Mannheim. Wolf Wollstadt ist zum ersten Mal im Marchivum. Die Frage, wie es ihm gefällt, beantwortet er mit einem Wort: perfekt. Der Feudenheimer spricht es „peerrrffekt“, als wolle er sich jeden einzelnen Buchstaben auf der Zunge zergehen lassen. Dass er mit seiner Frau Karina mal hier auf der Chefetage im 6. Stock sitzen dürfte, mit herrlichem Blick über die Neckarstadt und rüber auf den Jungbusch, hätte sich Wollstadt nach eigenem Bekunden nie träumen lassen.
Erst recht nicht den Grund. Der ist vor ihm auf einem Handwagen gestapelt: rund 20 Ordner über den Sozialverband VDK sowie weitere Stücke seiner riesigen Sammlung. Die ziehen für immer ins Mannheimer Stadtarchiv. Der 77-Jährige hatte befürchtet, sie würden eines Tages auf dem Müll landen.
Mannheimer Sportfan sammelt Artikel über Vereine in 120 Ordnern
Weil dieses Schicksal seiner gesamten Sammlung drohte, hatte sich der große Sportfan vor einigen Monaten an den „Mannheimer Morgen“ gewandt. Er wollte all seine mit Zeitungsartikeln, aber auch vielen persönlichen Erinnerungsstücken akribisch gefüllten Ordner an Vereine oder Privatleute verschenken. „Schon am nächsten Tag kamen die ersten Mails und Anrufe. Es ging ruckizucki“, erzählt Wollstadt.
„Ich bin alles losgeworden, was ich loswerden wollte.“ Rechne man einige schon früher weggegebene aus seiner Heddesheimer Zeit mit ein, seien es insgesamt rund 120 Ordner. Die letzten, über MERC/Adler und Rhein-Neckar-Löwen, habe sich eine Leserin aus Balingen geholt, als sie zum Ludwigshafener Filmfest hier gewesen sei.
Marchivum übernimmt Sammlung zum VDK
Auch Jasmin Breit vom Marchivum las den Artikel über Wollstadt. Ihr Interesse weckten allerdings weniger seine Sammlungen über die Mannheimer Sportvereine - zu denen gibt es im Stadtarchiv bereits reichlich Material. Anders sieht es mit jenem Sozialverband aus.
Die rund 20 VDK-Ordner in seinem Keller hatte Wollstadt nur im Vorbeigehen gezeigt. Dass die jemand haben wolle, schien selbst ihm ausgeschlossen. Die Vorstellung, Außenstehende könnten mit höchster Spannung von der ersten bis zur letzten Seite nachlesen, was sich beim Kreisverband in den vergangenen 25 Jahren so alles ereignet hat, fällt in der Tat nicht leicht. Was reizt das Marchivum daran? „Uns geht es um eine möglichst ganzheitliche Sicht auf die Stadtgesellschaft“, erklärt Breit. Da gehöre natürlich auch dieser Sozialverband dazu.
Wollstadt sammelt 95 Prozent eigene Artikel
Wollstadt trat 1997 aus Dankbarkeit in den VDK ein. „Der hat mir geholfen, doch noch eine Reha zu machen, die die Krankenkasse eigentlich schon abgelehnt hatte.“ Als früherer freier Mitarbeiter auch mal beim „MM“ sowie beim „Feudenheimer Anzeiger“ übernahm er das Amt des Pressewarts. Seiner Schätzung nach bestehen seine Ordner nun zu 95 Prozent aus Artikeln, die er selbst für das Mitgliedermagazin verfasst hat. Von Interesse könnten die laut Breit beispielsweise mal für jemanden sein, der eine Examensarbeit über Sozialverbände schreibe.
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Auch die Vorstellung gefällt Wollstadt. Er ist generell glücklich und sehr dankbar, in welche guten Hände seine Ordner geraten sind. Viel Material über den SV Waldhof habe sich der langjährige Fanbetreuer und Vereinsexperte Martin Willig gesichert. Der, so schließt sich ein hübscher Kreis, hat im Sommer im Marchivum einen Vortrag über die Geschichte des Mannheimer Fußballs gehalten, nächstes Jahr folgt Teil 2.
Seine Sammlung über die MTG sei an „Kulttrainer“ Jürgen Harksen gegangen, berichtet Wollstadt. Und vom VfR Mannheim habe Präsident Boris Scheuermann angerufen, ihm das Du angeboten und sich sehr bedankt, dass er dem „MM“ von seinen Erlebnissen als „Einlaufkind“ bei diesem Verein berichtet habe. Darüber solle er nun ein Kapitel in einem von Scheuermann geplanten Buch schreiben. Damals war der VfR in der höchsten deutschen Spielklasse, und Wollstadt trug Gäste-Kickern die Sporttaschen ins Stadion. Zur Belohnung gab es Autogramme.
Marchivum digitalisiert Wollstadts Autogramm-Karten
Auch die Autogrammsammlung des 77-Jährigen ist jetzt im Marchivum gelandet, aber nur als kleiner Dank: „Wir digitalisieren sie für ihn, dann bekommt er sie zurück“, sagt Breit. Das übrige Material - außer dem zum VDK auch einige andere Ordner etwa über Xavier Naidoo oder mit alten Fotos vorwiegend aus Feudenheim - wird nun fürs Archiv zurechtgemacht.
Alle Plastik- und Metallstücke werden entfernt, die Blätter mit sogenannten „Zippeln“ versehen. Tolles Wort! Das sei eigentlich nur der Name der Firma, die diese Verbundlösung herstelle, erläutert Breit. „Aber das ist so wie mit Tempo und Taschentuch, der Begriff hat sich verselbstständigt.“
Zum Schluss führt die Marchivum-Mitarbeiterin noch in den Keller. Dort wird alles, basisch gepuffert und damit schwer entflammbar, in Kartons gelagert. Bis sich dann jemand mal die Sammlung anschauen kann, dauert es allerdings noch sehr lange. Aus archivrechtlichen Gründen gelte eine Sperrzeit von 30 Jahren, sagt Breit.
Davon sei nur der Schenker ausgenommen. Wenn Wollstadt seine Schätze noch mal sehen wolle, werde man ihm das natürlich gern ermöglichen. Der kann sich das nach eigenem Bekunden durchaus vorstellen, so gut wie es ihm hier im Marchivum gefällt. Einfach „peerrrffekt“ eben.
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