Wärme und Strom - Klimaschutzagentur verzeichnet steigende Nachfrage / MVV will Fernwärmenetz ausbauen – und die Erdgas-Belieferung ab 2035 einstellen

Mannheimer MVV liefert Kunden ab 2035 kein Erdgas mehr

Von 
Martin Geiger
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Mannheim. Die Energiepreise sind bereits vor dem Krieg in der Ukraine drastisch gestiegen. Und der russische Angriff auf das Nachbarland hat die Lage nochmals verschärft. Entsprechend denken auch in Mannheim immer mehr Menschen über Alternativen und Einsparmöglichkeiten nach – und holen sich beispielsweise Rat bei der Klimaschutzagentur.

„Eine erhöhte Nachfrage ist deutlich spürbar“, sagt deren Geschäftsführerin Agnes Schönfelder, „aber nicht erst seit der Ukrainekrise, sondern schon seit nunmehr zwei Jahren.“ Neben der Klimakrise macht sie dafür die Pandemie verantwortlich: „Viele beschäftigen sich verstärkt mit dem eigenen Zuhause.“ Und so erreichen die Agentur mehr Anfragen nach Fördermöglichkeiten, aber auch nach allgemeinen Beratungen, zu denen etwa die kostenlosen Energiechecks gehören.

„Fernwärmenetz ein Vorteil“

„Seit letztem Jahr verzeichnen wir noch mal ein gesteigertes Interesse an den Energiechecks“, berichtet Schönfelder, „vor allem an Heizungs-Eignungschecks.“ Corona-bedingt hätten gar nicht alle Interessierten beraten werden können. Auch aktuell komme es zu Wartezeiten von sechs bis acht Wochen.

Wahrscheinlich wären die Wartezeiten sogar noch deutlich länger, wenn in Mannheim die Fernwärme nicht eine so große Rolle spielen würde: Knapp zwei Drittel aller Haushalte in der Stadt heizen damit. Das hiesige Netz gilt als das bundesweit zweitgrößte. „Das ist in diesen Tagen ein echter Vorteil“, sagt Sebastian Ackermann, Sprecher der MVV Energie, die das Netz betreibt. Entsprechend nutzt lediglich etwa ein Viertel der Mannheimerinnen und Mannheimer Gas – wo die Verwerfungen an den Energiemärkten zuletzt am spürbarsten waren. Neuere Heizungsmethoden wie Wärmepumpen oder Pelletkessel spielen eine noch sehr untergeordnete Rolle.

Die der Fernwärme soll dagegen mittelfristig sogar größer werden: „Wir arbeiten intensiv an Projekten, um das Fernwärmenetz auszubauen“, sagt der MVV-Sprecher. Insbesondere die Rheinau, Feudenheim und Seckenheim stünden dabei derzeit im Fokus. Für Gebiete, in denen die Erschließung nicht möglich sei, versuche man, alternative Konzepte anzubieten. Denn die Zeit der Gasheizungen geht bei der MVV definitiv zu Ende.

Wegen Klima Verzicht auf Erdgas

Ab 2035 will das Unternehmen keine Kunden mehr mit Erdgas beliefern. „Das gehört zu unserer Klimastrategie, bei der wir bewusst auf die Gasstufe verzichten“, erklärt Ackermann. Ab 2040 will die MVV klimaneutral sein. Die Fernwärme soll bereits spätestens in acht Jahren komplett durch Methoden erzeugt werden, die als klimaneutral eingestuft sind. Derzeit wird der Großteil noch vom Grosskraftwerk Mannheim (GKM) produziert, Deutschlands größtem Steinkohlekraftwerk.

Zukünftig will die MVV neben dem bereits erfolgten Anschluss des Müllheizkraftwerks auf der Friesenheimer Insel auch das benachbarte Biomassekraftwerk an das Netz anbinden, um Fernwärme zu gewinnen. Aber etwa auch der Bau von bis zu drei Geothermie-Anlagen und eines weiteren Biomassekraftwerks werden geprüft. Zudem wird Anfang April auf dem GKM-Gelände eine Flusswärmepumpe installiert, um dem Rhein Energie zu entziehen.

So rät auch die Geschäftsführerin der Klimaschutzagentur, die von der Stadt, der MVV und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBG getragen wird, „wo immer möglich“ zum Anschluss an das Fernwärmenetz. Ist dies nicht machbar, sei es sinnvoll, über eine Wärmepumpe nachzudenken, so Schönfelder.

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Die Klimaschutzagentur fördert zusätzlich zu den Bundesmitteln Sanierungsmaßnahmen – und stößt damit auf beachtliches Interesse: Zwar hat der Gemeinderat den entsprechenden Etat der Agentur für dieses Jahr auf 550 000 Euro aufgestockt, so dass theoretisch rund 150 Anträge bewilligt werden können. Doch in den ersten beiden Monaten des Jahres sind bereits 90 Anträge eingegangen. Wer noch einen stellen will, sollte sich also beeilen.

Mit einer schnellen Umsetzung von energiesparenden oder -effizienten Maßnahmen sollte man jedoch nicht rechnen, sagt Marina Litterscheidt von der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald: „Maßnahmen zur Energieeffizienz sind nicht ,einfach mal so’ ganz schnell und kurzfristig umzusetzen, sondern bedürfen einer längerfristigen Planung, insbesondere, wenn es um die Gebäudehülle oder den Einbau einer Wärmepumpe geht.“ Darum stellten die Handwerksbetriebe aktuell auch keinen besonderen Nachfrageboom fest. Mittelfristig erwarte man jedoch schon vermehrte Aufträge.

Preisgarantie für Bestandskunden

Von einem „deutlich gesteigerten Kundeninteresse“ in den vergangenen Jahren an alternativen Lösungen berichtet auch MVV-Sprecher Ackermann: „Die aktuelle weltpolitische Situation führt zudem zu einem erhöhten Interesse für Lösungen wie die klimafreundliche Fernwärme oder dezentrale Lösungen für Eigenheime wie Wärmepumpen.“

Doch auch wer an seiner alten Heizungsanlage festhält und von der MVV versorgt wird, muss sich zumindest in diesem Jahr keine Sorgen machen: Die Strom- und Gaspreise für Bestandskunden in der Grundversorgung werden 2022 nicht mehr erhöht, verspricht Ackermann.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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