Mannheim. In der Schachtel, die Werkstudentin Judith Pendzialek dem kleinen Mädchen reicht, tummeln sich vom Häschen bis zum Elefanten allerlei Malvorlagen mit niedlichem Getier. Doch Alin schnappt sich zielsicher die Dinosaurier-Schablone, platziert sie entschlossen auf einem gelben Stoffstück und beginnt, die Umrisse mit Textilfarbe auszumalen. Die Urzeitwesen scheinen die Sechsjährige besonders anzuziehen. „Ja, die mag ich von allen Tieren am liebsten, weil sie richtig groß sind und spitze Zähne haben.“ Interessante Auswahlkriterien für ein Lieblingstier. Jedenfalls macht sich die Echse gut auf Alins Tasche, die sie beim Stoffbeutelbemalen am Stand der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) verziert. Unter dem Motto „Aufleben“ ist die Aktion eine der vielen Attraktionen beim Kinderfest des Stadtmarketings auf den Kapuzinerplanken.
Eisbär Rosa ist am Auge verletzt
Und in diesem Jahr ist die MRN neben vielen anderen Anbietern erstmals dort am Start. „Wir wollen fördern, dass sich die Kinder nach der langen Pandemiezeit endlich wieder persönlich treffen, austauschen und soziale Kompetenzen weiter entwickeln“, umreißt Judith Pendzialek, die Sonderpädagogik fürs Lehramt studiert, die Ziele des MRN-Engagements. Die Mädchen und Jungs sind jedenfalls mit solchem Feuereifer bei der Sache, dass sie manchmal die Zeit darüber vergessen.
„Lena, du hast jetzt hier gefühlt fünf Stunden Taschen bemalt“, ruft eine sichtlich leicht angenervte Mutter ihrer Nachwuchskünstlerin zu: „Wir müssen jetzt weiter, der Jonas will noch zum Zirkuszelt.“ Pädagogin Pendzialek schüttelt amüsiert den Kopf. „Das ist schon in Ordnung, wenn die Kinder länger bleiben. Aber wir müssen halt aufpassen, dass nicht zu viele gleichzeitig im Zelt sind“, sagt sie mit Blick auf die lange Warteschlange vor dem Stand. Aus pandemiehygienischer Vorsicht? „Auch, aber zum Malen müssen alle richtig sitzen können.“ Der große Zuspruch steht jedenfalls für den Erfolg dieser Premiere.
Geduldig anstehen müssen Kinder und Eltern auch vor dem Kuscheltierkrankenhaus. Leni hat einen Eisbären auf dem Arm. Wie der heißt? „Das ist die Rosa“, erklärt die Sechsjährige. Erst einen Monat alt sei das weiße Pelztier. Also noch ein Baby. „Ja, aber sie hat was am Auge, siehst du?“ Weil sie halt manchmal so wild sei, erzählt Leni, die mit ihrem dreijährigen Bruder Lio und den Eltern Sina und Timo Dosdal aus Heidelberg angereist ist. Im Zelt kümmern sich Medizinstudentinnen um die Fellpatienten. Damians Minion-Puppe hat Bauchweh: „Das habe ich auch manchmal ganz arg“, erzählt der Fünfjährige.
Und während die angehenden Medizinerinnen an dem Plüsch-Fabelwesen zeigen, wo welche Organe sitzen, erklärt einer ihrer Studienkollegen, wie eine Narkose abläuft: „Wir hoffen, dass die Kleinen hier auch ein wenig Angst vor Arzt und Klinik verlieren, von der Untersuchung bis zum Fädenziehen.“
Mit Mut, Beweglichkeit, aber auch mit Hilfe eines aufmerksamen und zupackenden Helferteams können kleine Besucher gleich nebenan im Zelt vom Kinder- und Jugend-Zirkus Paletti erste artistische Fähigkeiten testen. Die 13-jährige Teresa Jehle trainiert schon seit ihrem vierten Lebensjahr bei Paletti. Heute ist sie Trainerin: „Es mach Spaß zu sehen, wie sich auch schüchterne Kinder hier öffnen und dazulernen wollen.“ Nur die Kinder? Da lacht die Ludwig-Frank-Gymnasiastin: „Eltern dürfen natürlich auch mitmachen.“ So wie Stefan Trimborn, der Sohnemann Vincent (8) zeigt, wie man mit Tellern jongliert: „Aber ehrlich gesagt, kann er es schon fast besser als ich.“ Die Familie ist samt Mutter Martina und Brüderchen Damian (5) extra aus Neu-Isenburg zu Besuch: „Das Konzept ist super. Wenn die Kinder zufrieden sind, kommen wir nächstes Jahr wieder.“
Funke zum Publikum springt über
Inzwischen erfüllt das Bläserquintett der Mannheimer Philharmoniker die Manege mit Melodien aus Engelbert Humperdincks Märchenspiel Hänsel und Gretel. Die kleinen Klassik-Fans fiebern mit dem Geschwisterpaar mit, untermalen das von einem Schauspieler kommentierte Geschehen mit Gesang und Pirouetten. Projektmanager Christian Apitz verfolgt das Treiben sichtlich mit Genuss: „Es ist einfach schön zu sehen, wenn der Funken zum Publikum überspringt.“
Und Alin, die malt sicher inzwischen mal keine Echsen, sondern zarte Schmetterlingsflügel? Da schüttelt sie so heftig den Kopf, dass die Locken ihres Pferdeschwanzes hin und her fliegen. Und deutet auf die Vorlage eines Tyrannosaurus Rex. „Ich hab’ doch gesagt, das sind meine Lieblingstiere.“ Entschuldigung, war ja nur so eine Frage.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheim erlebte ein gelungenes Stadtfest