Mannheim. Die AfD frohlockt, die Stadtverwaltung bemüht die zweite Instanz. Der Donnerstagnachmittag ist ein genauso spektakulärer wie unübersichtlicher. Nachdem das Verwaltungsgericht Karlsruhe (VG) am Nachmittag einem Eilantrag der Landes-AfD stattgegeben hat, könnte diese wie geplant am Freitag um 18 Uhr ihre bundesweit beworbene Kundgebung auf dem Marktplatz abhalten. Zuvor hatte der Landesverband gegen eine von Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) erlassene Allgemeinverfügung geklagt, nach der der Marktplatz für die nächsten Tage ein Gedenkort sei, auf dem Versammlungen verboten sind. Durch die Allgemeinverfügung war auch die bereits angemeldete AfD-Kundgebung auf dem Marktplatz verboten worden. Die Stadt hatte der Partei als Alternative den Paradeplatz angeboten.
„Beide behördlichen Verfügungen“ - also sowohl die Allgemeinverfügung als auch das Verbot der Kundgebung - „seien voraussichtlich rechtswidrig, weshalb die im Eilverfahren vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfalle“, urteilte das Verwaltungsgericht. Damit dürfte die AfD wie geplant am Marktplatz demonstrieren.
Am Donnerstagabend teilt die Stadtverwaltung allerdings mit, gegen das Urteil Beschwerde beim in Mannheim ansässigen Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einzulegen. Somit war am Donnerstagabend noch nicht klar, wo die AfD demonstriert.
In seinem Urteil stellt das Verwaltungsgericht fest, dass der Marktplatz „faktisch als uneingeschränkt zugänglicher Kommunikationsraum“ der Öffentlichkeit zur Verfügung stehe. Damit bewertet es das Recht, zu jeder Zeit und an jedem Ort Versammlungen durchzuführen, höher als die Zweckbestimmung, der Marktplatz sei ein Ort des Gedenkens und der Trauer für die Bevölkerung. Die Stadt habe auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht überzeugend dargelegt, heißt es. „Dabei könne es nicht auf eine politisch-inhaltliche Bewertung der beabsichtigten Versammlung, sondern nur darauf ankommen, ob grundlegende soziale oder ethische Anschauungen in erheblicher Weise verletzt würden.“ Dass die Verwaltung ein stilles Gedenken „für angemessener“ halte als eine „polarisierende, lautstarke Versammlung“ genüge nicht. Zudem habe die Stadt „weder dargelegt“ noch sei „ersichtlich“, dass sich die AfD-Versammlung gegen das Gedenken richte.
Die Gründe der Stadt für das Verbot der Versammlung seien „vorgeschoben und scheinheilig“, kommentierte der AfD-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier die Entscheidung. Auch er soll auf dem Marktplatz sprechen. „Unsere Demo stört nicht die Pietät, sondern ist im Gegenteil wichtig, um aufrichtige Trauer mit angemessenem politischem Handeln zu verknüpfen, damit nie wieder solche Messerangriffe in unserem Land passieren“, sagte er. Die Partei wirbt seit Tagen bundesweit für die Teilnahme an der Kundgebung in Mannheim unter dem Motto „Islamismus stoppen!“.
Sprecher der Polizei Mannheim: Sind „auf alles“ vorbereitet
Oberbürgermeister Specht äußerte sich unmittelbar nach der Entscheidung in erster Instanz besorgt. „Die Anmelder der Versammlungen machen von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch“, teilte er mit. „Sie sind verantwortlich für die Sicherheit ihrer Veranstaltungen. Ich appelliere daher nachdrücklich an die Versammlungsleiter, sicherzustellen, dass von ihren Versammlungen keine Störungen und Straftaten ausgehen“, heißt es.
„Für die Mannheimer Stadtgesellschaft, die in Würde und Ruhe um den getöteten Polizisten trauern und der anderen verletzten Opfer gedenken möchte, wäre es unerträglich und inakzeptabel, wenn auch nur ein Polizist oder eine Polizistin im Rahmen der Versammlungen verletzt würde. Ich fordere die Versammlungsleiter auf, in enger Abstimmung mit der Polizei und der Versammlungsbehörde unverzüglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie die Sicherheit ihrer Versammlungen nicht mehr gewährleisten können.“
Am Abend teilt die Verwaltung mit: „Nachdem es bereits am Sonntag am Marktplatz zu Ausschreitungen zwischen zwei Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Messerattentat gekommen ist, sieht die Stadt jetzt eine zusätzlich erhöhte Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil bundesweit in einschlägigen Foren für die Veranstaltung am Freitag aufgerufen wird.“
Das Polizeipräsidium richtet sich auf einen Großeinsatz ein. Im Rahmen der allgemeinen Lagebewertung sei die Polizei „auf alles“ vorbereitet, erklärt Sprecher Karl Appel.
Neben AfD-Kundgebung wird Demonstration von Antifa-Gruppen erwartet
Neben der Kundgebung der AfD wird eine Demonstration von Antifa-Gruppen erwartet, die ebenfalls bundesweit mobilisieren. Offiziell ist die aber nicht angemeldet, erklärte eine Sprecherin der Versammlungsbehörde. Am Alten Meßplatz will der Deutsche Gewerkschaftsbund von 16.30 bis 17.30 Uhr eine angemeldete Kundgebung unter dem Motto „Mannheim steht zusammen“ abhalten, hinter der ein breites politisches und gesellschaftliches Bündnis steht. Ab 17.30 Uhr plant das Bündnis „Mannheim gegen Rechts“ eine Demonstration vom Alten Meßplatz zur AfD-Kundgebung.
Wie die Sprecherin der Versammlungsbehörde erklärte, hätten bis auf die AfD drei Veranstalter ihre für Samstag und Sonntag auf dem Marktplatz angemeldeten Versammlungen zurückgezogen. Mit einer Gruppe, die eine vierte Versammlung am Sonntag angemeldet hat, habe man sich auf den Paradeplatz als Ausweichort verständigt.
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Fraktionen aus dem Gemeinderat haben ihre Probleme mit der Entscheidung des VG. Sie löse „bei vielen Kopfschütteln aus“, teilte CDU-Fraktionschef Claudius Kranz mit. Es sei schwer vorstellbar, dass auf dem Platz, wo mit Blumen und Kerzen des getöteten Polizisten gedacht wird, „eine politische Veranstaltung - und zwar unabhängig von welcher Partei - stattfinden darf“.
Auch für die Mannheimer Liste ist diese Gerichtsentscheidung „nur schwer nachvollziehbar“. Die AfD, so Fraktionschef Holger Schmid, missbrauche den Platz „aus populistischen Überlegungen heraus für ihren Wahlkampf. Dies ist schäbig, pietät- und respektlos“. Der SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch argumentierte ähnlich.
Indes beteiligen sich an der Schweigeminute zum Gedenken des getöteten Polizisten an diesem Freitag um 11.34 Uhr auch Schulen. Am Donnerstagnachmittag war ein Schreiben von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eingegangen. Er bittet darin alle Ministerien und „nachgeordnete Bereiche“ - also auch Schulen - „sich der Schweigeminute anzuschließen“.
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