Der Spritpreis über zwei Euro, die Gasrechnung teilweise verdreifacht, der Strom immer teurer: Die drastisch gestiegenen Energiepreise wären an den Stammtischen, wenn es sie zurzeit denn gäbe, ein Dauerthema. So verständlich der Ärger darüber ist, so klar muss man auch zwei bittere Wahrheiten aussprechen. Die eine ist: Was auch immer zurzeit in Berlin oder Brüssel diskutiert wird – der Staat wird die Verwerfungen nicht komplett ausgleichen können. Und sich das nötige Geld ohnehin an anderer Stelle wieder von den Bürgern holen. Die zweite ist: Das dicke Ende könnte erst noch kommen. Vor allem beim Gas planen die seriösen Versorger den Einkauf lange im Voraus. So konnten sie die jüngsten Kapriolen einigermaßen ausgleichen. Doch wenn sich die Lage nicht entspannt, stehen uns die großen Preiserhöhungen erst noch bevor.
Darum ist es jetzt entscheidend, bei aller Aufgeregtheit und notwendigen kurzfristigen Maßnahmen, die langen Linien nicht aus den Augen zu verlieren: Deutschland muss seine Abhängigkeit verringern. Und das Mittel dazu ist die Energiewende.
Teil dieser ist aber auch ein Aspekt, der bislang viel zu stiefmütterlich behandelt worden ist: das Einsparen und effiziente Nutzen von Energie. Gerade im so wichtigen Gebäudebereich ist hier jahrzehntelang viel zu wenig getan worden. Jetzt rächen sich die Versäumnisse der Vergangenheit. Die Republik könnte längst viel weiter sein, wenn die Politik das Thema nicht ignoriert und wir alle in unserer Wohlstandsblase uns nicht hauptsächlich nur mit dem eigenen Hinterhof beschäftigt hätten.
Passenderweise profitiert Mannheim in der aktuellen Lage von einer richtigen strategischen Entscheidung der Vergangenheit: dem Aufbau des Fernwärmenetzes. Solche langfristig wirksamen Beschlüsse müssen nun wieder gefällt werden – anstatt nur um politische Punktgewinne und Fördergelder zu feilschen.
Die MVV hat das bereits getan. Etwa mit der – freilich durch den Kohleausstieg erzwungenen – Wende bei der Fernwärmeerzeugung. Klar wird das zu Konflikten führen, spätestens dann, wenn es um die Standorte der geplanten Geothermieanlagen geht. Oder um die dringend benötigten Flächen für den Ausbau von Windkraft und Solaranlagen. Auch mit dem mittelfristigen Verzicht auf Erdgas wird sie einige Kunden vor den Kopf stoßen, die sich dann einen neuen Versorger suchen müssen. Aber auch wenn solche Entscheidungen manchen wehtun: Sie sind strategisch richtig. Fürs Klima – und für eine geringere Energie-Abhängigkeit.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Energiepreise: Das dicke Ende droht erst noch
Martin Geiger über Energiepreise und Energiepolitik