖPNV zur Ergänzung gerne zur Verfügung.

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Wie ist die Branche in Mannheim durch die beiden Corona-Jahre gekommen? Stichworte: Lockdowns und Ausgangssperren.

Schwarz: Wir hatten einen Einbruch bei den Fahrgastzahlen ab Mitte März 2020 mit dem ersten Lockdown von mehr als 60 Prozent. Im Juni ging es etwas bergauf, aber mit dem nächsten Lockdown im Herbst ging es wieder bergab. Jetzt haben wir seit Mai steigende Fahrgastzahlen, schreiben auch erstmals nach zwei Jahren wieder schwarze Zahlen, obwohl wir immer noch zehn Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau liegen. Wir konnten uns nur mit Kurzarbeitergeld, Fördergeldern und Rücklagen über Wasser halten.

Durch die politische und gesellschaftliche Debatte zu Verbrennungsmotoren wird der Druck auf Taxi-Unternehmen hoch bleiben. Wie lange lässt sich Taxifahren noch wirtschaftlich betreiben?

Schwarz: Ob ein Taxi-Unternehmen wirtschaftlich arbeitet, hängt nicht vom Antrieb des Fahrzeugs ab. Alles steht und fällt mit den Auftragszahlen, mit der Konkurrenz. Und die nimmt zu. Und in der Nahrungskette der Subventionierung stehen wir ganz am Ende. Für viele ist Taxifahren verzichtbar.

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Ist das Taxifahren ein Luxusgut?

Schwarz: Es ist eine Bedarfsdienstleistung, die hauptsächlich dann in Anspruch genommen wird, wenn es nicht anders geht. Luxus wäre, bewusst immer nur noch Taxi zu fahren.

Sie sagen die Wirtschaftlichkeit hängt nicht vom Antrieb des Taxis ab. Wie viele E-Taxis sind denn in Mannheim unterwegs?

Schwarz: Bis heute noch kein ausschließliches Elektrofahrzeug, aber etwa ein Dutzend Hybride.

Von 300 Taxis in Mannheim? Das ist nicht viel.

Schwarz: Das Problem ist nicht die Investition, sondern die Ladeinfrastruktur. Wir brauchen Ladesäulen, vorzugsweise an den Halteplätzen der Taxis. Dann könnten die Fahrer die Autos während der Wartezeit aufladen. Zur Bundesgartenschau werden wir also leider nicht die große E-Flotte präsentieren können.

Vielleicht macht Ihnen das Großereignis im kommenden Jahr trotzdem Hoffnung. Die Bundesgartenschau soll viele Touristen in die Stadt locken.

Schwarz: Ja, die Bundesgartenschau macht uns Hoffnung. Wir sind als Taxizentrale auf jeden Fall auch dann leistungsfähig genug, den Bedarf zu erfüllen. Alle werden während der Buga mit dem Taxi dorthin kommen, wohin sie wollen. 1975 hatte die Stadt extra für die Bundesgartenschau zusätzliche Taxi-Konzessionen vergeben. Ich hoffe, das passiert diesmal nicht.

Gab es schon mal ein Großereignis in der Stadt, bei dem es eng wurde?

Schwarz: Na gut, es gibt immer mal wieder Spitzenzeiten wie das Konzert der Toten Hosen. Da ist viel los. Oder wenn wie vergangene Woche die Regionalbahnen am Hauptbahnhof ausfallen. Das merken wir sofort: Tausende Menschen müssen dringend irgendwo hin - oft auch nach Karlsruhe, Kaiserslautern, Neustadt und so weiter. Für die Stammkundschaft in Mannheim verlängern sich dann die Wartezeiten, weil die Taxifahrer weiter fahren müssen. Aber das sind Einzelfälle, die vielleicht ein- oder zweimal im Jahr vorkommen. Grundsätzlich haben wir genug Taxis, um den Bedarf zu decken - problematisch wird es dann, wenn die Fahrzeuge wegen Staus und Verkehrsbehinderungen feststecken.

Etwas ganz anderes: Wie viele Frauen sitzen in Mannheim im Taxi hinter dem Lenkrad?

Schwarz: Ganz wenige. Die Gesellschaft verroht zunehmend. Dass es immer häufiger zu Pöbeleien und Anfeindungen kommt, merken auch unsere Fahrer. Nachts sind in Mannheim deshalb vielleicht noch ein, zwei Fahrerinnen unterwegs, tagsüber sind es höchstens noch sechs oder sieben.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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